„Ich habe gerade nachgesehen, was du zum Essen hast. Nämlich nichts. Was darfst du oder kannst du essen? Ich gehe dann rasch einkaufen.“
„Mach dir keine Umstände. Wir werden etwas bestellen.“
„Nein, Alfons! Wir werden nichts bestellen! Jetzt bin ich da und werde für dich kochen. Nur musst du mir sagen, was du essen sollst.“
Alfons sah mich verwundert an, denn ich hatte das Kommando übernommen. Hilfesuchend sah er zu Adolf. Der zuckte nur mit den Schultern.
„Ich darf alles essen. Außer Milch, die vertrage ich derzeit nicht.“
„Und was willst du zum Mittagessen?“
„Das bestellen wir vom Catering.“
„Nein, Alfons! Ich habe gesagt, ich koche für dich, was gesund ist für dich. Du brauchst viele Vitamine, so wie du aussiehst.“
Er sah wieder Adolf an.
„Sieh mich nicht an! Ich stelle mich ihr nicht in den Weg. Und außerdem hat sie recht.“
Und zu mir gewandt sagte er: „Was brauchst du? Ich hole dir alles und du bleibst bei diesem Sturkopf.“
Ja, er war ein Sturkopf. Adolf hatte das bemerkt, aber er hatte zwar nicht einen größeren, dafür einen stärkeren. Er wollte es trotzdem versuchen, allein auf die Toilette zu gehen. Doch es funktionierte nicht.
So nahm Adolf ihn unter seinen Arm und trug ihn bald mehr, als er ging. Da er schon seit Mittwoch lag, wollte er sich duschen. Da musste Adolf ihm auch noch helfen. Alfons drehte sich dann um, dass er sich allein duschen konnte, ohne Zuschauer. Sein Körper war abgemagert, das hatte er sofort bemerkt. Er wollte es keinem zeigen, doch er war krank. Nur sagte er nichts. Zu niemandem. Er hatte leider keine Familie. Er hatte nur Angestellte. Und Annabell. Sie war die beste Freundin, die er sich suchen hat können.
Adolf war irgendwo in Gedanken kurz weg gewesen. Dann sah er mich wieder an und ich sagte ihm, dass ich fürs Frühstück Toast, Schinken, Käse, Butter und Eier brauchte. Er grinste und sagte: „Bin gleich da. Wirf den Toaster schon an.“
Leider fand ich keinen und rief Adolf an.
„Es tut mir leid, kann keinen Toast machen, weil es so etwas hier nicht gibt.“
„Bin gleich da“, sagte er und legte auf.
Fünf Minuten später kam er voll bepackt zur Tür herein. Ich half ihm sofort mit den Lebensmitteln.
„Wo hast du das so schnell herbekommen? Und einen Toaster hast du auch?“
„Alles von mir. Was soll ich auch viel für mich kochen? Und Toast geht schnell“, grinste er mich verlegen an.
„Hast du eigentlich schon gefrühstückt?“
„Nein, bin gleich zu euch gekommen.“
„Gut. Deck den Tisch im Wohnzimmer.“
Er sah mich verwundert an. Ich drehte mich um und nahm drei Teller aus dem Schrank. Den Kaffee machte ich nebenbei und Adolf trug ihn zum Tisch. Heute mussten wir alle ohne Milch auskommen. Besonders Alfons. Adolf trank seinen Kaffee oft ohne Milch, ich musste mich erst daran gewöhnen. Zucker brauchte keiner. Zum Toast machte ich noch Spiegeleier, falls Alfons der Toast zu schwer war. Der saß brav im Wohnzimmer, ließ sich bedienen und sah unserem Treiben zu. Schnell waren die Toasts fertig, und wir konnten frühstücken. Alfons langte gut zu. Das wunderte mich. Hauptsache, er hatte Hunger. Es schmeckte allen.
„Annabell, das war das beste Frühstück, das ich jemals gegessen habe“, meinte er zum Schluss.
Er hatte zwar nur einen Toast, dafür aber zwei Spiegeleier gegessen. Adolf dafür drei Toasts. Ich aß zwei, weil ich auch solchen Hunger hatte.
„So, jetzt haben wir dir dein Frühstück weggegessen“, meldete sich Alfons zu Wort.
„Ich kann mir wieder was kaufen. Außerdem schickt mich Annabell gleich zum Einkaufen, und dann kann ich für morgen auch etwas kaufen.“
„Aber ich zahle! Ihr habt ja den Rest der Arbeit. Das ist wenigstens ein kleiner Teil, den ich dazu beitragen kann. Und keine Widerrede!“, sagte er zu mir.
