Vor allem aber möchte ich Sie damit inspirieren, neugierig machen und Sie dazu anregen, sich selbst einmal zu überlegen, welcher Typ Sie gern wären:
Der Scout: Sie sind auf unbekanntem Terrain ohne allzu konkrete Planung unterwegs. Ihnen geht es darum, neue Wege und unentdeckte, schwer zu erreichende Orte zu erkunden. Da Sie hierfür relativ weite Strecken zurücklegen, sich selbst versorgen und auf Wetterkapriolen eingestellt sein müssen, tragen Sie wahrscheinlich einen großen Rucksack, den Sie geschickt packen müssen, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, ohne zu viel Gewicht zu schleppen. Ich bin gern selbst so unterwegs und finde, der Scout verkörpert besonders gut, was ich mir persönlich unter Bushcraft und Survival vorstelle.
Der Minimalist: Sie sind ein Meister der Selbstbeschränkung und haben möglicherweise nur Ihre Kleidung dabei. Alles, was Sie benötigen, stellen Sie aus natürlichen Ressourcen her. Sie lieben diese Herausforderung. Hier sind ein ausgezeichneter Trainingszustand, viel Erfahrung und Wissen sowie psychische Stabilität gefragt. Man kann eine Winternacht im Freien komplett ohne mitgebrachte Ausrüstung einigermaßen warm überstehen, das haben Minimalisten mehrfach bewiesen. Ich bewundere Menschen, die so etwas schaffen, habe aber selbst gern einen wohldurchdachten Satz Hilfsmittel dabei. In einer Survival-Situation wären Sie als Minimalist klar im Vorteil.
Der Historiker: Sie verwenden nur Ausrüstungsgegenstände und Techniken einer bestimmten historischen Epoche, die Sie häufig auch selbst herstellen. Wenn Ihnen jemand begegnet, würde er zum Beispiel einen Wikinger, einen Trapper oder einen amerikanischen Ureinwohner sehen. Sie erreichen mit einfachsten Mitteln erstaunliche handwerkliche Leistungen. Da Sie als Historiker keine modernen Materialien verwenden, ist Ihre Ausrüstung, selbst bei geringerem Umfang, relativ schwer. Außerdem verzichten Sie auf Annehmlichkeiten wie Isomatte, Stirnlampe oder Wasserfilter.
Der Waldläufer: Sie sind mit leichtem Gepäck unterwegs, kommen mit sehr wenig Komfort aus und versorgen sich praktisch komplett aus der Natur. Da dies fast nur mit Jagen oder Angeln möglich ist, kommt diese Bushcrafting-Variante in Deutschland aus rechtlichen Gründen kaum in Betracht, es sei denn, Sie haben einen Angelschein und planen Ihre Route entlang von legal zugänglichen Angelplätzen.
Der Jäger und Fallensteller sei hier nur erwähnt. Ihn treffen Sie vielleicht in Kanada, Alaska oder Sibirien. In Deutschland ist die Kombination von Jagd und Bushcrafting aus rechtlicher Sicht praktisch ausgeschlossen, wenn Sie nicht gerade über einen Jagdschein und ein eigenes Jagdrevier verfügen. Die Jagd mit Fangschlingen wird in manchen Bushcraft-Büchern und Online-Tutorials beschrieben, ist in Deutschland aber prinzipiell verboten!
Als Bush-Trekker verkörpern Sie die Fernwander-Version des Bushcrafters. Sie kombinieren klassisches Trekking mit Bushcraft-Tätigkeit. Trekking in Deutschland ermöglicht Ihnen Touren durch ursprünglich wilde Landschaften, zwar meist auf Wanderwegen, aber mit der offiziellen Erlaubnis an bestimmten Plätzen in der Natur ein Zelt aufzuschlagen oder Feuer zu machen, was sonst in aller Regel recht kompliziert ist. Eine gute Variante für Familien.
Der Camper: Sie bauen sich gerne ein Lager mit Shelter, Feuerstelle, und Brennholzvorrat, um längere Zeit (mehr als eine Übernachtung) dort zu bleiben und Ihrem Hobby zu frönen. Sie lassen Ihre Bauwerke manchmal auch stehen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu nutzen. Wenn Sie diese Bushcrafting-Variante favorisieren, benötigen Sie in Deutschland die Einwilligung des Grundstückseigentümers, sowohl für die Bauwerke als auch für das Feuer, sonst machen Sie sich sehr schnell unbeliebt oder sogar strafbar.
