Von denen sollte Grißler ein Amtmann zu
Schwyz und Uri sein, der Landenberger aber zu Unterwalden,
doch sollten sie sich zu Anfang gut und
freundlich erzeigen, ob sie vielleicht in Güte das Volk
bewegten, allein dieses ließ sich nicht bewegen, und
da erhielten die Landvögte Befehl, den Bauern alles
gebrannte Herzeleid anzutun. Als dieses nun geschah,
so sendete das Volk Klageboten an Albrecht, der aber
ließ diese gar nicht vor sein Angesicht. Nun gingen
die Sendboten zu des Kaisers Räten und baten sie
freundlich und ernstlich, sie sollten dem Mutwillen
und der Plackerei der Vögte steuern und verhindern,
daß sie mit neuer und unerhörter Schatzung das Volk
bedrückten; aber die Räte sprachen: Ihr Männer seid
selber schuld an allem Übel, warum wollt ihr euch
nicht auch in unsers Herrn Gnade, Schutz und Schirm
geben? Tätet ihr solches, so hättet ihr Ruhe und guten
Frieden. – Da kehrten die Gesandten traurig heim und
ohne Hoffnung und sagten den Ihrigen die schlimme
Botschaft an.
Damals hauste in Unterwalden ein gar redlicher
Mann, der niemals Untreue verübte, der war dem
Landenberger insonderheit verhaßt, und sein Name
war Heinrich im Melchtal an der Halde. Zu dem sandte
der Landenberger, der auf Burg Sarnen saß, einen
seiner Knechte mit dem Gebot, dem Melchtaler die
Ochsen vom Pfluge abzuspannen. Flugs gehorchte der
Knecht und wollte dem Manne die Ochsen vom Pfluge
wegführen. Heinrich im Melchtal aber sprach: Laß
ab, meine Ochsen behalte ich. Hab' ich was Sträfliches
getan, so soll man mich vorfordern und richten. –
Der Knecht sprach: Bauer, ich tue, was meines Herrn
Gebot ist, frag ihn selbst um die Ursach! Ihr Bauern
seid selber Ochsen genug, daß ihr den Pflug selbst
ziehen könnt. – Diese lose Rede hörte des Alten junger
Sohn, der hieß Arnold, und nahm alsbald einen
Stecken und schlug dem Knecht des Landenbergers
einen Finger entzwei, daß ihm das Ochsenausspannen
verging. Der Knecht entwich, die Tat dem Landvogt
anzusagen, und der junge Arnold im Melchtal entwich
nach Uri. Der Landenberger ließ alsbald Heinrich im
Melchtal vor sich bringen und begehrte von ihm des
Sohnes Aufenthalt zu erfahren. Da nun der Alte entweder
nicht sagen wollte oder nicht wußte, wohin sein
Sohn sich geflüchtet, so ließ der Landenberger dem
Alten beide Augen ausstechen, nahm ihm sein Gut
und trieb ihn ins Elend. Auf der Burg Roßberg hatte
der Landenberger einen Pfleger sitzen, der hieß von
Wolffen, das war auch einer von den Pressern, der
kam in Konrads von Baumgarten Behausung und traf,
wie er schon voraus wußte, nicht den Mann, sondern
nur dessen frommes und schönes Weib an, zu der er
ein sonderlich Gelüsten hatte, rief sie an, indem er
vom Pferde stieg, sie solle nach einem Zuber umschauen
und ihm ein Bad rüsten, es sei ihm baß heiß
vom starken Ritt. Und als er nun im Bade saß, da
winkte er ihr, sie solle zu ihm sitzen, sie aber tat, als
wolle sie ihm gehorchen, zuvor aber sich ihrer Röcke
außen abtun, ließ ihn sitzen und lief alsbald nach dem
nahen Walde, wo ihr Mann Holz haute. Der hatte gerade
Feierabend gemacht, kam ihr mit der Axt entgegen
und hörte ihre Not und Klage und sprach: Dem
Bader will ich das Bad wohl gesegnen – und lief
einen nahen Pfad – traf den Wolffen noch im Zuber,
des Weibes harrend, und schlug ihn mit der Axt dermaßen
auf den Grind, daß der Kopf in zwei Hälften
auseinanderspaltete.
