13Da sprach der Herr des Weinbergs: Was soll ich tun? Ich will meinen lieben Sohn senden; vielleicht werden sie sich vor dem scheuen. 14Als aber die Weingärtner den Sohn sahen, dachten sie bei sich selbst und sprachen: Das ist der Erbe; lasst uns ihn töten, damit das Erbe unser sei! 15Und sie stießen ihn hinaus vor den Weinberg und töteten ihn. Was wird nun der Herr des Weinbergs mit ihnen tun? 16Er wird kommen und diese Weingärtner umbringen und seinen Weinberg andern geben.
Als sie das hörten, sprachen sie: Das sei ferne! 17Er aber sah sie an und sprach: Was bedeutet dann das, was geschrieben steht (Psalm 118,22): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden«? 18Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen.
19Und die Schriftgelehrten und die Hohenpriester trachteten danach, Hand an ihn zu legen noch in derselben Stunde, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte.
Lk 20,9–19Das Gleichnis von den bösen Pächtern ( Mt 21,33–46; Mk 12,1–12) 20,9Weinberg, eine Metapher für Israel (Jes 5,1–7). 20,13Lieber, vgl. Lk 3,22; der Sohn wird mit Jesus identifiziert. 20,16Diese Weingärtner umbringen, vgl. Anm. zu 19,27. Anderen, hier die Nachfolger Jesu. 20,17Der Stein […], der Vers aus Ps 118,22 diente unter Jesusnachfolgern als früher Beweistext; vgl. Apg 4,11; Eph 2,20; 1Petr 2,6. Ps 118 ist Teil der Hallelpsalmen (hebr. für „Lobpreis“; Ps 113–118), die in der rabbinischen Literatur mit Feiertagen in Verbindung gebracht wurden (z.B. bPes 117a). 20,18Vgl. Jes 8,14–15. 20,19Vgl. Lk 19,47.
20Und sie beobachteten ihn und sandten Leute aus, die sich stellen sollten, als wären sie gerecht; die sollten ihn fangen in seinen Worten, damit man ihn überantworten könnte der Obrigkeit und Gewalt des Statthalters. 21Und sie fragten ihn und sprachen: Meister, wir wissen, dass du aufrichtig redest und lehrst und achtest nicht das Ansehen der Menschen, sondern du lehrst den Weg Gottes wahrhaftig. 22Ist‘s recht, dass wir dem Kaiser Steuern zahlen, oder nicht?
23Er aber merkte ihre List und sprach zu ihnen: 24Zeigt mir einen Silbergroschen! Wessen Bild und Aufschrift hat er? Sie sprachen: Des Kaisers. 25Er aber sprach zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! 26Und sie konnten ihn in seinen Worten nicht fangen vor dem Volk und wunderten sich über seine Antwort und schwiegen still.
Lk 20,20–26Steuern für den Kaiser ( Mt 22,15–22; Mk 12,13–17) 20,22Recht, dem jüdischen Gesetz nach. 20,24Silbergroschen, eine Münze, auf der das Portrait des Kaisers abgebildet war (vgl. Anm. zu 12,59). Judas der Galiläer (vgl. Anm. zu 2,1) war der Auffassung, „die Schätzung bringe nichts anderes als offenbare Knechtschaft mit sich. Und so forderten sie das gesamte Volk auf, seine Freiheit zu schützen“ (Jos.Ant. 18,4; vgl. auch Ant. 20,102; Bell. 2,117–118; 7,253–258). Bild, gr. eikon (daher: „Ikone“); vgl. Dtn 4,16 (wo Bildnisse in menschlicher Form verboten werden). 20,25Was Gottes ist, die Gesprächspartner Jesu müssen entscheiden, ob überhaupt etwas dem Kaiser „gehört“ oder alles zu Gott. Die christliche Tradition versteht den Ausspruch zugunsten der Zahlung (Röm 13,6–7). Jesu Gegner beschuldigen ihn, die Steuerzahlung zu untersagen, was eine plausible Auslegung von Lk 23,2darstellt.
27Da traten zu ihm einige der Sadduzäer, die sagen, es gebe keine Auferstehung, und fragten ihn 28und sprachen: Meister, Mose hat uns vorgeschrieben (Deuteronomium 25,5–6): »Wenn jemand stirbt, der eine Frau hat, aber keine Kinder, so soll sein Bruder sie zur Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommen erwecken.« 29Nun waren sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau und starb kinderlos. 30Und der zweite 31nahm sie zur Frau, dann der dritte, desgleichen alle sieben: Sie hinterließen keine Kinder und starben. 32Zuletzt starb auch die Frau. 33Die Frau nun – wessen Frau wird sie in der Auferstehung sein? Denn alle sieben haben sie zur Frau gehabt.
