Er hing sich auf?
WALTER.
Und machte Übel ärger.
Was nur Unordnung schien, Verworrenheit,
Nimmt jetzt den Schein an der Veruntreuung,
Die das Gesetz, Ihr wisst’s, nicht mehr verschont. –
Wie viele Kassen habt Ihr?
ADAM.
Fünf, zu dienen.
WALTER.
Wie, fünf! Ich stand im Wahn – Gefüllte Kassen?
Ich stand im Wahn, dass Ihr nur vier –
ADAM.
Verzeiht!
Mit der Rhein-Inundations-Kollektenkasse?
[19]WALTER.
Mit der Inundations-Kollektenkasse!
350Doch jetzo ist der Rhein nicht inundiert,
Und die Kollekten gehn mithin nicht ein.
– Sagt doch, Ihr habt ja wohl Gerichtstag heut?
ADAM.
Ob wir –?
WALTER.
Was?
LICHT.
Ja, den ersten in der Woche.
WALTER.
Und jene Schar von Leuten, die ich draußen
Auf Eurem Flure sah, sind das –?
ADAM.
Das werden –
LICHT.
Die Kläger sind’s, die sich bereits versammeln.
WALTER.
Gut. Dieser Umstand ist mir lieb, ihr Herren.
Lasst diese Leute, wenn’s beliebt, erscheinen.
Ich wohne dem Gerichtsgang bei; ich sehe
360Wie er in Eurem Huisum üblich ist.
Wir nehmen die Registratur, die Kassen,
Nachher, wenn diese Sache abgetan.
ADAM.
Wie Ihr befehlt. – Der Büttel! He! Hanfriede!
Die zweite Magd tritt auf. Die Vorigen.
ZWEITE MAGD.
Gruß von Frau Küsterin, Herr Richter Adam;
So gern sie die Perück Euch auch –
ADAM.
Wie? Nicht?
ZWEITE MAGD.
Sie sagt, es wäre Morgenpredigt heute;
Der Küster hätte selbst die eine auf,
Und seine andre wäre unbrauchbar,
Sie sollte heut zu dem Perückenmacher.
ADAM.
Verflucht!
ZWEITE MAGD.
370 Sobald der Küster wieder kömmt,
Wird sie jedoch sogleich Euch seine schicken.
ADAM.
Auf meine Ehre, gnädger Herr –
WALTER.
Was gibt’s?
[20]ADAM.
Ein Zufall, ein verwünschter, hat um beide
Perücken mich gebracht. Und jetzt bleibt mir
Die dritte aus, die ich mir leihen wollte:
Ich muss kahlköpfig den Gerichtstag halten.
WALTER.
Kahlköpfig!
ADAM.
Ja, beim ewgen Gott! So sehr
Ich ohne der Perücke Beistand um
Mein Richteransehn auch verlegen bin.
380– Ich müsst es auf dem Vorwerk noch versuchen,
Ob mir vielleicht der Pächter –?
WALTER.
Auf dem Vorwerk!
Kann jemand anders hier im Orte nicht –?
ADAM.
Nein, in der Tat –
WALTER.
Der Prediger vielleicht.
ADAM.
Der Prediger? Der –
WALTER.
Oder Schulmeister.
ADAM.
Seit der Sackzehnde abgeschafft, Euer Gnaden,
Wozu ich hier im Amte mitgewirkt,
Kann ich auf beider Dienste nicht mehr rechnen.
WALTER.
Nun, Herr Dorfrichter? Nun? Und der Gerichtstag?
389Denkt Ihr zu warten, bis die Haar Euch wachsen?
ADAM.
Ja, wenn Ihr mir erlaubt, schick ich aufs Vorwerk.
WALTER.
– Wie weit ist’s auf das Vorwerk?
ADAM.
Ei! Ein kleines
Halbstündchen.
WALTER.
Eine halbe Stunde, was!
Und Eurer Sitzung Stunde schlug bereits.
Macht fort! Ich muss noch heut nach Hussahe.
ADAM.
Macht fort! Ja –
WALTER.
Ei, so pudert Euch den Kopf ein!
Wo Teufel auch, wo ließt Ihr die Perücken?
– Helft Euch so gut Ihr könnt. Ich habe Eile.
ADAM.
Auch das.
DER BÜTTEL (tritt auf).
Hier ist der Büttel!
[21]ADAM.
Kann ich inzwischen
Mit einem guten Frühstück, Wurst aus Braunschweig,
Ein Gläschen Danziger etwa –
WALTER.
400 Danke sehr.
ADAM.
Ohn Umständ!
WALTER.
Dank’, Ihr hört’s, hab’s schon genossen.
Geht Ihr, und nutzt die Zeit, ich brauche sie
In meinem Büchlein etwas mir zu merken.
