»Es nützt ihm nicht das Mindeste zu erklären, er könnte besser sein. – Möchte, wollte, könnte, – das sind lauter nichtsnutzige Hilfszeitwörter.«
»Ich sehe nicht ein, wie ein Mensch viel nütze sein soll, wenn er nicht ein weibliches Wesen hat, das ihn zärtlich liebt.«
»Ich finde, er müßte sich bewähren, bevor er zu einer solchen Erwartung berechtigt wäre.«
»O Mary! Sie wissen doch nur zu gut, daß Frauen die Männer nicht ihrer Güte wegen lieben.«
»Vielleicht nicht, aber wenn sie sie lieben sollen, dürfen sie sie doch nicht für schlecht halten.«
»Es ist doch wohl nicht recht, mich schlecht zu nennen.«
»Ich rede ja gar nicht von Ihnen.«
»Ich werde nie zu irgend etwas in der Welt nütze sein, Mary, wenn Sie nicht erklären wollen, daß Sie mich lieben, wenn Sie nicht versprechen wollen, mich zu heiraten, ich meine, sobald ich im Stande bin zu heiraten.«
»Wenn ich Sie liebte, würde ich Sie doch nicht heiraten – würde ich Ihnen doch nicht das Versprechen geben, Sie je zu heiraten.«
»Das finde ich sehr schlecht von Ihnen, Mary. Wenn Sie mich lieben, so sollten Sie auch versprechen, mich zu heiraten.«
»Im Gegenteil, ich finde, es wäre schlecht von mir, Sie zu heiraten, selbst wenn ich Sie liebte.«
»Sie meinen in meiner jetzigen Lage, wo ich ohne Mittel bin, eine Frau zu ernähren. Natürlich, ich bin erst dreiundzwanzig Jahre alt.«
»In dieser Beziehung werden Sie sich ändern, ob aber auch in irgend einer andern Beziehung, das ist mir zweifelhaft. Mein Vater sagt, ein Müssiggänger sollte gar nicht existieren, geschweige heiraten.«
»Dann muß ich mir also eine Kugel vor den Kopf schießen.«
»Nein, Alles in Allem täten Sie, glaube ich, besser Ihr Examen zu machen. Ich habe Herrn Farebrother sagen hören, das Examen sei schmachvoll leicht.«
»Das ist Alles sehr schön. Ihm ist Alles leicht. Nicht als ob Begabung irgend etwas damit zu tun hätte. Ich bin zehnmal begabter, als viele Leute, die im Examen durchkommen.«
»Du lieber Gott,« sagte Mary, die eine sarkastische Bemerkung nicht unterdrücken konnte, »da begreift man, wie solche Leute, wie Herr Crowse, Pfarrgehilfe werden können. Also: Wenn Sie Ihre Begabung durch zehn dividieren, so kann der armselige Quotient noch immer sein Examen machen; das beweist aber nur, daß Sie zehnmal träger sind als die Übrigen.«
»Nun, wenn ich auch mein Examen gemacht hätte, so würden Sie doch nicht wünschen, daß ich Geistlicher würde.«
»Es kommt hier nicht darauf an, was ich wünsche, daß Sie tun sollen; ich denke, Sie haben Ihr eigenes Gewissen. – Aber da kommt Herr Lydgate, ich muß ihn meinem Onkel melden.«
»Mary,« sagte Fred, indem er ihre Hand ergriff, als sie aufstand, »wenn Sie mir nicht ein ermutigendes Wort sagen, so werde ich nicht besser, sondern schlechter werden.«
»Ich will Ihnen kein ermutigendes Wort sagen,« erwiderte Mary errötend, »das würde Ihrer Familie ebenso unlieb sein, wie der meinigen. Mein Vater würde es für eine Schande halten, wenn ich einen Mann heiratete, der Schulden hat und nicht arbeiten will!«
Fred fühlte sich in tiefster Seele gekränkt und ließ ihre Hand wieder los. Sie ging nach der Tür, aber hier wandte sie sich um und sagte:
»Fred, Sie sind immer so gütig, so großmütig gegen mich gewesen. Ich bin nicht undankbar. Aber sprechen Sie nie wieder so mit mir.«
»Seht gut,« entgegnete Fred, indem er mit einem Ausdruck von mürrischem Trotz nach seinem Hut und seiner Reitpeitsche griff. Auf seinem Gesichte zeigten sich blassrote und todesbleiche Flecken. Wie so mancher durchgefallene träge junge Mensch war Fred sehr verliebt, und zwar in ein häßliches Mädchen, das kein Geld hatte; aber mit der Aussicht auf Herrn Featherstone's Landbesitz, und mit der Überzeugung, daß Mary, sie mochte sagen, was sie wollte, ihn doch wirklich gern habe, war er nicht allzu verzweifelt.
Zu Hause angelangt, gab er seiner Mutter vier von seinen fünf Pfundnoten und bat sie, ihm dieselben aufzubewahren.
