Er wusste, welche Schmerzen ihn erwarten würden, aber er wusste auch, dass seine Bemühungen von Erfolg gekrönt sein könnten. Auf seinem Streifzug durch das zerstörte Schiff hatte er die Krankenstation aufgesucht, auch wenn er sich daran nicht mehr erinnern konnte. Selbst in den Momenten seiner Umnachtung arbeitete er hart daran, erfolgreich zu sein. An dem Gürtel um seine verwundete Hüfte herum hingen eine Reihe von Fläschchen, von denen jede eine Dosis der Nanotechnologie enthielt, die ihm womöglich das Leben retten würde.
Er injizierte eine davon in den Unterarm des Xenomorph, eine weitere in seine lädierte Schulter, und dann presste er die beiden Enden fest aufeinander.
Als die Säure seines Soldaten in seinen eigenen Blutkreislauf gelangte, schlugen seine internen Systeme Alarm und sein Kernprozessor schaltete ihn ab.
Als Alexanders Systeme wieder hochfuhren, war der Arm des Aliens mit seiner Schulter verbunden. Die Technologie in seinem Fleisch und dem Fleisch seines Spenders hatten ganze Arbeit geleistet. Es fühlte sich so an, als wäre der Arm tatsächlich ein Teil von ihm. Er konnte ihn oder seine Klauen noch nicht bewegen, aber er spürte wieder seinen Körper. Nicht mehr nur die Phantomempfindungen der Körperteile, die er verloren hatte, sondern echte Gliedmaßen, und es würde nicht lange dauern, bis jener Teil von ihm stärker und tödlicher sein würde als der Arm, den er verloren hatte.
Hastig sammelte er weitere Körperteile zusammen, transplantierte sie in seinen Körper, injizierte sich die Nanotechnologie, verlor das Bewusstsein und erwachte erneut. Mit jedem dieser Schritte wurde er weniger menschlich und mehr zu einem Xenomorph, doch im Inneren blieb er Alexander. Seine Mission war noch nicht beendet.
Als er seine Kopfwunde mit einem Stück des gebogenen Kopfpanzers eines Xenomorph überdeckte, musste er ein wenig lachen. Obwohl unbeabsichtigt, passte jenes Stück Schädelpanzer wie angegossen. Auf seinem Kopf, der zur Hälfte menschlich war und zur Hälfte aus einem Xenomorph bestand, prangte nun das Wort »Alexander« und erinnerte ihn daran, wer er war.
Mit dem seltsamen Gefühl, wieder vollständig zu sein, arbeitete er sich schnell durch das luftleere Schiff in den Hangar vor. Wenn dort noch ein Schiff funktionsfähig sein sollte – ein Angriffskreuzer oder auch nur eines der kleineren Rettungsschiffe – könnte das sein Weg hinaus sein. Die Chancen dafür waren gering, aber er erlaubte sich an dieser Stelle keinen Pessimismus. Egal wie unwahrscheinlich es war, es war doch ein Schritt voran.
Als er im Hangar eintraf und feststellen musste, dass es jenen Teil bereits ins All hinausgerissen hatte, nahm er sich die Zeit, über seine nächsten Schritte nachzudenken.
Doch dann gab ihm das Schicksal einen Trumpf in die Hand.
Ein Schiff näherte sich, passte seine Geschwindigkeit und seinen Kurs an und sank dann langsam in die chaotischen Trümmer hinab, wobei es immer wieder größere Wrackteile mit seiner Laserkanone zerschoss, während kleinere Trümmer von seiner Hülle abprallten.
Es war ein Schiff der Yautja.
Für einen Moment schwebte es kurz dahin, dann schoss es hinab und nur wenige Minuten später erschien eine Luke in dessen Hülle. Licht drang aus dem Schiff. Ein Schatten fiel über den leergefegten Hangar.
Alexander streckte seine scharfen, chitinartigen Klauen nach ihm aus.
Der Yautja hatte ihn noch nicht gesehen. Seine Laserzielsucher huschten in dem Hangar umher, beleuchteten die Form und Beschaffenheit der zerstörten Außenhülle und übermittelten die Informationen zurück an den Computer des außerirdischen Wesens. Alexander hatte noch nie gegen einen Yautja gekämpft. Dies war das erste Mal, dass er sich einem von ihnen direkt gegenüber sah. Doch er hatte schon von ihnen gehört und wusste von ihren Fähigkeiten, Kräften und Kampfeigenschaften.
