Bisher von der Autorin bei KBV erschienen:
SOKO Marburg-Biedenkopf (Hg.)
Christina Bacher,geb. 1973 in Kaiserslautern, mischte lange Jahre in der Marburger Kulturszene mit und entdeckte dort ihre Leidenschaft für den Kriminalroman. Die Mitbegründerin des Marburger Krimifestivals und jahrelange Autorin der hr2-Ratekrimireihe Bolle und die Bolzplatzbande gab schließlich im CRIMINALE-Jahr 2016 die KBV-Anthologie SOKO Marburg-Biedenkopf heraus. Heute lebt die Journalistin und Autorin von Jugendbüchern und Kriminalromanen in Köln, wo sie vor einigen Jahren »Bachers Büro« gründete – eine Schmiede für Texte aller Art. www.bachers-buero.de
Christina Bacher
Kriminalroman
Originalausgabe
© 2020 KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim
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E-Mail: info@kbv-verlag.de
Telefon: 0 65 93 - 998 96-0
Umschlaggestaltung: Ralf Kramp
unter Verwendung von © Katharina Kaufmann
Lektorat: Volker Maria Neumann, Köln
Druck: CPI books, Ebner & Spiegel GmbH, Ulm
Printed in Germany
Print-ISBN 978-3-95441-522-9
E-Book-ISBN 978-3-95441-533-5
»In unmittelbarer Nähe von Marburg, westlich vom malerisch gelegenen Schlosse, erhebt sich eine mit herrlichen Eichen bewachsene Kuppe, der Dammelsberg. Es ist ein wunderbares Stückchen Erde, ein Lieblingsort der Bewohner Marburgs .
Könnten sie uns erzählen, die rauschenden Blätterkronen, viel würden sie uns erzählen von Freud und Last, die sie geschaut, von frohen Liedern, die sie vernommen .
Und doch!
Auch eine dunkle, furchtbare That ist hier geschehen, mitten auf einem der das Revier durchziehenden Pfade, nicht fern vom Saume des Waldes – ein Mord.«
Didaskalia vom 15. Juni 1864
9. September 1861, Dammelsberg, Dorothea Wiegand
1. Kapitel
12. September 1861, Oberstadt, Lorenz Reinhardt
2. Kapitel
12. September 1861, Medizinalrat Dr. Stadler
3. Kapitel
14. September 1861, Witwe Hilberg
4. Kapitel
Marburg, den 12.12.1861, Katherine Bald
5. Kapitel
20. Januar 1862, Gastwirtschaft Ruppersberg, Martha Mudersbach
6. Kapitel
14. Oktober 1864, Rabenstein, Regine Dörr
7. Kapitel
15. Juni 1864, Privatmann Schäfer
8. Kapitel
10. Oktober 1864, Seesen, Christian Schwarz
9. Kapitel
15. Juli 1864, Pfarrer Kolbe
10. Kapitel
13. Oktober 1864, Abschiedsbrief von Ludwig Hilberg
9. September 1861, Dammelsberg, Dorothea Wiegand
Immer weiter den steilen Berg hinauf. Trotz der ungewöhnlichen Hitze, dem Hinkefuß und dem dicken Bauch konnte es ihr heute nicht schnell genug gehen. Gleich würde sie ihm wieder nahe sein. Seine Küsse erwidern, ihn wild machen, sich liebkosen lassen. Und – ja, vor allem das! – endlich in Ruhe über die Hochzeit reden. Die immer dringlicher wurde, je schneller das Kind in ihr wuchs. Deswegen hatte sie sich heute besonders hübsch gemacht. Mit neuen Mützenbändern, die sie voller Liebe angenäht hatte. Gekauft von den vier Talern, die er ihr einst zugesteckt hatte .
Liebe. War es das, was sie in diesen frühen Morgenstunden den Dammelsberg hinauftrieb? Oder eher die Angst, dass der Ludwig doch nicht zu ihr stand?
Mit einem unehelichen Kind konnte sie nirgendwo mehr eine Stelle bekommen. Kein Haus würde sie beschäftigen wollen. Und ohne Arbeit, kein Lohn und keine Bleibe. Und doch hatte sie es, wenn sie ehrlich war, auch ein bisschen darauf angelegt. Denn jetzt musste er der Hochzeit zustimmen, unbenommen, was die Alte sagte. Diese zänkische, böse Frau. »Hinkel«, hatte sie ihr abfällig nachgerufen, »mach, dass du mir aus den Augen kommst!« Genauso hatten sie die Kinder früher in der Schule gerufen. Nicht nur wegen ihres Hinkebeins, sondern weil alle sie schon immer für dumm hielten. Dabei war sie alles andere als ein Hohlkopf. Sie würde es den Ockershäusern noch zeigen, die sie ablehnten, seit sie am 6. August 1837 ihren ersten Schrei getan und ihre unverheiratete Mutter in Misskredit gebracht hatte .
