Für Reisende ab 10 Jahren
von Marlene Lytke
Inhaltsverzeichnis
1 Was bisher geschah
2 Kapitel: Auf dem Golfplatz
3 Kapitel: Abseits der Ringstraße
4 Kapitel: Gefangen
5 Kapitel: Abseits der Ringstraße
6 Kapitel: Reykjavik 1
7 Kapitel: Entfesselt
8 Kapitel: Reykjavik 2
9 Kapitel: Flucht
10 Kapitel: Flucht 2
11 Kapitel: Aftartunga
12 Kapitel: Alles andere als eine Versöhnung
13 Epilog
Die Ereignisse, die sich in Albern am Buckel abgespielt hatten, lagen nun schon ein paar Monate hinter Adele und ihren 4 Katzen. Adele saß gelangweilt in einer kleinen Holzhütte, die unweit eines kleinen Kiefernwaldes am Rande von Novosibirsk stand. Sie blätterte in wochenalten Zeitschriften und betrachtete die Hochglanzfotos des Stadtparks von Albern am Buckel.
Der Park, den Adele mit Hilfe ihrer 4 Katzen, ihrer russischen Tante Olga und deren ewig schlechtgelaunten Kater Duma Dumaschewsi in Albern am Buckel angelegt hatte, war fertig gestellt. Wunderschön war der Park geworden, elegant schlängelten sich rotgepflasterte Wege unter Alleen prächtiger Bäume. In ein paar Jahren würde sich niemand mehr daran erinnern, dass eine Zaubergärtnerin es in nur 3 Nächten geschafft hatte, das Bauprojekt des Bürgermeisters zu stoppen und so der kleinen Stadt in Deutschland den wundervollen Stadtpark zu erhalten.
Adele seufzte, während Minzer neben ihr auf der Ofenbank lag. „Fett bist du geworden“, sagte sie und streichelte sein blaues Fell. „Zu wenig los in Novosibirsk, was?“ Minzer döste ungerührt und ohne Antwort zu geben. Sie blätterte weiter und warf die Zeitschrift dann traurig zu Boden. Auf dem Küchentisch lag der getigerte Kater Minx Munx und starrte auf Tante Olgas Hände, die eine Masse aus klebrigem Teig kneteten. „Was los, Adelschiki?“, fragte Tante Olga und leckte sich dabei den Teig von den dicken Fingern. Dabei fiel ein Stück des Teigs auf den Boden und der sonst so schüchterne Kater Minx Munx sprang sofort hinterher, um die süße Speise aufzulecken.
„Was soll schon los sein?“, erwiderte Adele müde. „Mir ist langweilig.“ Sie machte eine Pause und konnte eine Träne nur mühsam unterdrücken. „Ich will nach Hause“, klagte sie leise, kaum hörbar. „Mir fehlt mein zu Hause. Ich will nach Albern am Buckel, in mein schönes kleines schmales Haus. Hätte ich doch nur nie diesen dummen Park gebaut!“ Wütend erhob sie sich.
„Adelschiki, jammere nicht! Ich rede mit Onkel Igor. Vielleicht kannst du noch etwas für ihn bauen. Seit du Garten für ihn scheen gemacht hast, is er sehr glücklich unn außerdem, du bist jetzt reiche Frau!“ „Tante Olga, Geld nützt mir nichts, wenn ich nicht dahin kann, wo ich am liebsten wäre.“ „Kind, ja snaju, ich weiß, aber du machen kannst gar nix. Denk doch mal nach. Du hast Geld wie Heu, kannst überall hingehen, wo du willst!“ Rastlos lief Adele in der kleinen Küche auf und ab. „Hier, iss erst mal was!“, versuchte Tante Olga ihre Nichte zu trösten und schob ihr eine heiße Pirogge hin. Noch ehe Adele zufassen konnte, hatte sich bereits Minx Munx auf die Pirogge gestürzt. Gierig schlang er und erwartungsgemäß verbrannte er sich das Maul dabei. Er sprang entsetzt davon. „Verfressen sind deine Katzen“, meckerte Tante Olga. „Fressen einem die Haar von Kopf. Warte ich gebe dir eine neue Pirogge.“
„Olga!“, Adele brüllte fast. „Ich will keine Pirogge! Ich will auch keine Bortsch oder irgendwas anderes aus roter Bete. Auch keine Lammkottelets oder heißen Tee! Mir ist der Appetit vergangen. Ständig soll ich essen. Das nervt.“
Mit einem heftigen Ruck trat Adele vor einen Hocker, der mit lautem Krachen umfiel. Olga stemmte die Hände in ihre üppigen Hüften. „Kind, jetzt is aber genug! Du musst weg hier, mach Reise, das hilft!“ Einen Handgriff später hatte Tante Olga ein dickes, großes Buch in der Hand und warf es Adele zu. „Atlas!“, sagte sie bestimmt. „Such dir aus, wo du hinwillst, los! Welt is groß.“
Adele stand ratlos um sich blickend auf dem 17. Loches des Golfplatzes von Vestamanneyjar, der südlichsten Insel Islands. Sie versuchte ihren Golfball zu finden, den sie einige Minuten zuvor quer über den Platz geschossen hatte. Offenbar war dieses Vorhaben schief gegangen, denn der kleine, weiße Golfball war nirgends zu sehen. Geduldig suchte Adele zwischen den dunklen Felsspalten des Lavagesteins.
