Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Katharina immer geglaubt, sich verhältnismäßig viel Mühe mit ihrer Toilette zu geben und auch jederzeit über den neuesten Stand der jeweiligen Mode informiert zu sein, musste aber nun staunend einsehen, wie viel mehr sie auf diesem Gebiet allein an diesem Nachmittag dank der neuen Zofen dazulernte.
Und Katharina musste zugeben, auch das Ergebnis all der Bemühungen um sie herum gefiel ihr.
Sie hatten ein altrosafarbenes Kleid gewählt, welches ganz wunderbar mit dem Silberschmuck harmonierte, den Katharina als Erbstück von ihrer Mutter bekommen hatte. Ihre Haare waren zu Locken gedreht und auf eine Art am Kopf festgesteckt, wie weder sie noch Leni es bis dahin je praktiziert hatten. Sie konnte sich zwar nicht vorstellen, jetzt Tag für Tag einen solchen Aufwand zu betreiben, doch als sie sich das erste Mal im Spiegel sah, war sie selbst über ihr Aussehen begeistert. Allerdings verkrampfte sich ihr Magen sofort, wenn sie nur daran dachte, wie es nun weitergehen würde. Ihr war mit knappen Worten mitgeteilt wurden, dass sie den schwedischen König aus seinen Gemächern abzuholen hatte, um ihm den Ablauf des Abends sowie den der nächsten Tage des Festivals zu erläutern und dann als seine Begleitung den Abend an seiner Seite zu verbringen.
Ursprünglich hatte Katharinas Plan für den Festauftakt darin bestanden, sich nur kurz blicken zu lassen, um dann Unwohlsein vorzutäuschen und sich wieder so schnell wie möglich in ihr ruhiges Gemach zurückzuziehen. Das war natürlich nun alles nicht mehr möglich, aber das war bei weitem nicht das Schlimmste. Es war ihr völlig unklar, welches Verhalten von einer Begleiterin bei einem solchen Gast unter Umständen noch erwartet oder gar vorausgesetzt wurde und sie hatte auch nicht gewagt, danach zu fragen. Mittlerweile kribbelte es in ihrem Magen, wenn sie nur an den Schwedenkönig dachte. Sie hatte diese Art Gefühl bis dahin noch nie so intensiv erlebt und bei aller gleichzeitig vorhandener Angst war es auch sehr aufregend und schön und versetzte Katharina in eine Art nervöse Vorfreude auf das erneute Zusammentreffen.
Katharina sprach sich noch einmal Mut zu und klopfte dann an die Tür. Sie hatte erwartet, dass ein Page ihr die Tür öffnen würde, stattdessen ertönte ein fröhliches
„Nur hereinspaziert“.
Zaghaft drückte sie die Türklinke herunter und trat ein.
Noch an der Tür blieb sie zögernd stehend.
Der schwedische König stand, nur bekleidet mit einem weit geöffneten weißen Hemd, einer engen schwarzen Hose sowie seinen Stiefeln vor einem großen Spiegel und beendete gerade seine Rasur. Er sah außerordentlich attraktiv aus und Katharina spürte, wie ihr bei seinem Anblick das Blut in die Wangen schoss.
„Entschuldigt bitte, offensichtlich bin ich zu früh. Ich komme gern etwas später wieder...“
Sie wollte schnell wieder zur Tür hinausschlüpfen, als er rief:
„Nein, nein – bleibt bitte hier. Ich bin gleich fertig.“
Unsicher schloss sie die Tür hinter sich und sah zu, wie er mit seinem Rasiermesser über die letzten schaumigen Reste in seinem Gesicht strich. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel und er grinste sie an.
„Na was sagt Ihr nun, so schnell sieht man sich also wieder, Katharina! Damit habt Ihr doch mit Sicherheit nicht gerechnet, oder...?“
Nachdem er die ganze Zeit nicht ein einziges Mal auch nur angedeutet hatte, dass sie beide schon miteinander bekannt waren, trafen seine Worte Katharina nun völlig unvorbereitet.
Nun völlig verwirrt schüttelte sie den Kopf.
„Nein, ganz im Gegenteil.“
„Jetzt kommt doch erst einmal herein und nehmt Platz. Bitte...“
Der Schwede wies mit seiner Hand auf einen schön geschwungenen Sessel, der einladend neben einer Ottomane und einem geschmackvollen Tisch im französischen Stil in der Mitte des hellen Raumes stand. Zögernd folgte Katharina seiner Aufforderung und schaute sich zunächst unsicher im Zimmer um, bevor sie sich schließlich auf dem Sessel niederließ. Offensichtlich hatte Karl XII. das mit Abstand beste Gemach erhalten, welches August auf Moritzburg bieten konnte. Es war sehr teuer und auch stilvoll eingerichtet und Katharina musste innerlich lachen bei dem Gedanken, welcher von Augusts sonstigen Ehrengästen es wohl hatte zähneknirschend für den schwedischen König räumen müssen.