ADAM.
Nun, wenn Ihr so befehlt – Komm, Margarete!
WALTER.
– Ihr seid ja bös verletzt, Herr Richter Adam.
Seid Ihr gefallen?
ADAM.
– Hab einen wahren Mordschlag
Heut früh, als ich dem Bett entstieg, getan:
Seht, gnädger Herr Gerichtsrat, einen Schlag
Ins Zimmer hin, ich glaubt es wär ins Grab.
WALTER.
410Das tut mir leid. – Es wird doch weiter nicht
Von Folgen sein?
ADAM.
Ich denke nicht. Und auch
In meiner Pflicht soll’s weiter mich nicht stören. –
Erlaubt!
WALTER.
Geht, geht!
ADAM (zum Büttel).
Die Kläger rufst du – marsch!
(Adam, die Magd und der Büttel ab.)
Frau Marthe, Eve, Veit und Ruprecht treten auf. – Walter und Licht im Hintergrunde.
FRAU MARTHE.
Ihr krugzertrümmerndes Gesindel, ihr!
Ihr sollt mir büßen, ihr!
VEIT.
Sei Sie nur ruhig,
Frau Marth! Es wird sich alles hier entscheiden.
FRAU MARTHE.
O ja. Entscheiden. Seht doch. Den Klugschwätzer.
Den Krug mir, den zerbrochenen, entscheiden.
[22]Wer wird mir den geschiednen Krug entscheiden?
420Hier wird entschieden werden, dass geschieden
Der Krug mir bleiben soll. Für so’n Schiedsurteil
Geb ich noch die geschiednen Scherben nicht.
VEIT.
Wenn Sie sich Recht erstreiten kann, Sie hört’s,
Ersetz ich ihn.
FRAU MARTHE.
Er mir den Krug ersetzen.
Wenn ich mir Recht erstreiten kann, ersetzen.
Setz Er den Krug mal hin, versuch Er’s mal,
Setz Er’n mal hin auf das Gesims! Ersetzen!
Den Krug, der kein Gebein zum Stehen hat,
Zum Liegen oder Sitzen hat, ersetzen!
VEIT.
430Sie hört’s! Was geifert Sie? Kann man mehr tun?
Wenn einer Ihr von uns den Krug zerbrochen,
Soll Sie entschädigt werden.
FRAU MARTHE.
Ich entschädigt!
Als ob ein Stück von meinem Hornvieh spräche.
Meint Er, dass die Justiz ein Töpfer ist?
Und kämen die Hochmögenden und bänden
Die Schürze vor, und trügen ihn zum Ofen,
Die könnten sonst was in den Krug mir tun,
Als ihn entschädigen. Entschädigen!
RUPRECHT.
Lass Er sie, Vater. Folg Er mir. Der Drachen!
440’s ist der zerbrochne Krug nicht, der sie wurmt,
Die Hochzeit ist es, die ein Loch bekommen,
Und mit Gewalt hier denkt sie sie zu flicken.
Ich aber setze noch den Fuß eins drauf:
Verflucht bin ich, wenn ich die Metze nehme.
FRAU MARTHE.
Der eitle Flaps! Die Hochzeit ich hier flicken!
Die Hochzeit, nicht des Flickdrahts, unzerbrochen
Nicht einen von des Kruges Scherben wert.
Und stünd die Hochzeit blankgescheuert vor mir,
Wie noch der Krug auf dem Gesimse gestern,
450So fasst ich sie beim Griff jetzt mit den Händen,
[23]Und schlüg sie gellend ihm am Kopf entzwei,
Nicht aber hier die Scherben möcht ich flicken!
Sie flicken!
EVE.
Ruprecht!
RUPRECHT.
Fort du –!
EVE.
Liebster Ruprecht!
RUPRECHT.
Mir aus den Augen!
EVE.
Ich beschwöre dich.
RUPRECHT.
Die lüderliche –! Ich mag nicht sagen, was.
EVE.
Lass mich ein einzges Wort dir heimlich –
RUPRECHT.
Nichts!
EVE.
– Du gehst zum Regimente jetzt, o Ruprecht,
Wer weiß, wenn du erst die Muskete trägst,
Ob ich dich je im Leben wieder sehe.
460Krieg ist’s, bedenke, Krieg, in den du ziehst:
Willst du mit solchem Grolle von mir scheiden?
RUPRECHT.
Groll? Nein, bewahr mich Gott, das will ich nicht.
Gott schenk dir so viel Wohlergehn, als er
Erübrigen kann. Doch kehrt ich aus dem Kriege
Gesund, mit erzgegossnem Leib zurück,
Und würd in Huisum achtzig Jahre alt,
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