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Es besteht in der Praxis häufig keine Doppelstruktur, wenn die operative Gesellschaft als Personengesellschaft in Erscheinung tritt, da der Kooperationsvertrag abschließende, umfassende und grundsätzlich formlose Regelungen beinhalten kann. Für die Rechtsform einer Personengesellschaft im Vergleich zu einer Kapitalgesellschaft sprechen vor allem die leichtere Gründung und die größere Flexibilität in der Gestaltung der Gesellschaft. Dagegen wird eine Rechtsform der Kapitalgesellschaft (GmbH oder AG) oft aufgrund der beschränkten Haftung gerade für ein mit Risiken behaftetes Gemeinschaftsunternehmen gewählt. Die Eigenschaft einer begrenzten Haftung kann unter den Personengesellschaften nur mit der Rechtsform der GmbH & Co. KG für die Partner erlangt werden. Deshalb wird unter den Personengesellschaften hauptsächlich diese Form für ein Gemeinschaftsunternehmen verwendet. Unter den Kapitalgesellschaften kommt der Wunsch der Partner, die geschäftlichen Tätigkeiten kontrollieren zu können, insbesondere bei der GmbH im deutschen Recht zum Tragen.[21] Grundsätzlich kann jedoch das Gemeinschaftsunternehmen in jeder rechtlichen Einheit auftreten.
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Das Equity Joint Ventureempfiehlt sich in erster Linie bei einer langfristig angedachten Zusammenarbeit sowie bei dem Wunsch nach einer Haftungsbeschränkung. Als Grundvoraussetzung wird ein hohes Maß an Vertrauen zwischen den Parteien angesehen.[22] Insgesamt wird bei der Entscheidung zwischen Contractual und Equity Joint Venture eine Vielzahl von operativen, steuerlichen, rechtlichen und anderen Faktoren berücksichtigt. Für das Contractual Joint Venture spricht gegenüber dem Equity Joint Venture die vergleichsweise höhere Flexibilität, da keine gesetzlich zur Verfügung stehenden Gesellschaftsrechtsformen (z.B. GmbH oder GmbH & Co. KG) bedient werden müssen. Dagegen schließt sich eine Teilnahme am Markt mit einer gleichzeitig generell geltenden Haftungsbeschränkung bei einem Contractual Joint Venture gegenüber dem Equity Joint Venture aus.[23]
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Folgende Praxisbeispiele von Equity Joint Venture unter deutscher Beteiligung sind den jeweiligen Geschäftsberichten zu entnehmen:
Siemens/Bosch:
Die BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH war ein über 40 Jahren bestehendes 50:50-Joint-Venture zwischen der Robert Bosch GmbH und der Siemens AG. Das Gemeinschaftsunternehmen zählte zu einem weltweit führenden Hausgerätehersteller.[24] Im Jahre 2014 hat Bosch die Anteile von Siemens übernommen.
BMW/SGL:
„Im Jahre 2009 haben die BMW Group und die SGL Group das Joint Venture[25] SGL Automotive Carbon Fibers (ACF) [GmbH & Co. KG] zum Zwecke der exklusiven Versorgung der BMW Group mit Carbonfaser-Materialien gegründet.“[26]
VW/SAIC:
Im Zuge der Reform- und Öffnungspolitik legte sich VW durch die Gründung des 50:50-Joint-Venture namens Shanghai Volkswagen Automotive Company Ltd. (SVW) in Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen Shanghai Automotive Industry Corporation Ltd. (SAIC) im Jahr 1984 das Fundament für den Eintritt in den Zukunftsmarkt China. Ein weiteres Joint Venture zwischen VW (30 %[27]), der Tochter Audi (10 %) und dem chinesischen Automobilhersteller FAW (60 %) folgte im Jahr 1991. Seitdem hat VW bis zu 17 Gesellschaften – inklusive Komponenten-, Finanz- und Vertriebsgesellschaften – in China gegründet.[28]
E.on/Sabanci:
Ende 2012 schloss der E.on Konzern „mit der türkischen Sabanci-Gruppe, einem der größten Finanz- und Industriekonglomerate der Türkei, eine Energiepartnerschaft“ ab. E.on sieht das 50:50 Joint Venture Enerjisa als Chance, im zunehmend liberalisierten Energiemarkt der Türkei Fuß zu fassen. Das Gemeinschaftsunternehmen will „bis zum Jahr 2020 eine Erzeugungskapazität von insgesamt bis zu rund 7 500 MW und damit einen Anteil von 10 % im türkischen Erzeugungsmarkt erreichen.“ Dafür baut das Joint Venture gemeinschaftlich Gas-, Wasser- und Windkraftwerke.[29]
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3. Terminologie und Eingrenzung der Untersuchung
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Der Begriff des Joint Venturewird im Bilanzrechtweder einheitlich, noch mit dem Gesellschaftsrecht korrespondierend verwendet.[30] Hierbei ist zunächst die Bilanzierung nach HGB sowie nach Internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) zu unterscheiden.
