Die Frau als Sender sprach jedoch auf einer Beziehungsebene (mit der Erwartung, dass ihr Ehemann etwas Aufbauendes antworten würde wie: »Ich liebe dich doch auch mit einer verschnittenen Frisur«).
Es gibt auch die Ebene der Selbstoffenbarung, die Frau hat etwas von sich preisgeben: »Ich bin unglücklich über meine neue Frisur.« Der Ehemann hätte ihre Aussage auch so »empfangen« können.
Ihre Aussage beinhaltete auch einen Appell (Aufruf, Bitte): »Tröste mich.« Die beiden letzten Möglichkeiten führen am wenigsten zu Missverständnissen, der Empfänger der Nachricht kann am ehesten auf den Wunsch des Senders eingehen.
Kleine Hilfen bei Störungen der verbalen Kommunikation:
• Wiederholen des Gesagten mit eigenen Worten bei Unklarheiten oder um das Gegenüber zu unterstützen (nicht übertreiben!).
• Gesprächspausen, von Minuten bis zum Überschlafen
• Vertagung des Themas auf einen klar vereinbarten Zeitpunkt
• Nach den Emotionen fragen
• Gespräche mit Dritten – die aber nicht »Schiedsrichter« spielen sollten
3.6 Allgemeine Verhaltensweisen
Jeder Pflegeempfänger möchte mit dem, was er erzählt, ernst genommen werden.
Erfahrungen, von denen berichtet wird, werden schnell mit den eigenen Erfahrungen verglichen. Erfahrungen sind aber etwas ganz Persönliches und werden nie auf die gleiche Weise gemacht. Ein Vergleich kann dazu führen, dass man dem Pflegeempfänger nicht mehr so genau zuhört, weil man das Gesagte ja bereits zu kennen glaubt.
Sätze wie »Das wird schon wieder«, »Alles wird gut«, »Alles ist in Ordnung« sollten wir vermeiden.
• Aktives und aufmerksames Zuhören ist oft wichtiger als das eigene Reden. Kurze Antworten wie: »Ja, verstehe ich«, »Kann ich nachvollziehen«, »Sprich weiter« oder zustimmendes Nicken vermitteln dabei Verständnis und Interesse.
• Sich in die Situation des Pflegeempfängers hineinzuversetzen ist ebenso wichtig wie die nötige Distanz, um nicht in Mitleid zu zerfließen. Hier das Mittelmaß zu finden ist sicher nicht immer einfach und wird auch nicht jedem immer gelingen.
• Achtung! Beim Ansprechen von eigenen wunden Punkten gilt: Vorsicht! Bei solchen Gesprächen kann es schnell zu unkontrollierten Gefühlsausbrüchen kommen. In solchen Gesprächen sollten wir frühzeitig das Thema wechseln oder das Gespräch abbrechen.
• Zuweisung von Schuld (»Nie bist du für mich da!«): Distanzieren und das Problem nicht als persönlichen Angriff, sondern als ein zu lösendes Problem ansehen. Bei Gesprächen, bei denen unsere Fähigkeit, Hilfe und Unterstützung zu geben, nicht ausreicht, sollte man dies dem Pflegeempfänger mitteilen und auf geschulte Personen (Pastor, Psychologe) verweisen.
• Mimik, Gestik und Körperhaltung sagen oft mehr als Worte.
Der Begriff Validation bedeutet übersetzt »Wertschätzung«. Validation ist eine Methode, um mit dementen Menschen zu kommunizieren.
Der Umgang mit geistig verwirrten oder dementen Menschen gehört sicherlich zu den schwierigsten Arbeiten in der Kranken- und Altenpflege. Geistig verwirrte Menschen leben in ihrer eigenen, von der tatsächlichen Umgebung unabhängigen Welt, mit ihren ganz eigenen Vorstellungen und Wünschen.
Demente Pflegeempfänger haben ebenso wie andere das Bedürfnis nach Nähe und Intimität und möchten wie andere Menschen auch so akzeptiert werden, wie sie sind. Begegnen wir ihnen unter diesen Voraussetzungen, können wir ihnen sehr nahekommen. Durch den Wunsch, sie zu verändern, sie ihrer Umgebung anzupassen oder sie in die (unsere) Wirklichkeit zurückzuholen, verliert man schnell den Kontakt. Sie werden ärgerlich, fühlen sich unverstanden und entwürdigt.