Der wusch und trocknete sich mittlerweile sein Gesicht ab und steckte dann sein Hemd sorgfältig in die Hose. Dann drehte er sich zu ihr hin und zwinkerte ihr zu.
„Ich wette, ich habe Euch heute einen gehörigen Schrecken eingejagt, Katharina...Ihr habt doch hoffentlich nichts dagegen, dass ich Euch weiter bei Eurem Vornamen nenne, zumindest wenn wir allein sind. Das gilt natürlich auch andersherum für meinen Namen. In Schweden legt man auf Titel und Förmlichkeiten weniger Wert als ihr hier in Sachsen und außerdem kenne ich Euch nun einmal unter diesem Namen bereits viel länger...“
Katharina war noch viel zu angespannt, um auf seinen fröhlichen Ton eingehen zu können.
„Bitte nennt mich ganz so wie es Euch beliebt. Und dass ihr mir mit Eurem Auftauchen hier einen gehörigen Schreck eingejagt habt, davon könnt Ihr ausgehen!“
Er lachte.
„Das war wirklich nicht meine Absicht. Doch ich konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen, mir dieses hochgelobte Fest einmal aus der Nähe anzusehen. Aber bitte entschuldigt, ich bin schon wieder ein schlechter Gastgeber… darf ich Euch ein Glas Rotwein anbieten? August hat mir eine Flasche dieses vorzüglichen Weines freundlicherweise überlassen und ich kann ihn Euch nur empfehlen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen so guten Tropfen genießen durfte. Guten Geschmack kann man meinem Cousin, nach allem, was ich bisher hier am Hof sehen und genießen durfte, keinesfalls absprechen.“
„Nein, danke! Ich möchte jetzt keinen Alkohol.“
Bedauernd schüttelte Karl den Kopf und schenkte sich selbst noch ein wenig von dem Wein nach.
„Euch entgeht etwas, das kann ich Euch versichern.“
Mit einem tiefen Blick in die Augen prostete er ihr zu und nahm einen Schluck.
„Ich muss Euch übrigens ein Kompliment machen. Ihr seht heute noch bezaubernder aus, als ich Euch von Eurem Besuch in meinem Lager in Erinnerung hatte.“
Verlegen werdend schaute Katharina zur Seite. Es war ihm deutlich anzumerken, dass er schon mehr als nur ein halbes Glas getrunken hatte und sie fühlte sich nun in seiner Nähe überhaupt nicht mehr so wohl, wie es damals im Lager der Fall gewesen war, auch wenn er ihr dort ebenfalls Komplimente gemacht hatte. Ganz im Gegenteil, zum ersten Mal überhaupt wünschte sie sich jetzt fast lieber in den mit vielen Menschen gefüllten Ballsaal als hier weiter allein mit dem Schwedenkönig zu sein. Ihr fiel nun auch wieder ein, dass August während der Schlossbesichtigung auch den Weinkeller nicht auslassen wollte, ihre Anwesenheit war zu dem Zeitpunkt aber zum Glück bereits nicht mehr notwendig gewesen. Ganz offensichtlich hatte der stolze und zu jeder Gelegenheit trinkfreudige Gastgeber seinem Gast reichlich einschenken lassen.
Energisch erhob sie sich, bemüht, seinem sie noch immer taxierenden Blick auszuweichen.
„Ich denke es ist an der Zeit, dass wir uns so langsam in den Festsaal begeben…!“
„Warum die Eile? Der Ball beginnt doch gewiss noch nicht gleich und ich wollte gern noch ein wenig allein mit Euch plaudern, bevor wir uns dann wieder inmitten der vielen Leute befinden. Nehmt doch bitte noch einmal für einen Augenblick Platz, ich möchte Euch etwas fragen…“
Er wartete, bis sie zögernd erneut seinen Worten Folge geleistet und sich wieder gesetzt hatte, dann beugte er sich zu ihr vor, sein Blick unergründlich.
„Was mich gerade wirklich interessiert ist Eure Meinung zu meinem spontanen Moritzburg-Besuch! Ist es in Euren Augen ein Heldenstück oder eher eine unglaubliche Dummheit? Und was meint Ihr, könnte mich dazu veranlasst haben?“
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