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Für vertragliche Kooperationen im Sinne von sog. Contractual Joint Venturegibt es im deutschen Bilanzrechtkeine Spezialregelungen, sondern die Bilanzierung solcher schuldrechtlicher Kooperationen regelt sich nach den allgemeinen Bilanzierungsvorschriften. Für die Bilanzierung einer Beteiligung an einem Gemeinschaftsunternehmenim Rahmen des Konzernabschlusses liefert § 310 Abs. 1 HGB i.V.m. DRS 9.3 folgende Definition: Ein Gemeinschaftsunternehmenist ein Unternehmen, das von einem in den Konzernabschluss einbezogenen Mutter- oder Tochterunternehmen und einem oder mehreren anderen nicht zum Konzern gehörenden Unternehmen gemeinsam geführt wird. Das entscheidende Merkmal für ein Joint Venturei.S.d. HGB-Konzernabschlusses ist demnach die gemeinsame Führungeines Unternehmens durch mindestens zwei Partnerunternehmen. Die Partnerunternehmen müssen außerdem voneinander unabhängig sein (d.h. nicht dem gleichen Konzern angehören), da ansonsten aus Sicht der Konzernspitze voll konsolidierungspflichtige Tochterunternehmen bestehen.
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Die internationalen Rechnungslegungsstandards(IFRS) liefern mit IFRS 11 gegenüber dem HGB eine umfassendere Regelung von Joint Venture spezifischen Bilanzierungsthemen: IFRS 11 unterscheidet unter dem Oberbegriff Joint Arrangementzwischen einer gemeinschaftlichen Tätigkeit (Joint Operation) und einem Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) . Dies ist abhängig von den Rechten und Pflichten, die sich aus der Vereinbarung für die Partnerunternehmen ergeben.[31] Die Art der festgestellten gemeinsamen Vereinbarung bestimmt, wie die bilanzielle Einbeziehung im Einzelabschluss- und Konzernabschluss der Partnerunternehmen zu erfolgen hat. Der Begriff des Joint Arrangementi.S.d. IFRS 11 umfasst deshalb als Oberbegriff sowohl vertragliche Kooperationen ( Joint Operation ) wie auch selbstständige Gemeinschaftsunternehmen (E quity Joint Venture). Insofern sind Joint Venturein diesem engeren Sinnenur noch als Gemeinschaftsunternehmen zu verstehen; Joint Arrangement fungiert dagegen als neuer Oberbegriff sowohl für Contractual wie auch Equity Joint Venture. Nachfolgend wird daher der neue Begriff des Joint Arrangement in Verbindung mit dem IFRS 13 verwendet; ansonsten wird ein Joint Venture aber grundsätzlich im bisherigen weiteren Sinne verstanden.
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Nachfolgend wird unter Rn. 27 ff.zunächst ein Überblick über die Bilanzierungsregelungen von Joint Venturenach deutschem HGB und IFRS sowohl für den Einzel- wie für den Konzernabschluss gegeben. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass sowohl das Joint Venture wie auch die Joint Venture Gesellschafter jeweils bilanzierungspflichtige Unternehmensind. Auf Basis des jeweiligen Einzelabschlusses des in- oder ausländischen Joint Venture Unternehmens (Gemeinschaftsunternehmens) erfolgt eine bilanzielle Abbildung der Joint Venture Beteiligung sowohl im Einzel- wie im (IFRS-)Konzernabschluss des jeweiligen Joint Venture Partnerunternehmens.
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Anschließend werden unter Rn. 70 ff.die relevanten Typen von Joint Venture – unter besonderer Berücksichtigung des IFRS 11 zu den sog. Joint Arrangements – identifiziert, anhand derer sich der jeweilige Bilanzierungsaufwand nach IFRS bemisst. Hierzu werden ihre Merkmale voneinander abgegrenzt. Zur Verdeutlichung der einzelnen Joint Venturebzw. Joint Arrangement Typen werden die jeweiligen Erscheinungsformen in der Praxis dargestellt und diesen zusätzlich die typischen Rechtsformen des deutschen Gesellschaftsrechts zugewiesen. Es werden die Bilanzierungsaspekte der einzelnen Ausprägungsformen von Joint Arrangements aufgezeigt, die sich aus dem IFRS 11 ergeben.
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