Validation basiert auf einem empathischen Ansatz (Fähigkeit eines Menschen, einen anderen Menschen von außen und ohne persönliche Grenzen zu überschreiten möglichst ganzheitlich zu erfassen, dessen Gefühle zu verstehen, sie nicht jedoch auch notwendigerweise zu teilen, und sich damit über dessen Verstehen und Handeln klar zu werden). Sie hilft dabei, Stress abzubauen und ermöglicht es, dementen Menschen ihre Würde und Anerkennung wiederzugeben.
Anstatt den verwirrten Menschen immer zu korrigieren, wenn er Personen verwechselt oder Gegenstände »falsch« benennt, respektiert man seine aktuelle Gefühlslage mit Ärger, Zorn, Ängsten oder Trauer, auch wenn sie für den Außenstehenden nicht nachvollziehbar ist. »Ich will nach Hause zu meiner Mutter«, kann z. B. eine Aussage eines Pflegeempfängers sein, wobei die Mutter schon lange verstorben ist. Das Gefühl der damaligen Geborgenheit ist aber immer noch da; die wirkliche Realität wird ausgeblendet.
Indem man »in die Schuhe« eines anderen Menschen schlüpft und »mit seinen Augen sieht«, kann man in die Welt der dementen Menschen vordringen und ihnen so das Gefühl von Verständnis und Angenommensein vermitteln. Im Zentrum dieser Methode steht das Bemühen, den Kranken in seinen Äußerungen, Gefühlen und Handlungen ernst zu nehmen. Im obigen Fall bedeutet dies, in der Aussage den Wunsch nach Geborgenheit zu erkennen.
Voraussetzungen für eine gute Validation
• Gute Kenntnis der Biografie des Pflegeempfängers
• Empathie
• Möglichst frei von Vorurteilen sein
• Mit eigenen Gefühlen sowie mit denen anderer Menschen umgehen können
• Mit Worten, Gesten, Blickkontakt und Berührungen kommunizieren können
• Sich ganz auf die andere Welt des Demenz-Kranken einlassen
• Fragen an den Pflegeempfänger einfach formulieren, Gesagtes u. U. wiederholen
Wenn die Krankheit weiter fortgeschritten ist, stehen dem Dementen keine Worte mehr zur Verfügung. Er braucht andere Menschen, die seine Worte für ihn aussprechen. Aber nicht nur durch Worte können wir unsere Wertschätzung äußern, sondern auch durch Berührungen, Streicheln oder ein Mitgehen in den Bewegungen des Kranken. Es ist also die Aufgabe von Familienangehörigen, Versorgenden und Betreuern, den Dementen zu verstehen und zu respektieren.
Auf Flohmärkten haben die Mitarbeiter des Altenheims der Arbeiterwohlfahrt in Trier Utensilien aus der Wirtschaftswunderzeit gesammelt – aus der Zeit also, an die sich die Demenzkranken heute gut und gern erinnern. Und das macht sie glücklich.
3.8 Mitteilen von schlechten Nachrichten
Die Wahrheit zu verschweigen bedeutet nicht, dem Pflegeempfänger etwas Gutes zu tun: Die Furcht vor dem Unbekannten kann sehr viel mehr Unruhe hervorrufen als die Not, mit einer bekannten, obgleich schmerzhaften Wahrheit umzugehen. Der Pflegeempfänger kann sich anpassen oder entsprechend planen, aber wenn er nicht weiß, wie er angemessen reagieren soll, kann er nichts tun und bleibt hilflos.
Eine Studie ergab, dass etwa 85 % der Befragten so viele Informationen wie möglich, egal ob gute und schlechte, über ihre Erkrankung wissen möchten.
Akzeptieren Sie die Tatsache, dass, wie auch immer eine schlechte Nachricht überbracht wird, sie immer eine schlechte Nachricht bleibt!
Die Wahrheit wird am Ende befreien, aber zuerst wird sich der Pflegeempfänger miserabel fühlen.
Zitat eines Patienten:
»Die Hoffnung stirbt nicht. Für uns Betroffene wandelt sie sich nur ein wenig von Zeit zu Zeit. Im Anfangsstadium der Krankheit hoffte ich, dass sie sich nicht ausbreiten würde, aber sie hat sich ausgebreitet. Inzwischen ist die Hoffnung eine andere. Ich möchte das nächste Frühjahr erleben und in meinem Garten die Blumen blühen sehen.« (Aulbert 2001, S. 7)
Barrieren, die Wahrheit mitzuteilen
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