In Kürze würde Marshall die Dreizehn kontaktieren, und er wusste, dass er sich eigentlich für das Gespräch vorbereiten sollte, aber er suchte noch immer vergeblich nach etwas Positivem, das er ihnen übermitteln könnte. Er war dem Kriegsgeschehen am nächsten, und deshalb in der besten Position, die Führung von Weyland-Yutani mit den neuesten Erkenntnissen zu versorgen. Aber andererseits brauchte er sich nichts vorzumachen, das hatte er nie. Jedes Mitglied der Dreizehn war sicherlich längst über alle Vorgänge informiert.
Nein, bei diesem Gespräch würde es eher um die Company selbst als um den Krieg gehen. Welche Vorteile sie aus ihm ziehen konnten.
Mit einem Frösteln wurde ihm bewusst, dass er sie außerdem fragen musste, wie Weyland-Yutani in dieser Situation helfen könnte.
Nichtsdestotrotz ging er noch einmal die Informationen durch, die ihm Bassett überlassen hatte, und als er seinen Whiskey geleert hatte, verriet ihm ein Klingelton, dass die Zeit gekommen war. Ein Dutzend weiterer Holo-Schirme schwebten von der Decke herab und auf jedem einzelnen erschien ein Bild. Die restlichen Dreizehn erschienen, mit einer Art der Kommunikation, die ein technisches Wunder darstellte. Die Bilder der weit entfernten Menschen flackerten und tanzten, verursacht durch die seltsamen Subraum-Geisterbilder, an die er sich nicht so recht gewöhnen konnte. Manche schienen vor seinen Augen zu altern oder jünger zu werden, andere verblassten immer wieder. Es erforderte ein ungeheures Maß an Rechenpower und unglaubliche Mengen an Energiereserven, um die wackelnden Bilder zu übertragen und die Kanäle dafür offen zu halten.
Weyland-Yutani verfügte über tausende solcher Wunder. Marshall hoffte inständig, dass sie eines finden würden, um diesen Krieg zu beenden.
James Barclay, ihr symbolischer Anführer, war der Erste, der das Wort ergriff.
»Lassen Sie uns gar nicht groß Zeit verschwenden«, sagte er. »Uns allen ist die fatale Lage im Gamma-Quadranten bekannt. Vielleicht kann uns Gerard kurz erläutern, was er weiß, nur für den Fall, dass unsere Quellen schlecht informiert sind oder den aktuellen Entwicklungen hinterherhinken. Gerard?«
Marshall stand für seine Präsentation auf. Er erzählte ihnen alles, was er von Bassett erfahren hatte, überflog aber die Details, wenn sie nicht benötigt wurden.
»Wie weit sind wir, was die Beschaffung einer Probe anbelangt?«, fragte eine der Dreizehn. Sie war eine barsche Frau, die älter war, als sie aussah, und der Marshall noch nie persönlich begegnet war. Durch die Holo-Übertragung wirkten ihre Augen wie tiefe, seelenlose Höhlen.
»Bis jetzt sind wir erfolglos geblieben«, sagte Marshall.
»Haben Sie nicht eine der besten Majorinnen dafür ausgesandt? Auf Bassetts persönlichem Schiff der Arrow-Klasse?«
Ihr spöttischer Unterton entging ihm dabei nicht. Er biss sich auf die Unterlippe und behielt die Fassung.
»Major Akoko Halley und die Pixie sind spurlos verschwunden«, antwortete er. »Ein herber Verlust, selbst in Kriegszeiten wie diesen. Doch zumindest konnten sie zuvor noch die Yautja-Expertin Isa Palant retten, die, wie Sie alle wissen, für das Friedensabkommen mit den Yautja verantwortlich war.«
»Das uns bislang ja auch so viel Gutes beschert hat«, erwiderte die Frau.
Marshall lächelte sie kalt an. »Offensichtlich sind Ihre Informationen nicht so aktuell, wie Sie glauben.«
Ein Flackern huschte über die Übertragungen der Dreizehn, ganz so, als würden ihre Emotionen ihre Subraumübertragung beeinflussen.
»Dann bringen Sie uns doch bitte auf den neuesten Stand«, forderte Barclay ihn auf.
»Es gibt Berichte, dass Schiffe der Yautja Seite an Seite mit Einheiten der Colonial Marines kämpften«, sagte Marshall. »Es gibt allein sieben bestätigte Fälle, wo dies der Fall war. In vier dieser Fälle konnte das Eingreifen der Yautja den Verlauf der Schlacht erheblich beeinflussen.
