Laurent Bach - Mord am Fluss

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Eine Leiche im herbstlichen Gardon: Als Detektiv Claude Bocquillon einen toten Mann aus dem Fluss zieht, ahnt er noch nicht, dass diese Tragödie auch ihn betrifft. Bevor er herausfindet, warum sich sein Freund Julien so seltsam verhält, wird dieser verhaftet und in das chaotische Gefängnis von Nîmes gebracht. Im Laufe der Ermittlungen, die Claude auf menschenleere Hochebenen und zu urbanen Travestieshows führen, geraten er und sein Freund an ihre Grenzen …

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Laurent Bach

Mord am Fluss

Bocquillons vierter Fall

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Inhaltsverzeichnis Titel Laurent Bach Mord am Fluss Bocquillons vierter Fall - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Laurent Bach Mord am Fluss Bocquillons vierter Fall Dieses ebook wurde erstellt bei

Kapitel 1 - Samstag

Kapitel 2 - Sonntag

Kapitel 3 - Montag

Kapitel 4 - Dienstag

Kapitel 5 - Mittwoch

Kapitel 6 – Donnerstag

Kapitel 7 - Freitag

Kapitel 8 - Samstag

Impressum neobooks

Kapitel 1 - Samstag

Es fühlte sich seltsam an.

Claude biss sich auf die Lippen und warf einen Kieselstein in den Fluss. Er lauschte auf das tiefe, fast melodiöse Glucksen. Die Nacht war mild und der Mond erhellte die zarten Kreise auf dem Wasser. Der Tarn floss in einem weiten Bogen am Fuß des Felsens entlang, nah an seinen Füßen vorbei.

Amelie ging von ihm. Sie war nun Frederics Frau. Ja, es fühlte sich definitiv seltsam an, ob er nun schwul war oder nicht. Das war völlig egal.

Musik erklang aus dem Saal, der wie die anderen drei Häuser in den Felsen gebaut worden war, direkt über dem Fluss. Amelie und Frederic hatten unbedingt hier in Castelbouc feiern wollen, der pittoresken Atmosphäre wegen. Eine schöne Stimmung dort oben, Gelächter, das sich zu einem Kreischen steigerte. Bestimmt musste Amelie gerade ihr Brautkleid höher den Schenkel hinauf ziehen. So war der Brauch: die Männer warfen Münzen in einen Hut, damit die Braut ihr Strumpfband öffentlich ablegte, die Frauen warfen ebenfalls ihren Obolus hinein, damit die Braut das Kleid wieder hinunterziehen durfte.

Der Tarn war noch warm und hin und wieder sah man tagsüber Einheimische, die jetzt, Anfang Oktober, darin badeten, genau wie im Gardon von Anduze. In seinem Rücken stieg die Causse Mejean auf, eine der vier kargen Hochebenen, auf der nur Schafe grasten und Touristen Einsamkeit und Ruhe auf ihren Wanderungen fanden. Da saß er nun, am Eingang der Tarnschlucht, und warf Steine ins Wasser.

Amelies Hochzeit störte sein Befinden in einer Art und Weise, mit der er nicht gerechnet hatte. Es war nicht die Einsamkeit, nein, er hatte Julien, seine Freunde und die Familie. Und doch schien ihm Amelies morgiger Aufbruch in die Flitterwochen als Einschnitt in sein Leben, eine Zäsur, mit der er fertig werden musste. Frederic hatte ihn in ihrem Herzen verdrängt, ihn vom Thron gestoßen. Vielleicht war es das, was ihm zu schaffen machte. Niemand ließ sich gern verdrängen. Womöglich war er sogar neidisch, weil Amelie ihren Platz im Leben gefunden hatte, ihre Arbeit, ihren Mann, ihr Haus. Kannte er schon seinen Platz und seine Zukunft? Alles blieb vage und unbestimmt in seinem Leben. Er seufzte. Aber gut, Hauptsache, sie würde glücklich sein und ihren Weg weiter gehen. Claude hob den Kopf und atmete tief ein. Wenn Heimat riechen könnte, würde sie so riechen wie hier, würzige Herbstluft mit Einsprengseln von schwerer Feuchte und Kastanienwald. Hoch über ihm verlief die nördliche Uferstraße, doch um diese Uhrzeit war kein Auto zu hören. Doch die letzten Grillen gaben ihr Bestes und kreischten beharrlich gegen den beginnenden Herbst an, als wollten sie es nicht wahr haben, dass ihre Zeit bald vorüber war.

Sein Hintern tat allmählich weh von den harten Steinen des Ufers. Claude kam mühsam auf die Beine. Schwindel setzte er, er hielt sich an einem der Zweige fest, die über den Fluss hinaus ragten. Der Wein, verdammt, er sollte es langsam angehen lassen. Die Musik war inzwischen verstummt, nun hörte er das Gemurmel der Gespräch und Schritte im Kies.

