Erneut brandete von weither ein grell-heißer Schmerz durch ihn hindurch. Mistress Maloney verschwand in der Dunkelheit, die nur von gelegentlich aufblühenden Flammen erhellt wurde, die in der Schwerelosigkeit tanzten. Wenn Alexander es gewollt hätte, so hätte er den Anblick als wundervoll empfinden können. Er verstand das Konzept der Schönheit, denn obwohl man bei der Konstruktion von ihm und seinen Mitstreitern eher auf Funktionalität und Eigenschaften wie Stärke unter Berücksichtigung gewisser Ästhetiken setzte, war ihre Programmierung allumfassend.
Doch er hatte bislang keine Notwendigkeit für die Betrachtung von Schönheit gesehen. Die Flammen, die nun um ihn herum loderten, bedeuteten Hitze, Schmerzen und Zerstörung. Sie waren nur eine weitere Hürde, die er für den erfolgreichen Abschluss seiner Mission überwinden musste, und er durfte nicht zulassen, sich von ihnen bezwingen zu lassen.
Der General mühte sich, wieder die Kontrolle über sich zu erlangen. Alle Systeme und Verbindungen zwischen ihm und seinem Flaggschiff waren unterbrochen worden. Er passte seine Sendefrequenzen an und versuchte, alle Fehlstellen der Übertragungen zu umgehen. Doch es machte den Anschein, als würden seine Signale ungehört im Nichts verschwinden und als würde er vergeblich nach Antwortsignalen lauschen, die nicht länger existierten.
Er nahm Zugriff auf seine Kurzzeit-Datenbanken und spulte noch einmal die letzten sechzig Minuten ab. Die Verfolgung bis zu der Raumstation der Menschen, die Aussendung seiner Armee, Liliyas Spötteleien, die sie von einem Schiff aussendete, welches sich schnell von der Schlacht entfernte. Die Jagd … und dann der Hinterhalt.
Er hätte vorsichtiger sein müssen. Hätte es vorausahnen können. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass die Yautja mit den Menschen zusammenarbeiten würden, und doch hätte er diese Möglichkeit in Betracht ziehen sollen. Die Angriffe der Rage hatten vieles in der Menschlichen Sphäre verändert und viele Veränderungen würden noch folgen.
Die Yautja enttarnten sich und starteten einen verheerenden Angriff auf sein Flaggschiff und dessen Eskorten. Sie schlugen zurück, aber der Angriff war stürmisch und gnadenlos gewesen. Als die Brücke seines Schiffes in Gefahr war und das Brüllen des nuklearen Feuers sie langsam in Stücke riss, war Alexander automatisch in eine der Rettungskapseln gesogen worden.
Um ihre schützende Hülle herum brannte das Schiff.
Und jetzt … dachte Alexander.
Die Erinnerungen kehrten zurück, sickerten in sein Bewusstsein, und während er mit den einzelnen Bereichen seines Schiffes Kontakt aufnahm, wurde ihm das Ausmaß der Zerstörung bewusst.
Sein Schiff war dem Untergang geweiht. Die Hülle war an über einem Dutzend Stellen gebrochen, das Heck aufgerissen. Luft entwich aus dem Schiff. Die Waffenlager waren entblößt und dem Weltall ausgesetzt. Seine Armee war zerstört. Seine mächtige, unaufhaltsame Armee war verschwunden. Einige bekämpften und töteten zwar selbst jetzt die verbliebenen Menschen auf der Raumstation, doch der Rest war in den Weltraum hinaus gesogen worden oder bis zur Unkenntlichkeit in den nuklearen Feuern verbrannt, die einen Großteil des Schiffes umfingen. Er fühlte den Schmerz ihres Untergangs, eintausend Todgeweihte, die in gleißender Hitze verbrannten … um danach noch in der tiefsten, dunkelsten Schwärze jenseits aller Existenz zu verglühen. Seine Verbindung zu ihnen endete nicht, und obwohl die meisten von ihnen bereits tot waren, würden ihre Todesqualen bleiben.
Wäre er kein Android gewesen, hätten ihn diese Erfahrungen in den Wahnsinn getrieben.
Sein Schiff trieb trudelnd dahin, löste sich immer mehr auf. Bald würde es vollständig auseinanderbrechen, und dann wäre auch Alexander im All verloren. Ausgespuckt von einem Wrack, wie ein weiteres totes Ding.