Wenn Sie sich erinnern, kamen die Yautja von jenseits der Grenzen der Menschlichen Sphäre, vor der ersten Welle der Rage. Niemand weiß, wie oft sie zuvor auf Kontingente von Rage-Kriegsschiffen trafen. Viele von ihnen sind noch kampferfahrener als die meisten unserer Colonial-Marines-Regimente. Einer dieser Fälle ereignete sich auf LV-1657, ganz in der Nähe von Sprungtor Gamma 116, und trug dazu bei, dass die Pixie und deren Crew von dort die Flucht ergreifen konnte.«
»Eine Flucht wohin?«, fragte Barclay.
»Das wissen wir noch nicht.«
»Diese Yautja sind unberechenbare Bestien«, warf die Frau ein, »und das Letzte, was wir tun sollten, ist uns mit ihnen einzulassen.«
Diese Ignoranz , dachte Marshall. Und so etwas nennt sich eine Führerin .
Maxwell, ein anderes Mitglied der Dreizehn, unterbrach sie. Seine Stimme klang dunkel, tief und auch ein wenig einschüchternd.
»Ist das wirklich Ihre Meinung über sie?«, fragte er. »Sie sind eine Närrin.«
»Sie sind unberechenbar, das ist richtig«, sagte Marshall, »aber ihre technologische Überlegenheit war in den Fällen ihres Eingreifens stets entscheidend. Wenn Sie ein Rage-Schiff auf einen Zerstörer der Colonial Marines loslassen, ging die Konfrontation bislang immer zugunsten der Rage aus. Die Yautja-Schiffe, denen wir begegneten, verfügten jedoch alle sowohl über eine hochentwickelte Tarntechnologie als auch über Waffensysteme, denen wir noch nie begegneten, auch nicht in unseren eigenen Gefechten mit ihnen. Ohne ihre Hilfe gäbe es weitaus mehr Verluste zu beklagen.«
»Und was wollen sie dafür, dass sie uns helfen?«, wollte die Frau wissen.
»Was sie wollen? Ich bin nicht sicher, ob sie überhaupt irgendetwas wollen«, antwortete Marshall. »Der Älteste Kalakta, jener Yautja, mit dem Palant das Friedensabkommen schloss, hat uns darüber informiert, dass er bereit ist, sein Wissen mit uns zu teilen. Es gab bislang noch keine Bemühungen, eine geschlossene Verteidigungsmacht zu bilden, aber die formlose Übereinkunft scheint sich bis jetzt zu bewähren. Vielleicht ist das so ein Fall von der Feind meines Feindes ist mein Freund «.
»Ich werde die Yautja nie als unsere Freunde ansehen«, sagte die Frau.
»Genauso wenig wie ich einige der Dreizehn als meine Freunde ansehen würde«, entgegnete Marshall, der daraufhin eine Reihe unterschiedlicher Reaktionen erntete – von Lächeln bis hin zu mürrischem Stirnrunzeln. »Aber das hat uns bislang nicht davon abgehalten, eine respekteinflößende Organisation zu repräsentieren, nicht wahr?«
Die Frau schwieg, was als Antwort genügte.
Aus den Augenwinkeln sah Marshall etwas aufflackern und er blickte auf seinen Haupt-Holo-Schirm. Eine Reihe neuer Informationen kam in Form von Statistiken, grafischen Darstellungen und bedrohlich anmutenden Bildern herein. Er spürte einen Druck in seiner Brust und eine Leere, die sich darin ausbreitete.
»Marshall? Gibt es da noch etwas anderes?«, erkundigte sich Barclay.
Marshall benötigte einige Augenblicke, um diese neuen Informationen zu lesen und in sich aufzunehmen. Es musste sich dabei um ganz frische und noch ungefilterte Berichte aus unterschiedlichen Quellen handeln, denn einiges davon war sehr verwirrend. Aber er war daran gewöhnt, die Wahrheit aus solchen riesigen Datenmengen herauszufiltern. Das war einer der Gründe, warum er so gut in seinem Job war.
»Nichts Gutes«, flüsterte er. Er spürte die Erwartungshaltung der Dreizehn. James Barclay sah sich zu einem ungeduldigen Räuspern veranlasst.
»Nun?«, bohrte der Führer von Weyland-Yutani nach.
»Es hat Angriffe im Beta- und Delta-Quadranten gegeben«, sagte Marshall. Totenstille lag über der Übertragung, als den anderen Mitgliedern der Dreizehn der Schock ins Gesicht geschrieben stand. »In Beta wurden zwei Sprungtore eingenommen. Fünf in Delta. Zu weiteren ist der Kontakt abgebrochen.«
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