Dagegen konnte man nichts sagen. Ich schrieb Adolf alles auf. Falls er nicht wusste, was er genau nehmen sollte, konnte er mich ja noch anrufen. Da nichts vorhanden war, wurde es ein großer Einkauf. Wir brauchten ja auch noch etwas für den Abend. Die Liste wurde lang, denn ich schrieb natürlich auch noch Obst und Gemüse dazu. Während Adolf einkaufen ging, setzte ich mich nach dem Abwasch zu Alfons.
„Willst du mir nicht etwas erzählen?“, fragte ich ihn sofort.
Er sah mich erstaunt an und meinte: „Nein, es ist noch nicht die Zeit dafür, aber bald. Dann erzähle ich dir alles. Oder fast alles. Und du musst mir helfen dabei.“
„Ich werde dir helfen, wobei auch immer“, und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
Er quittierte das mit einem Lächeln.
„Ich hoffe doch, dass du mir helfen wirst. Du bist mir ja zur rechten Zeit geschickt worden.“
Jetzt sah ich ihn überrascht an und wollte etwas sagen. Er legte mir seine Finger an den Mund.
„Nicht jetzt!“, und sah mich mit traurigen Augen an.
Dann zog er mich zu sich und wir kuschelten. Er legte seinen Kopf auf meinen. Nach ein paar Minuten hörte ich seine ruhigen Atemzüge. Ich traute mich nicht zu bewegen. Aber ich sollte etwas vorbereiten. Nach einer Weile legte er seinen Kopf auf die andere Seite. Jetzt konnte ich aufstehen. Ich sah ihn an. Er sah wirklich nicht gut aus. Was hatte er? War er so schwer krank, dass er … Nein! Diesen Gedanken wollte ich nicht weiterdenken. Ich hoffte und betete für ihn, dass er wieder gesund werden würde. Mein letztes Gespräch mit Gott war auch schon lange her. Aber ich dankte ihm oft mit Kleinigkeiten, dass es mir gut ging. Half anderen, wenn sie Hilfe brauchten. Das war ja der Sinn, oder?
Leise versuchte ich, Geschirr aus den Laden zu holen. Die Küche war gut eingerichtet, nur hatte wahrscheinlich noch nie einer hier gekocht. Ich musste das meiste Geschirr erst mal abwaschen. Dann hörte ich etwas. Brauchte Alfons mich? Nein, es war Adolf der mit dem Einkauf kam. Sogar der Portier half ihm, die Lebensmittel rauf zu tragen. Hatte ich wirklich so viel aufgeschrieben? Sie versuchten leise zu sein, und brachten alles in die Küche. Da es aber eine offene Küche war, hörte man jedes Geräusch bis ins Wohnzimmer. Auch dann, wenn man leise war. Der Portier ging gleich wieder. Ich sah den Einkauf durch und verstaute alles im Kühlschrank und in den noch leeren Schränken. Adolf hatte etwas mehr gekauft, als ich aufgeschrieben hatte.
„Ich habe schon etwas für Sonntag vorgekauft, damit ich morgen nicht so viel schleppen muss“, grinste er mich an.
„Was habt ihr da hinten zu tuscheln?“, fragte Alfons.
Er war wieder wach.
„Hello, mein Lieber! Wie geht es dir?“, fragte ich, stellte ihm eine Flasche Mineralwasser mit einem Glas hin und schenkte auch gleich ein.
„Der Arzt sagte, du sollst viel trinken. Bitte.“
Er sah mich an und meinte: „Ja, Schwester.“
Ich musste lachen, denn mir kam es so vor, als hätte ich jetzt eines meiner Kinder vor mir, als sie krank waren. Dann ging ich in die Küche zurück. Adolf half mir beim Kochen. Er war zwar nicht perfekt, aber er wollte es lernen. Denn ich machte Spagetti. Und die aß er auch gerne und wollte sie für sich allein auch machen. Diesmal deckten wir den Esstisch.
Alfons bat Adolf, ihn auf die Toilette zu begleiten. Er hatte schon brav die halbe Flasche ausgetrunken. Wenn man die beiden so ansah, waren sie sehr vertraut. Mich irritierte nur, dass beide die gleiche Augenfarbe und denselben Ausdruck hatten. Manchmal taten sie dasselbe. Ich wischte diesen Gedanken sofort weg und kochte weiter. Ich machte auch einen frischen Salat dazu. Adolf hatte mir einige Päckchen Suppen mitgebracht. Es war mir egal, welche, Hauptsache genug für drei Tage und für drei Personen. Also hatte er alle doppelt genommen. Sieben Sorten! Da sich Adolf genauso um Alfons sorgte wie ich, war es selbstverständlich, zumindest für mich, dass er auch mit uns aß. Alfons hatte auch nichts dagegen, im Gegenteil. Er war froh, dass er auch hier war. Pünktlich um 12 Uhr stand das Essen auf dem Tisch. Alfons ging da schon allein, oder versuchte es zumindest. Ich freute mich, dass es ihm schmeckte und er Hunger hatte.
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