Aber ich bin noch nicht tot! , dachte er bei sich. Sein Trotz loderte heißer als jede Flamme. Selbst wenn er für alle Ewigkeit durchs All treiben würde – sein Geist würde lebendig und begierig bleiben, seine Mission zu vollenden.
Aber er konnte auch versuchen, die Kontrolle zurückzugewinnen und sich voranzukämpfen.
Es würde einen Weg finden. Es musste einen geben.
Alexander initiierte einen oberflächlichen Diagnose-Check seiner persönlichen Systeme. Das Ergebnis war niederschmetternd. Sein Körper war nutzlos geworden, zerstört, verbrannt und unvollständig. Dort, wo er seine Gliedmaßen verloren hatte, waren nur noch Phantomschmerzen geblieben. Sein Kopf war weitestgehend intakt, obwohl sich an einer Stelle seine Schädelplatte aufgelöst hatte und sein Gehirn und die damit verbundenen Systeme der Leere ausgesetzt waren. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte er seine Lage als aussichtslos bewertet.
Sein Selbstzerstörungsmechanismus war noch funktionsfähig. Ein Signal, ein Wunsch von ihm würde genügen, um die Überreste seines Schiffes mit sich in die Ewigkeit zu nehmen.
Dorthin, wo es keine Schmerzen mehr geben würde, und er nicht länger die Qualen seiner dahingerafften Armee teilen musste.
Aber es gab noch Hoffnung.
Der Wächter war noch bei ihm. Unbeeindruckt und unablässig wie immer pulsierte er und verströmte seine eigenartigen Energien. Die jüngsten Ereignisse schienen ihn nicht beeindruckt zu haben. Vielleicht hatte er die Zerstörungen und das Chaos noch nicht einmal bemerkt, so konzentriert, wie er auf das eine Ziel war – Liliya zu finden und ihr zu folgen.
Alexander streckte seine verbliebene Hand nach ihm aus und hätte beinahe das geheimnisvolle Fragment des Faze berührt. Beinahe. Er hatte noch nie gewagt, es zu berühren, und irgendetwas sagte ihm, dass es ihn unwiderruflich verändern würde, wenn er es täte. Es handelte sich um eine außerirdische Technologie, die so weit jenseits ihres Verständnisses lag, dass selbst Beatrix Maloney sie nicht verstand. Welches Recht also hätte er, es zu berühren?
Stattdessen widmete er sich wieder der dringlicheren Aufgabe, sich selbst zu reparieren. Wenn das geschafft war, würde er sich auf den nächsten Schritt konzentrieren. Und dann den nächsten …
Liliya war ganz in der Nähe. Noch immer greifbar.
Alexander bewegte die Finger seiner verbliebenen Hand und hielt sich an einem herumschwebenden Wrackteil fest. Er gab den Befehl, die Luken der Rettungskapsel zu öffnen. Nichts geschah, was ihn aber auch nicht weiter überraschte.
Also öffnete er sie manuell, rang mit dem Verschlussmechanismus, dann schob er unter dem Kreischen des verbogenen Metalls die Luke so weit auf, dass er sich hindurchzwängen konnte.
Der Wächter folgte ihm. Er kannte seine Aufgabe.
Draußen, auf der kaum noch wiederzuerkennenden Brücke trieben Teile seiner toten Crew umher. In Stücke zerrissen. Ihre schwächlichen, menschlichen Überreste waren für ihn nutzlos geworden. Er bewegte sich weiter voran.
Es war schwer zu sagen, wie viel Zeit verstrich. Sein Geist war beschädigt und arbeitete fehlerhaft. Hin und wieder verließen ihn seine Sinne, sein Bewusstsein schwand. Während er sein zerstörtes Schiff erkundete, erlebte er Erinnerungslücken, dunkle Flecken, die auf immer im Nichts verloren waren.
Aber er bemerkte genug um sich herum, und als er endlich fand, wonach er suchte, begann seine Wiederauferstehung.
Der Xenomorph war durch die explosive Dekompression ums Leben gekommen, die seine inneren Organe und Systeme in der Kälte erstarren ließ. Deshalb war sein programmierter Instinkt, sich zu zerstören, auch noch nicht ausgelöst worden. Alexander packte eines seiner stachligen Glieder, zog ihn näher zu sich heran und widmete sich dann seinem linken Unterarm. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis er ihn abgetrennt hatte, und noch länger, um das abgerissene Ende so umzuformen, dass es an seine gleichermaßen zerfetzte Schulter passte.
Читать дальше