Der Landvogt Grißler, der zu Uri saß, hub an, auf
einen Bühel über Altdorf eine neue Burg zu bauen,
die sollte genannt werden »Zwing Uri unter die Stegen
«, um so recht das Landvolk zu quälen und zu reizen,
und weil der Grißler wußte, daß er allem Volke
verhaßt war, und mutmaßete, es möge sich schon
etwas Heimliches gegen ihn angesponnen haben, so
ließ er mitten auf einem freien Platze, wo jedermann
vorüberwandelte, eine hohe Stange aufrichten, mit
einem Hute darauf, und befehlen, daß jedermann, wer
es immer sei, dem Hute Reverenz erzeigen solle mit
Bücken und Hutabnehmen, als ob es der Vogt selbst
sei, und ließ heimlich spüren und aufpassen, wer das
etwa nicht täte und den Gruß weigerte. Darauf ritt er
gen Schwyz und kam über Stein, da wohnte ein gar
frommer Mann, der hieß Werner von Stauffacher, der
hatte noch nicht lange zuvor ein neues Haus an seines
alten Statt gebaut. Da nun der Vogt vorüberritt, fragt
er: Wem gehört dieses Haus? Der Stauffacher wollte
recht höflich sein, sagte nicht, daß es sein gehöre,
sondern antwortete: Meines Kaisers und Euer, Herr
Landvogt, ich trag's von Euch zu Lehen! Beliebt Euch
einzutreten? – Aber der Landvogt fuhr den Stauffacher
scheltend an: Ich bin hier an des Kaisers Statt!
Hast du um Erlaubnis gefragt zu diesem Bau? Nein!
Und baut ihr Bauern nicht Häuser, als wenn Herren
darinnen wohnen sollten? Das will ich euch wohl
wehren! – Sprach's und ritt trutziglich weiter. Dem
Stauffacher schmerzte die Rede sehr, aber sein kluges
Weib tröstete ihn und sagte ihm, er solle sich doch
umtun bei andern Freunden, ob es überall im Lande
so getan sei, und mit ihnen Rats pflegen, daß es anders
werde. Da ging Werner von Stauffacher gen Uri
zu einem Freund, der hieß Walther Fürst, und bei dem
fand er Arnold im Melchtal, der sich noch flüchtig
hielt, und da ratschlagten die drei miteinander und
wurden eins, daß sie noch andere treue und vertraute
Männer aufsuchen und mit ihnen einen Bund gegen
den Druck der Vögte schließen wollten. Das gelang
ihnen trefflich, und ward ein großer heimlicher Bund,
zu dem traten auch viele von ritterlichem Geschlecht,
denn die Vögte waren auch ihnen aufsässig, nannten
sie Bauernadel und adelige Kuhmelker. Darauf erkieseten
die Männer des Bundes zwölf aus ihrer Mitte
als ihren Vorstand, die kamen zusammen und tagten
in ihren Sachen auf einer Matte, die man nennt im
Gryttli, an dem Vierwaldstätter See, wie es nun werden
sollte. Da rieten die von Unterwalden, man solle
noch verziehen und zuwarten, weil es schwer wäre, in
aller Schnelle die festen Plätze wie Sarnen und Roßberg
zu gewinnen, und wolle man sie belagern, so gewinne
der Kaiser Zeit, ein Heer zu senden, das sie allzumal
aufreiben werde. Man solle lieber die Schlösser
mit List gewinnen, niemand töten, der sich nicht bewaffnet
widersetze, allen übrigen freien Abzug gewähren
und dann die Festen bis auf den Boden schlei-
fen. Als die Männer so tagten und den großen Bund
beschwuren, da entsprangen der Matte heilige Quellen.
Mittlerweile geschah es, daß ein Mann aus Uri,
Wilhelm Tell geheißen, etliche Male achtlos an
Grißlers Hut vorübergeht und ihm keine Reverenz
macht. Kaum ward das angezeigt, so beschickte ihn
der Vogt, Tell aber sprach: Ich bin ein Bursmann und
vermeint' nit, daß so viel an dem Hut lieg, hab' auch
nit sonder acht darauf gehabt. – Da ergrimmte der
Vogt, schickte nach des Tellen allerliebstem Kind und
sagte: Du bist ja ein Schütz und trägst Geschoß und
Gewaffen mit dir herum, jetzt schieße diesem deinem
Kind einen Apfel vom Kopf. – Dem Tell erschrak das
Herz, und er sprach: Ich schieße nicht, nehmt mein
Leben. – Du schießest, Tell! schrie der Landvogt,
oder ich lasse dein Kind vor deinen Augen und dich
hinterdrein niederstoßen. Da betete der Tell innerlich
Читать дальше