»Ich will das Geld nicht ausgeben, Mutter, ich will eine Schuld damit bezahlen. Bewahr' es mir daher so auf, daß ich nicht daran kann.«
»Brav, mein lieber Junge!« sagte Frau Vincy.
Sie schwärmte für ihren ältesten Sohn und für ihre jüngste sechsjährige Tochter, die beiden Kinder, welche von Anderen für ihre wenigst geratenen gehalten wurden. Und doch täuscht sich das Auge der Mutter nicht immer in seiner Parteilichkeit, wenigstens kann sie am besten darüber urteilen, ob ein Kind zärtlich und kindlich gesinnt ist. Und Fred liebte seine Mutter wirklich sehr. Vielleicht war es seine Liebe zu noch einer anderen Person, was ihn zu einer so ängstlichen Vorsicht gegen die Möglichkeit seiner Verausgabung der hundert Pfund trieb. Denn der Gläubiger, welchem er 160 Pfund schuldig war, hatte eine Bürgschaft in Gestalt eines von Mary's Vater unterzeichneten Wechsels in Händen.
Black eyes you have left, you say,
Blue eyes fail to draw you;
Yet you seem more rapt today,
Than of old we saw you.
Oh, I track the fairest fair
Through new haunts of pleasure;
Footprints here and echoes there
Guide me to my treasure:
Lo! she turns – immortal youth
Wrought to mortal stature,
Fresh as starlight's aged truth –
Many-namèd Nature!
Ein großer Historiker, wie er sich beharrlich selbst nannte, der so glücklich war, schon vor einhundertundzwanzig Jahren zu sterben und seinen Platz unter den Kolossen einzunehmen, zwischen deren ungeheuren Beinen unser lebendes kleines Geschlecht hindurchwandelt, rühmt sich seiner zahlreichen Anmerkungen und Degressionen als des unnachahmlichsten Teiles seines Werks, und namentlich jener Einleitungskapitel zu den einzelnen Büchern seiner Geschichte, in welchen er gleichsam seinen Lehnstuhl auf das Proszenium rückt, um mit dem Publikum in dem ganzen gesunden Behagen seiner schönen Sprache zu plaudern. Aber Fielding lebte, als die Tage länger waren (denn wir messen die Dauer der Zeit gleich dem Werte des Geldes nach unsern Bedürfnissen), als es lange Sommernachmittage gab, und die Uhr an Winterabenden langsam tickte. Wir späteren Geschichtsschreiber dürfen uns nicht einfallen lassen, seinem Beispiele zu folgen, und wenn wir es täten, würde unser Geplauder wahrscheinlich dürftig und übereifrig ausfallen, wie wenn wir auf einem Feldstuhl in einem Vogelhause den Papageien predigten. Ich wenigstens habe so viel damit zu tun, gewisse menschliche Geschicke zu entwirren und die Fäden bloßzulegen, aus denen sie gewebt und mit einander verwebt waren, daß ich alles Licht, welches ich zu verbreiten im Stande bin, auf dieses besondere Gewebe konzentrieren muß und dasselbe nicht über die verführerischen Erscheinungen des gesamten Universums zerstreuen darf.
Zunächst muß ich Alle, die sich für den neuen Ansiedler Lydgate interessieren, besser mit demselben bekannt machen, als es selbst Diejenigen sein konnten, welche ihm seit seiner Ankunft in Middlemarch am nächsten getreten waren; denn es wird doch Niemand in Abrede stellen wollen, daß ein Mann poussiert und belobt, beneidet, lächerlich gemacht, als Werkzeug willkommen geheißen, und sogar geliebt oder wenigstens zum künftigen Gatten gewählt werden, und doch in Wahrheit ungekannt bleiben kann – gekannt nur als ein ergiebiger Stoff für die falschen Voraussetzungen seiner Nachbarn.
Der allgemeine Eindruck war jedoch, daß Lydgate kein ganz gewöhnlicher Landarzt sei, und ein solcher Eindruck bedeutete in jener Zeit in Middlemarch, daß man große Dinge von ihm erwarte. Denn jeder Arzt einer Familie war besonders tüchtig und hatte selbstverständlich ein außerordentliches Geschick in der Behandlung und Einschränkung der kapriziösesten und bösartigsten Leiden. Der für die Geschicklichkeit jedes dieser Ärzte beigebrachte Beweis gehörte zu jenen unwiderleglichen Beweisen einer höheren intuitiven Natur; denn er bestand in der unerschütterlichen Überzeugung der weiblichen Patienten und war demgemäß für jedes Argument unanfechtbar, soweit nicht diesen Intuitionen andere gleich starke entgegenstanden; denn jede Dame, welche in dem »stärkenden System« und seinem Vertreter Wrench die medizinische Wahrheit erblickte, betrachtete Toller und dessen »herabstimmendes System« als das medizinische Verderben.
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