34Und Jesus sprach zu ihnen: Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten; 35welche aber gewürdigt werden, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Toten, die werden weder heiraten noch sich heiraten lassen. 36Denn sie können hinfort nicht sterben; denn sie sind den Engeln gleich und Gottes Kinder, weil sie Kinder der Auferstehung sind. 37Dass aber die Toten auferstehen, darauf hat auch Mose hingedeutet beim Dornbusch, wo er den Herrn nennt Gott Abrahams und Gott Isaaks und Gott Jakobs (Exodus 3,6). 38Gott aber ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden; denn ihm leben sie alle.
39Da antworteten einige der Schriftgelehrten und sprachen: Meister, du hast recht geredet. 40Denn sie wagten nicht mehr, ihn etwas zu fragen.
Lk 20,27–40Die Frage nach der Auferstehung ( Mt 22,23–33; Mk 12,18–27) 20,27Sadduzäer, eine in Jerusalem ansässige Gruppierung, die der Elite zuzurechnen ist; vgl. „Strömungen innerhalb des Judentums in neutestamentlicher Zeit“. Es gebe keine Auferstehung, sie lehnten entweder die Vorstellung einer physischen Auferstehung ab (Apg 4,1–2; 23,6–10; Jos.Ant. 18,16) oder vielleicht nur, dass diese in der Tora zu finden sei (mSan 10,1). 20,28Nachkommen erwecken, die Leviratsehe, die Witwen beschützen sowie den Namen und Besitz des verstorbenen Ehemannes bewahren sollte (Dtn 25,5–10; vgl. auch Gen 38,8). 20,34–35Heiraten und lassen sich heiraten, vgl. Lk 17,27. 20,36Den Engeln gleich, ohne Fortpflanzungsbedürfnisse. In bBer. 17a wird festgehalten: „In der zukünftigen Welt ist weder Essen und Trinken, noch Fortpflanzung und Vermehrung, noch Kauf und Verkauf, noch Neid, Hass und Streit. Es sitzen vielmehr die Gerechten mit ihren Kronen auf ihren Häuptern und weiden sich an dem Glanz der göttlichen Niederlassung“. 20,37Beim Dornbusch, vgl. Ex 3,6.
41Er sprach aber zu ihnen: Wieso sagen sie, der Christus sei Davids Sohn? 42Denn David selbst sagt im Buch der Psalmen (Psalm 110,1): »Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, 43bis ich deine Feinde zum Schemel unter deine Füße lege.« 44David nennt ihn also »Herr«; wie ist er dann sein Sohn?
Lk 20,41–44Die Frage nach dem Sohn Davids ( Mt 22,41–46; Mk 12,35–37a) 20,42–43Ein Zitat von Ps 110,1 (frühchristliche Schriften, nicht aber frühjüdische, führen diesen Text häufig in Bezug auf den Messias an; vgl. Apg 2,34–35; 1Kor 15,25; Hebr 1,3). 20,44Wie ist er dann sein Sohn, der Psalm stellt dar, wie Gott („Der Herr“) zu einem davidischen König („meinem Herrn“) spricht; die Psalmüberschrift schreibt den Psalm David zu.
45Als aber alles Volk zuhörte, sprach er zu seinen Jüngern: 46Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die gern in langen Gewändern umhergehen und es lieben, sich auf dem Markt grüßen zu lassen und obenan in den Synagogen und beim Gastmahl zu sitzen; 47sie fressen die Häuser der Witwen und verrichten zum Schein lange Gebete. Die werden ein umso härteres Urteil empfangen.
Lk 20,45–47Warnungen vor den Schriftgelehrten (vgl. Mt 23,6–7; Mk 12,37b–40) 20,46In Lk 11,43erhebt Jesus dieselbe Anklage gegen die Pharisäer; keine der beiden Gruppen steht dem Tempel nahe.
Lukas 21
1Er blickte aber auf und sah, wie die Reichen ihre Gaben in den Gotteskasten einlegten. 2Er sah aber eine arme Witwe, die legte dort zwei Scherflein ein. 3Und er sprach: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr als sie alle eingelegt. 4Denn diese alle haben etwas von ihrem Überfluss zu den Gaben eingelegt; sie aber hat von ihrer Armut alles eingelegt, was sie zum Leben hatte.
Lk 21,1–4Die Opfergabe der Witwe ( Mk 12,41–44) 21,1Gotteskasten, ein Gefäß für freiwillige Gaben (mScheq 2,1; 6,1; in Joh 8,20 bezieht sich der Begriff auf einen Raum im Tempel). 21,2Scherflein, gr. lepton, vgl. Anm. zu 12,59. 21,4Alles eingelegt, Jesus lobt die Wohltätigkeit der Frau (vgl. Anm. zu 6,30; WaR 3,5 zu Lev 1,17 erzählt die anschauliche Geschichte eines Priesters, der die Gabe einer Hand voll Essen von einer Frau ablehnt und daraufhin von Gott zurechtgewiesen wird). Entgegen mancher Kommentare verurteilt Jesus den Tempel nicht aufgrund von Ausbeutung. Hätte Jesus angenommen, die Frau würde ausgebeutet werden, hätte er sie anweisen können, die Münzen zu behalten.
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