Als Phantom setzen Sie alles daran, dass Ihnen niemand begegnet. Sie tarnen sich und Ihre Werke bestmöglich, um nicht entdeckt beziehungsweise gestört zu werden, färben Ihr Gesicht, verwenden keine reflektierenden Werkzeuge, machen keinen Lärm, machen Feuer ohne Rauch und hinterlassen keine Spuren. Ob es diesen Bushcrafter wirklich gibt, ist nicht abschließend geklärt.
Kapitel 2
Abenteuer vor der Haustür
IN DIESEM KAPITEL
Wie Wildnis in Deutschland aussehen kann
Welche Voraussetzungen Sie für Bushcraft und Survival mitbringen sollten
Rechtliche Rahmenbedingungen, die Sie einhalten müssen
Vielleicht sehen Sie sich vor Ihrem inneren Auge bereits ein paar Bäume fällen, eine Blockhütte bauen und eine frisch gefangene Forelle über dem Lagerfeuer braten. Leider muss ich Ihre Begeisterung bereits jetzt schon etwas bremsen. Bäume fällen, Gebäude errichten, Feuermachen, Fische fangen … Leider ist all das in der Bundesrepublik verboten. Nun stellt sich die Frage, ob Bushcraft und Survival hierzulande überhaupt legal möglich sind? Die Antwort lautet glücklicherweise: Ja! Sie müssen dabei lediglich ein paar Aspekte verstehen und eine Reihe von Regeln beachten – wie bei jedem anderen Hobby auch.
Beim Bushcrafting ist häufig die Rede vom Überleben in der Wildnis. Wildnis bedeutet: Von menschlichen Einflüssen unberührte Natur. Solche Gebiete sind in der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen selten. Fast die gesamte Fläche wird für Wohnraum, Gewerbe, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft genutzt. Echte Wildnis macht weniger als ein Prozent der Landesfläche aus und ist häufig streng geschützt. Soweit die schlechte Nachricht. Die gute ist: Ein erheblicher Teil der Landesfläche ist von Wäldern bedeckt, die zwar forstwirtschaftlich und jagdlich genutzt werden, in vielen Fällen aber sehr ursprünglich und in manchen Bereichen auch längerfristig unberührt sind.
Als Faustregel kann man sagen, je weiter ein Waldgebiet von Ballungszentren entfernt ist, je gebirgiger das Gebiet, in dem es liegt, und je schlechter es erschlossen ist, desto ähnlicher wird es der echten Wildnis sein.
Auch Flussauen, Moore, extensiv genutzte Wiesen und verwilderte Bereiche wie ehemalige Steinbrüche oder Kiesgruben können unter Bushcraft-Aspekten als Wildnis durchgehen. Solche Gebiete können in der Regel frei betreten werden und Sie dürfen sich in vielen Fällen ganz offiziell darin aufhalten, obwohl Ihnen das Grundstück nicht gehört.
Sie merken schon, es ist nötig, dass Sie sich mit ein paar rechtlichen Fragen befassen, ehe Sie irgendwo ein Lager aufschlagen.
Lästig, aber wichtig – rechtliche Grundlagen
Wissen Sie, in welchen Gewässern Sie ein Schlauchboot benutzen dürfen und in welchen nicht? Wie lang ein Fahrradanhänger höchstens sein darf und in welchem Umkreis von Flugplätzen Sie keinen Drachen steigen lassen dürfen? Was ich hier zeigen möchte: Egal, was Sie tun, es gibt fast immer ein passendes Gesetz, das regelt, was Sie tun dürfen. Sie werden viele dieser Gesetze wahrscheinlich gar nicht kennen, obwohl Sie diese beachten müssen. Nicht einmal ein Jurist könnte in jeder Situation sagen, was gerade gilt. So ist es auch bei Bushcraft und Survival.
Das Wichtigste und Einfachste vorweg: In einer realen Survival-Situation dürfen Sie alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, die für Ihr Überleben oder die Rettung anderer Personen notwendig sind.
Beim Bushcrafting wird es komplizierter, denn hierfür gelten in Deutschland eine Vielzahl von Gesetzen und Regelungen, die bestimmen, was Sie in der Natur tun dürfen und was nicht. Da ich weder das Wissen noch die Absicht habe, ein juristisches Fachbuch zu schreiben, werde ich hier nicht allzu sehr ins Detail gehen. Um Ihnen aber einen Rahmen zu geben, in dem Sie sich beim Bushcrafting sicher bewegen können, möchte ich Ihnen folgende grundsätzliche Verhaltensweisen ans Herz legen.
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