1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 »Alle Mann in die Rettungskapseln«, befahl er. »Gebt den Befehl.«
»Aber wir werden beschützt!«, warf Clintock ein.
»Ja, und wir haben soeben miterlebt, wie sich zwei unserer Beschützer in Luft aufgelöst haben«, entgegnete McBrain. »Gebt den Befehl.«
Ellis zögerte nicht. Sie sendete das Signal, das Schiff zu verlassen, und Yuri sorgte dafür, dass es an die gesamte Flotte der Gagarin durchgestellt wurde.
McBrain fühlte sich elend. Seine Beine zitterten.
Ihm kam wieder etwas in den Sinn, was eine ehemalige Kollegin und Geliebte ihm einst sagte. Ihre Worte verfolgten ihn in den letzten Jahrzehnten in Abständen immer wieder. Miriam Lane war längst tot, hatte ihr Leben bei einem Sprungtor-Unglück fünfzig Lichtjahre von hier verloren. Sie hatte ihre Arbeit immer als eine Möglichkeit angesehen, die Menschheit voranzubringen, und eines Nachts, nach ein paar Drinks, als sie ihren Kopf auf McBrains Brust gelegt hatte, wurde sie sentimental.
»Das ist das Problem mit unserer Arbeit«, hatte sie gemurmelt. »Wir bewegen uns so schnell voran, dass wir verlernt haben, das zu schätzen, was hinter uns liegt, und wir uns auch nicht mehr vor dem fürchten, was vor uns liegt. Eines Tages wird man auf uns aufmerksam werden.«
»Jetzt haben sie uns bemerkt, Miriam«, flüsterte er, und dann sah er das erste Schiff.
Es musste sich dabei um das größte Schiff handeln, jenes Schiff, dass sie nun fälschlich oder richtigerweise als Fiennes-Schiff Susco-Foley identifiziert hatten. Zuerst war es nur ein Lichtpunkt in der Dunkelheit, ein weiterer Stern, doch seine konstante Bewegung hob es von den anderen ab.
Es wurde größer.
»Ihr solltet gehen«, sagte er zu den anderen auf der Brücke, aber jeder Einzelne von ihnen blieb an seiner Station sitzen. Es gab nichts, was sie tun konnten – Titanschiffe verfügten über keinerlei Bewaffnung, und die Gagarin besaß noch nicht einmal Schilde – aber es war wichtig, dass die Kurse der Rettungskapseln nach ihrem Start verfolgt wurden.
McBrains Augen brannten, aber er weinte nicht.
Eines der beiden Marine-Schiffe hinter der Gagarin löste sich aus der Formation und schoss auf das sich nähernde Schiff zu. Nun gab es keine Rufe mehr und auch kein Zögern. Sie befanden sich jetzt mitten in einem Gefecht. Ein Dutzend kleinerer Jäger kam vor der Susco-Foley in Sicht. Sie schossen hin und her und nahmen den Zerstörer unter Beschuss. Die meisten Geschosse explodierten weit entfernt, wenn sie von den Lasern der Verteidigungsbatterien getroffen wurden, aber einige schafften es an ihnen vorbei und explodierten nahe der Hülle, was das Schiff der Colonial Marines ins Trudeln brachte.
Dann setzte das Schiff zum Gegenschlag an und mehrere der kleinen angreifenden Schiffe flammten zu grell lodernden Gaswolken auf, bevor sie verglühten.
Die Susco-Foley war nun nahe genug heran, um sie sehen zu können. Sie verlangsamte ihr Tempo und setzte vier weitere, seltsam kugelförmige Schiffe ab, die sich rotierend im All auf sie zubewegten.
Das Schiff der Marines trieb weiter ab und zog dabei eine funkelnde Spur aus entweichender Luft und Trümmerteilen hinter sich her. Falls an Bord noch jemand am Leben war, hatten sie das Schiff auf Kollisionskurs gebracht, aber noch bevor es sich dem Feind auf zehn Meilen nähern konnte, wurde es von einer der kleineren Drohnen getroffen und brach auseinander.
Das zweite Marine-Schiff zündete die Triebwerke und hielt auf die Susco-Foley zu. Dabei erzeugten sie ein gezacktes Feld tanzender Lichter um sich herum, als sie ihren Partikelstrahlemulator abfeuerten. Der Strahl traf direkt auf das Fiennes-Schiff.
Aber nichts geschah.
Das Marine-Schiff tauchte unter dem Feind ab, dann explodierte es. Als seine Mini-Nukes zündeten, nahm der daraus resultierende Feuerball beinahe die Hälfte ihres Sichtfeldes ein.