Jemand räusperte sich hinter ihr. „Na, hast du´s endlich geschafft, mich einzuholen?“, fragte Adele mit einem knappen Seitenblick auf die am Boden schleifende Wampe ihres korpulenten Katers, der auf den Namen Minzer hörte und sprechen konnte. „Sehr witzig. HA! HA!“, erwiderte Minzer und legte sich ohne ein weiteres Wort quer auf den Rasen der Abschlagfläche des 17. Loches, um sich auszuruhen. „Hast du mal nach unten gesehen?“, fragte er betont lässig. Adele´ s Blick wanderte über den Rand des Golfplatzes, doch da war nichts, außer schwarze Felsen und strahlend blauer Himmel. Mit vorsichtigen Schritten tastete sie sich über die scharfkantigen Steine bis zum Rand der Steilküste. Meterhohe Wellen tobten tosend gegen den Fels. Sie blickte hinab in den schwindelerregenden Abgrund und zog sich hastig zurück. „Nun weißt du, wo dein Golfball ist!“, sagte Minzer gähnend und ein wenig schadenfroh.
„ Und 1000 andere Golfbälle auch “, lächelte er im Stillen, während er liegend die selten so warmen isländischen Sonnenstrahlen genoss. „ Was musste es auch Island sein “, dachte er träge.
Überall hätten sie hinfahren können. Die Welt stand ihnen offen, nachdem Adele von Tante Olga´ s Freund Igor Igorowitsch aus Novosibirsk für die Verschönerung seines riesigen Gartens ein hübsches Sümmchen in Dollar bekommen hatte. Igor war in den langen Monaten in Novosibirsk ein guter Freund geworden und tat praktisch alles für Adele; hatte sie es doch geschafft, dass in seinen Gewächshäusern nun Orangen- und Zitronenbäume wuchsen. Seinen Garten zierte ein Olivenbaum, der auf Grund des kalten sibirischen Klimas mit einer Fußbodenheizung ausgestattet worden war. Igor besaß dank Adele nun den schönsten Garten Sibiriens, und mit dem vielen Geld von Igor hätten er und Adele beispielsweise nach Brasilien fahren können, zur Fußball WM.
Mehr als alles auf der Welt liebte Minzer Fußball und träumte vom Finalspiel, das er sich schlussendlich im Fernsehen hatte ansehen müssen. Sehnsüchtig zuckten bei dem schönen brasilianischen Tagtraum seine Pfoten im Halbschlaf. Er summte kaum hörbar die Melodie zum WM-Song „ Atemlos durch die Nacht .“ „ Kanada wäre auch schön gewesen “, träumte er weiter. „ Mal so eine kanadische Luchsfrau kennenlernen und gemeinsam einen Schneeschuhhasen verspeisen, ja, das wäre wirklich schön gewesen .“ Ein wohliges Wabern wanderte durch Minzer´ s Körper, seine Beine zuckten dabei im Halbschlaf.
Minzer war durch seine Studien überzeugt davon, dass die kanadische Luchsfrau ihm eine gute Gefährtin gewesen wäre. Das Gewicht der Luchsfrau stimmte jedenfalls; er hatte, genau wie eine Luchsfrau, gut 12 kg auf den Rippen.
Minzer übersah dabei geflissentlich, dass ein kanadischer Luchs das doppelte seiner Größe Maß, denn er war einfach nur eine europäische Hauskatze. Allerdings eine blaue europäische Hauskatze, wie man neidlos zugestehen musste und damit sehr selten. „ Nein! “, dachte Minzer und schüttelte sich angewidert, während er erwachte. Es hatte dieses triste, ungemütliche Island sein müssen. Eine Insel südlich des Nordpolarkreises, auf der es nichts gab, außer schwarzbraune, qualmende Gebirge und wollige, blökende Schafe nebst Schafkacke.
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