316
Von diesen nicht als eigenständige Regelung anzuerkennenden Teilakten zu unterscheidensind die Teilgenehmigungund der Vorbescheid[44]. Es handelt sich bei diesen Genehmigungen um Teilregelungen im Rahmen „gestufter“ Genehmigungsverfahren. Diese Teilregelungen sind abschließend. Es handelt sich deshalb bei ihnen um VAe. Diese Regelungstypen finden sich etwa im öffentlichen Baurecht[45] sowie bei der Zulassung genehmigungsbedürftiger Anlagen nach §§ 4 ff BImSchG[46].
ff) Einordnung von Zusicherungen und Zusagen
317
Umstritten ist, ob auch Zusicherungen und Zusagen eine Regelungswirkung aufweisen[47]. Die Zusicherung wird in § 38 Abs. 1 S. 1 legaldefiniert als die von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten VA später zu erlassen oder zu unterlassen. Sie ist damit ein Unterfall des weiter gefassten Begriffs der Zusage, die sich allgemeiner auf alle Verwaltungsmaßnahmen bezieht und nicht explizit gesetzlich geregelt ist. Oftmals wird gegen die Regelungswirkung und damit gegen eine Einordnung als VA eingewandt, dass nach § 38 Abs. 2 die Bestimmungen über den VA nur entsprechende Anwendung finden[48]. Das zentrale Merkmalder Regelungswirkung ist jedoch die Verbindlichkeit. Diese entfällt nach Abs. 3 lediglich dann, wenn die Sach- oder Rechtslage sich nachträglich so ändert, dass die Behörde die Zusicherung nicht abgegeben hätte oder hätte abgeben dürfen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so bleibt die Behörde an die Zusicherung gebunden. Daher sprechen gute Gründe dafür, bereits die Zusicherung selbst als VA einzustufen und nicht lediglich als die Inaussichtstellung eines solchen[49]. Da gemäß Abs. 2 die zentralen Bestimmungen des VA aber ohnehin zur (entsprechenden) Anwendung kommen, ist der Streitstand jedoch von begrenzter praktischer Bedeutung[50].
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Hingegen können auf sonstige Zusagendie Anforderungen des § 38 auch nicht entsprechend angewandt werden. Denn da sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 38 auf Zusicherungen beschränkt hat, fehlt es an einer planwidrigen Lücke. Zur Schließung der dann verbleibenden Lücke werden die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts herangezogen (s.o. Rn 78)[51]. Dies hat wiederum zur Folge, dass eine Behörde an eine rechtswidrige Zusage grundsätzlich nicht gebunden ist, sofern dies nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes zu untragbaren Ergebnissen führt[52]. Damit wird im Vergleich zur Zusicherung (s.o. Rn 317) das Regel-Ausnahmeverhältnis umgekehrt. Auch wenn der Grad der Verbindlichkeit im Vergleich zur Zusicherung nochmals abgeschwächt ist, spricht die zumindest in bestimmten Konstellationen anzunehmende Bindungswirkung für den Regelungscharakter auch der Zusage und damit letztlich auch für die Einordnung als VA[53].
gg) Geschäftsähnliche Handlungen
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Am finalen Element fehlt es bei geschäftsähnlichen Handlungen. Diese kennzeichnet, dass sie auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet sind, ihre Rechtsfolgen aber kraft Gesetzes eintreten. Das typische Beispielist die Rechnung: Die Erteilung einer Rechnung ist auch im öffentlichen Recht möglich, zB im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags. Die Erteilung einer Rechnung zielt ab auf einen tatsächlichen Erfolg, nämlich ihre Begleichung. Erfolgt die Begleichung nicht, gerät der Schuldner in Verzug; diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 286 BGB – diese Norm gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im öffentlichen Recht.