Zwei Personen. Claude drehte sich um.

„Hier bist du!“, rief Amelie und zog Frederic mit sich. Sie waren ein verdammt schönes Paar, Amelie mit ihrer kecken Kurzhaarfrisur und dem cremefarbenen Hochzeitskleid, das ihre Figur gut zur Geltung brachte. Frederic trug einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug und erinnerte Claude ein wenig an Daniel Craig als James Bond.

„Ich wollte nur etwas Luft schnappen. Ist auch schon spät. Wir hauen gleich ab“, sagte Claude und räusperte sich, um seine Melancholie zu verstecken.

„Du willst nicht mehr bleiben?“, fragte Frederic erstaunt.

Claude schlug ihm leicht auf den Arm. „Du bist doch froh, wenn du einen Konkurrenten los bist.“

Frederic wedelte mit der Hand. „Stimmt, also hau ab.“ Er drehte sich um. „Da kommt auch schon deine Frau.“

Claude sah an Frederic vorbei und erkannte Juliens Gestalt im Mondlicht. Sein Herz schlug schneller, als sein Freund die Hand lässig in die Hosentasche steckte und näher trat. Er sah atemberaubend aus in seinem anthrazitfarbenen Anzug, mit den schmalen Hüften und dem Dreitagebart, den er seit einiger Zeit sorgsam hegte und pflegte. Seine Augen schienen zu funkeln und die markante Hakennase warf einen geheimnisvollen Schatten auf seine Züge. Claude wollte ihm am liebsten die Kleidung vom Leib reißen und mit ihm ins warme Wasser tauchen so wie damals, als sie sich zum ersten Mal gesehen hatten. Was hatte Frederic gesagt? Seine Frau? Na ja, ein wenig zu männlich, aber es stimmte. Sie gehörten zu einander.

„Gut, dann brechen wir jetzt auf. Das Taxi müsste gleich kommen. Wir gehen zur Straße hinauf.“

Claude umschlang Amelie an der Taille und drückte sie an sich. „Und du bist dir sicher, dass dieser Idiot dich glücklich machen wird?“, flüsterte er in ihr Ohr. Amelie küsste ihn auf die Wange und lehnte sich für einen Moment an ihn.

„Ja, das bin ich. Sorg dich nicht um mich.“

„Dann bin ich beruhigt. Alles Gute, Amelie, und schöne Flitterwochen in Lissabon.“

Ein letztes Mal küssten sie sich auf die Wange, Amelies kühle Hand fuhr über seine Haut, dann drängte sich Frederic zwischen sie.

„He, genug geschnäbelt. Komm her.“

Ein kräftiger Arm legte sich um Claudes Nacken. Frederic duftete nach einem teuren Aftershave. „Danke, Claude, für alles.“ Seine Stimme war rau. Claude nickte nur und schlang die Arme um seinen Freund.

„Pass gut auf sie auf.“

„Sie ist alles, was ich habe, Claude, das weißt du doch.“

„Ja, natürlich. Viel Spaß euch beiden. Lasst es noch richtig krachen.“ Claude atmete tief ein, als er sich von Frederic löste. Amelie hatte Julien im Arm und flüsterte auf ihn ein, was Claude amüsiert beobachtete. Dann drückte auch Frederic Küsse auf Juliens Wange und bald darauf waren sie nur noch Schatten, die zwischen Platanen und Kiefern den schmalen Pfad zum Saal hinauf gingen, aus dessen Fenster Licht auf das Wasser fiel.

„Was hat sie dir gesagt?“, fragte Claude, als Julien neben ihm stand und sie den Weg ihrer Freunde verfolgten.

„Ich solle gut auf dich aufpassen.“

Dann kann ja nichts mehr passieren, dachte Claude in stiller Belustigung. Julien drehte sich zu ihm um und musterte ihn liebevoll. Claude zog ihn zu sich. Ihre Lippen trafen sich zu einem Kuss, der den Schmerz des Abschieds verdrängte. „Was ich hiermit tue“, hauchte Julien noch in sein Ohr, bevor sie einander unterhakten und langsam am Fluss entlang gingen. Wilde Gärten, Buchshecken und graue Steinhäuser säumten ihren Weg. Es roch leicht nach Moder, nach Verfall, als wäre die Erde von verrottenden Blättern gesättigt und vom Blut der Tiere, die den Winter nicht mehr sehen würden. Sie überquerten den rauschende Tarn auf einer schmalen Betonbrücke und stiegen zur Straße hinauf, wo in diesem Moment ein Taxi am Straßenrand hielt. Claude ließ die Lichter, die Freude, die gelöste Stimmung hinter sich, doch die Ahnung von Tod und Vergänglichkeit blieb. Er drehte sich nicht um, sondern stieg hinten ein und sog im Inneren des Wagens den Geruch von Kunstleder und Zigaretten ein, als suchte er in der Gegenwart nach dem Grund für seine wehmütige Stimmung.

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