In der Hoffnung, seine neue Stärke bald im Kampf testen zu können, stieß sich Alexander von dem im Dunkeln liegenden Eingang ab. Bis auf die Reparatursysteme ließ er alle anderen seiner Systeme auf ein Minimum herunterfahren und schwebte durch den Hangar auf das fremde Schiff zu.
Der Yautja bemerkte ihn nicht. Die Wärme, die von Alexander ausging, war verglichen mit der Reststrahlung des Angriffs unbedeutend. Sein Schiff brannte noch immer und von dem Wrack würde auch noch in Jahrhunderten Strahlung ausgehen.
Während er sich seinem Feind näherte, spürte Alexander, wie ihn ein Gefühl von Aufregung beschlich.
Das Schiff war lang, schlank und von dunkelgrauer Färbung, wie die meisten Schiffe der Yautja. Die einzigen beiden Erhebungen auf der Oberfläche gehörten zu Waffensystemen, deren schwarze Kugeln still und scheinbar harmlos schimmerten. Die Feuerkraft dieser Kugeln würde jedoch erheblich sein, das wusste er. Außerdem wusste er, dass die Yautja ihre Schiffe über die Computer in ihren Rüstungen steuern konnten, und dass sie nicht davor zurückschreckten, Selbstmord zu begehen, wenn es die Situation erforderte.
Das durfte er jedoch nicht zulassen. Das Ziel seiner Mission brannte noch immer hell in seinem künstlichen Herzen, und dafür benötigte er ein Schiff.
Ein geschmolzenes und verformtes Wrackteil schwebte neben Alexander dahin. Er griff es, rollte sich leicht herum und brachte es so zwischen sich und seinen Gegner. Sein Gewicht veränderte dessen Flugbahn nur geringfügig.
Näher … näher …
Der Yautja bemerkte die Veränderung. Er stieß sich von der Luke ab, vollführte im Flug eine halbe Drehung und feuerte aus seiner Schulterkanone eine Salve auf das Wrackteil ab. Die Treffer zerfetzten es. Alexander stieß sich davon ab, schlug gegen das Schiff des Yautja und prallte sofort wieder davon ab.
Bevor der Yautja-Krieger seine Schubdüsen zünden und sich zu ihm umdrehen konnte, war Alexander bei ihm.
Die Verbindung zwischen seinem Geist, seinem beschädigten Körper und seinen neuen Xenomorph-Bestandteilen war überraschend effektiv. Er rechnete mit einer gewissen Verzögerung, bis seine neuen Körperteile auf die Signale seines Geistes ansprechen würden, doch stattdessen waren seine Bewegungen bereits jetzt blitzschnell.
Ein Hieb, und ein Riss klaffte in dem Anzug des Yautja.
Ein weiterer, und sein Helm war zerschlagen.
Ein schartiges Stück davon trieb dahin, und aus dem Loch quoll grünliches Blut, das sich in wabernden Blasen um sie herum verteilte.
Die Schulterkanone des Yautja feuerte wieder, verfehlte aber ihr Ziel. Die Schüsse schlugen in das Schott weit hinter ihnen.
Seine Hand kam nach vorn, mit einem Dorn, der aus dem Rüstungsteil an seinem Handgelenk ragte. Alexander hackte sie ihm ab.
Während sich der Yautja noch verzweifelt zu wehren versuchte, trennte ihm ein Schlag mit Alexanders neuem, besseren rechten Arm den Kopf von den Schultern. Die Leiche ließ er davontreiben, um ihn sich für alle Ewigkeit dem Wrack seines Schiffes anzuschließen.
Als sich die Luke schloss und bereits die Atmosphäre im Inneren des Schiffes den Ansprüchen des Androiden anzupassen begann, nahm dieser in einem Sitz Platz, der aus dem Boden erschien. Er passte sich perfekt seinem Körper an.
Mithilfe des Wächters erkannte ihn das Schiff sofort als seinen neuen Meister an.
So mysteriös und unbegreiflich wie immer verband sich der Wächter mit dem Computersystem des Schiffes und berechnete einen neuen Kurs.
Entgegen aller Widrigkeiten nahm Alexander erneut Liliyas Verfolgung auf.
Charon-Station, Sol System, Dezember 2692
Gerard Marshalls Aufenthalt auf der Charon-Station, dem Hauptkontrollzentrum der Colonial Marines, hätte nur von kurzer Dauer sein sollen.
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