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Das finale Element fehlt zudem bei Wissenserklärungen, zB Auskünften (Mitteilung des Amtes für Ausbildungsförderung an die Unterhaltsverpflichteten, dem Unterhaltsberechtigten werde Ausbildungsförderung gewährt[54]). Denn in diesen Fällen möchte die Behörde lediglich ihr Wissen vermitteln, sich jedoch nicht selbst verpflichten. Das angesprochene Element fehlt ebenfalls bei Hinweisenauf die Rechtslage, wie zB der Pflicht, eine Genehmigung einzuholen. Auch ein Hinweis auf eine künftige gerichtliche Beurteilung ist durch das Fehlen des finalen Elements gekennzeichnet[55]. Dem finalen Element ermangeln ferner Meinungsäußerungenund Wertungen, sofern sie dem öffentlichen Recht unterliegen. Das Gleiche gilt für behördliche Warnungen, welche dem schlichten Verwaltungshandeln zuzuordnen sind (dazu ausf. Rn 833)[56].
e) Einzelfall
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Das Kriterium „Einzelfall“ dient der Abgrenzung des VA von Rechtsnormen.
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Wie bereits hervorgehoben (s.o. Rn 67), enthalten Rechtssätze abstrakt-generell formulierte Regelungen, VAe hingegen zumindest im Ausgangspunkt konkret-individuelle Regelungen. Dabei bezieht sich das Begriffspaar „konkret-abstrakt“ auf die erfassten Sachverhalte: Konkrete Regelungen betreffen einen einzelnen Sachverhalt, abstrakte Regelungen eine unbestimmte Vielzahl von Sachverhalten. Demgegenüber bezieht sich das Begriffspaar „individuell-generell“ auf die erfassten Adressaten: Individuelle Regelungen richten sich an einen bestimmten oder zumindest bestimmbaren Personenkreis, generelle Regelungen an einen nicht mehr bestimmbaren Personenkreis.
Beispiele:
Das an einen „Schwarzbauer“ gerichtete Gebot, sein ohne Baugenehmigung errichtetes Wohnhaus abzureißen, enthält unproblematisch die Regelung eines Einzelfalls. Das Gleiche gilt für eine an alle Teilnehmer einer Versammlung gerichtete Aufforderung, sich vom Versammlungsort zu entfernen, § 15 Abs. 3 VersammlG, unabhängig von der Zahl der Personen, die sich versammelt haben.
cc) Abgrenzung von Rechtsnormen
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Durch das Kriterium des „Einzelfalls“ unterscheiden sich VAe von abstrakt-generellen Regelungen. Diese sind typischerweise in Gesetzen enthalten (s.o. Rn 67). So erfassen etwa die Normen des StGB eine unbestimmte Anzahl von Sachverhalten (an keinem Ort darf etwa ein Diebstahl begangen werden) und richten sich an eine unbestimmte Anzahl von Adressaten (von niemand darf ein Diebstahl begangen werden). Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass Rechtsnormen Einzelfälle regeln. Die Rechtsordnung setzt ihnen hier jedoch Grenzen: So enthält Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG ein Verbot grundrechtseinschränkender Einzelfallgesetze[57].
dd) Behandlung konkret-genereller Regelungen
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Die im Ausgangspunkt eindeutige Unterscheidung zwischen konkreten-individuellen und abstrakt generellen Regelungen verkompliziert sich bei konkret-generellen Regelungen.
Ein Beispielfür eine konkret-generelle Regelung bildet etwa das polizeiliche Verbot, an einer geplanten Demonstration an einem bestimmten Ort teilzunehmen. Konkret ist diese Regelung, weil sie einen bestimmten Lebenssachverhalt erfasst, generell ist sie deshalb, weil die Demonstranten von vornherein nicht festzustellen sind.
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Die Zuordnung solcher konkret-genereller Regelungen richtet sich danach, ob man der Anzahl der erfassten Sachverhalte oder der Anzahl der Adressaten das größere Gewicht beimisst. Für die stärkere Relevanz der Konkretheit der Regelungspricht aber bereits die Legaldefinition des VA, welche die Regelung eines Einzelfalls und mit ihr die Konkretheit der Regelung als relevant herausstellt. Ferner können auch die Wertungen des § 35 S. 2 für die Entbehrlichkeit des Merkmals der Individualität herangezogen werden: Denn auch Allgemeinverfügungen, welche die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betreffen, sind nach der Wertung des Gesetzgebers VAe[58].
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