»Vier zerstört«, meldete Ellis. Allen anderen hatte es die Sprache verschlagen.
Die verbliebenen feindlichen Drohnen fegten heran. McBrain wünschte, dass er die Hände nach ihnen ausstrecken und sie darin zerquetschen könnte, aber ihm blieb nichts als zuzusehen, wie die erste von ihnen in das Lazarettschiff der Gagarin einschlug und detonierte.
Von dem Schiff hatten sich bereits ein Dutzend Rettungskapseln entfernt, als die Drohne dort einschlug, und die Flammen, die aus ihm herausschlugen, verschlangen auch sie.
»Oh nein«, stieß eine Frau hervor. Ein Mann weinte. Andere gerieten in Panik und fragten immer wieder, was sie denn tun konnten, was sie denn nur tun konnten?
»Nichts«, erwiderte McBrain tonlos. Es bracht ihm das Herz. Die ganze Zeit über hatten sie zu ihm aufgesehen.
Eine andere Drohne bohrte sich in das Kuppelschiff mit dem Gewächshaus an Bord und verwandelte es in eine brodelnde gelb-rote Masse. Zwei weitere Schiffe wurden getroffen. Die Drohnen explodierten, die Schiffe zerbrachen und trieben in immer größerer werdenden Wolken aus Feuer und Trümmern auseinander. Wracks trudelten durch den Raum und prallten gegeneinander. Schnell überlagerten sich die einzelnen Trümmerfelder und lösten damit eine Kettenreaktion der Zerstörung zwischen der Gagarin und dem Sprungtor aus.
Die zwei Schiffe der Colonial Marines, die das Sprungtor bewachten, drehten bei und eröffneten das Feuer. Sie konzentrierten ihre Feuerkraft auf eines der vier rundlichen, rotierenden Schiffe, und ihre Explosion im Hagel der Mini-Nukes trug ihren Teil zu der Zerstörung um sie herum bei.
Die Susco-Foley näherte sich ihnen immer weiter, schwang in einen groben Orbit um die Kampfhandlungen ein und eröffnete ihrerseits mit Laser-Banken und weiteren Drohnen das Feuer. Die beiden Schiffe der Colonial Marines wichen immer wieder aus, änderten ihren Kurs und gaben sich gegenseitig Feuerschutz.
Das Kommandodeck erbebte. Trümmerteile prallten gegen das Hauptkontrollzentrum der Gagarin . Die Wucht der Einschläge ließ das Schiff erzittern und nicht wenige Gesichter blickten sich zu McBrain um, verängstigt und in der Hoffnung auf Beistand, den er ihnen aber nicht geben konnte.
Das war das Ende. Sie alle hatten lange Zeit im Weltraum verbracht, aber niemand so lange wie er. Die Gefahr war immer allgegenwärtig gewesen, und jeder von ihnen hatte miterlebt, welche Schrecken der Tod hier draußen bedeutete, wenn man aus einem Schiff und in die kalte, luftleere Ewigkeit gesaugt wurde. McBrain hatte über dreißig Bestattungszeremonien beigewohnt und stets voller Respekt der fantastischen Reise gedacht, die ihre toten Körper unternehmen würden. Angesichts solcher Erlebnisse fiel es oft schwer, den Fokus auf ihre Arbeit nicht zu verlieren.
»Es tut mir leid«, sagte er, laut genug, damit seine Crew ihn hören konnte.
Eines der rotierenden Schiffe brach durch die Trümmerfelder vor ihnen und kam näher. An seiner Seite öffneten sich Luken, aus denen unzählige kleinere, schlanke Raketen auf die Gagarin zuhielten. McBrain spürte jedoch weder, wie sie einschlugen, noch sah er die Schäden der Einschläge.
»Clintock?«
»Die Luftschleusen«, erwiderte Clintock. »Alle sieben wurden von außen geöffnet.«
»Wir werden geentert«, stellte McBrain fest.
»Von wem?«, fragte Ellis.
»Auf den Schirm«, befahl McBrain. »Gebt mir die Eingangsbereiche und Korridore rund um die Luftschleusen.«
Erneut faltete sich der Holo-Schirm vor ihnen auf und projizierte ein dreidimensionales Bild. Ein leerer Korridor. Flackernde Lichter. Über der doppelten Luftschleuse leuchteten die Aktivierungslampen auf, und als sie sich zischend öffneten, quoll ein Schwall Druckluft heraus und kondensierte an den metallenen Wänden.
Hinter dem Nebel zeichnete sich ein Umriss ab. Etwas dunkles, spinnenartiges, grausam und albtraumhaft. Es huschte über den Korridor und viele andere folgten ihm nach.
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