Sie hatte sich vorgenommen, das Herz des Schuhmachers Hilberg zu erobern und sich als Ehefrau im Hettche-Haus einzunisten – dort, wo er schon immer mit der Mutter lebte. Immerhin: Sie, Dorothea Wiegand, trug sein Kind unter dem Herzen. So würde er sie zur Frau nehmen müssen.
Und schlau hatte sie das eingefädelt, als sie im April ihre Arbeit dort aufgenommen und ihm schöne Augen gemacht hatte. Sobald die Mutter morgens aus dem Haus gewesen war, hatte Ludwig mit ihr gescherzt. Dieser schöne Mann mit dem dichten, schwarzen Haar und dem festen Griff. Es schauderte sie jetzt noch, wenn sie daran dachte, wie er sie an sich gedrückt hatte. Bald. Bald würde es wieder so sein wie im Frühjahr. Nur dann offiziell als Mann und Frau. Ob sie heute endlich den Heiratsantrag bekommen würde, auf den sie seit Wochen wartete? Sie wusste, dass auch er viel für sie empfand. Hätte er sie sonst heute an einen so romantischen Ort gelockt? Mitten in den Wald, wo nur ab und zu ein Forstläufer vorbeikam oder ein Student auf dem Weg zum Festplatz? Er hatte einen feinen Sinn für so was, der Ludwig. Er würde den Antrag dem Anlass gebührend feierlich gestalten .
Schnell, voran, es musste schon acht Uhr durch sein, so hoch wie die Sonne stand. Und sie würde es sich nie verzeihen, zu ihrem Antrag zu spät zu kommen. Seit sie den Ludwig heute Morgen in der Frühe gesehen hatte, schlug ihr Herz kräftig. Gleich nach dem Aufwachen war sie zu ihm gelaufen, um ihre Schuhe zum Beschlagen zu bringen. Das war nur ein Vorwand gewesen, weil sie sich nichts sehnlicher wünschte, als ihn wiederzusehen. Wie gestern schon, als er nicht zu Hause gewesen war und sie ihn zufällig auf der Barfüßer Straße mit dieser Regine Dörr gesehen hatte, die ihr hinterhergespuckt hatte. Und vorgestern, als er die Tür nicht geöffnet hatte, obwohl er ganz offensichtlich zu Hause gewesen war. Seit dem 22. August wusste er von dem Kind und hatte sich seither nicht freudig geäußert. Das tat weh. Das gab einen Stich ins Herz. Selbst als sie mit hohem Fieber im Landeskrankenhaus gelegen hatte, war er nicht vorstellig geworden. Dabei hatte er sich doch sicher auch nach ihr verzehrt. Ob er Angst vor dem Gerede der Leute hatte? Oder vor dem Groll der Mutter? Oder gab es die Verlobung wirklich, von der alle redeten? Mit dieser Regine aus Bauerbach. Dann war Eile geboten. Von wegen Hinkel. Sie, die Dorothea, fand immer Mittel und Wege, ans Ziel zu kommen. Ihr Bauch war schon stattlich, der Arzt hatte ihr bestätigt, dass sie bereits in der 20. Woche sei. Das Kind würde in weniger als fünf Monaten zur Welt kommen. Ludwig hatte die Wölbung nur entsetzt angestarrt. Dann aber das Treffen oben am Dammelsberg unter der großen Eiche vorgeschlagen .
Kurz blieb sie stehen, um Luft zu holen. Ehrfürchtig befühlte sie den Elisabeth-Taler, den sie an einer silbernen Kette um den Hals trug. Unter heißen Liebesschwüren hatte er ihr die Kette umgelegt. Und sie angefleht, das Kind wegmachen zu lassen. Darauf war sie nicht eingegangen, das Medaillon hatte sie aber natürlich behalten. Es zeigte die Heilige Elisabeth mit Krone, Heiligenschein und dem Modell einer Kirche in der rechten Hand. Es war das Einzige von Wert, das sie besaß und jemals besessen hatte, und sie würde es ihrem Kind irgendwann mal vererben. So würde es beschützt sein ein Leben lang .
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