„Träume ich jetzt schon von meinem Schatz?“
„Nein, du träumst nicht“, und strich ihm über die Stirn.
Fieber hatte er nicht. Also hatte er sich ordentlich verkühlt. Aber wo? Er schloss die Augen, öffnete sie wieder.
„Du bist ja immer noch da.“
„Ja sicher!“
„Also träume ich nicht?“
„Nein, mein Schatz, du träumst nicht.“
Er lächelte und sagte etwas, das mich nachdenklich werden ließ.
„Er hatte recht. Die Tabletten können mich kurzzeitig aus dem Verkehr ziehen. Aber ich muss da durch, … für dich … für mich … und meinen Sohn.“
Konnte man ohne Fieber auch im Delirium sein? Er schien wieder zu schlafen. Ich huschte rasch aus dem Zimmer.
„Wie geht es ihm?“, fragte Adolf besorgt.
„Ich weiß nicht. Er scheint auch ohne Fieber in einem Delirium zu sein. War schon ein Arzt da?“
„Ja, gestern am Abend und heute in der Früh. Er sollte jetzt wiederkommen.“
Wie aufs Stichwort klopfte es. Adolf ließ den Arzt rein. Er begrüßte ihn.
„Ist er immer noch so ein Sturkopf und will nicht ins Spital?“
„Ja. Ich glaube, Sie kennen ihn besser.“
Dann erblickte er mich.
„Wer ist sie?“, fragte der Arzt argwöhnisch.
„Das ist Annabell, äh, Frau Klaus“, korrigierte Adolf sich sofort.
Jetzt sprangen seine Augenbrauen hoch. Wusste er von mir? Was wusste er? Er ging sofort ins Schlafzimmer und kam erst eine halbe Stunde später wieder raus.
„Er wird jetzt einige Zeit schlafen. Geben Sie ihm, wenn möglich, viel zu trinken. Morgen wird es ihm schon besser gehen. Ich komme dann im Laufe des morgigen Tages wieder. Auf Wiedersehen.“
Er wollte schon wieder gehen.
„Herr Doktor! Was ist mit ihm? Wollen Sie uns das nicht sagen?“
„Nein darf ich leider nicht. Ärztliche Schweigepflicht! Und leider sind Sie beide nicht mit ihm verwandt“, und sah in dem Moment auf Adolf.
Dann drehte er sich um und ging. Ich sah sofort nach Alfons. Er schlief, wie der Doktor gesagt hatte. Ich nahm mir einen Stuhl und setzte mich zu ihm. Adolf konnte leider nichts tun. Er wünschte mir eine gute Nacht. Und wenn ich Hilfe benötige, solle ich ihn rufen. Dann ging er. Er war auch besorgt um Alfons. Obwohl er nur sein Chauffeur war. Irgendwann musste ich dann am Bett des Kranken eingeschlafen sein.
Alfons
Der Arzt war da und hatte mir wieder eine aufbauende Spritze gegeben. Nur das machte mich immer so müde. Dr. Wilmer hatte recht behalten. Diese Tabletten waren stärker und würden mich eine Zeit lang niederstrecken. Zuerst würde der Appetit angeregt werden, und dann mein Körper. Jetzt war es so weit. Ich hoffte nur, Dr. Kröger würde sich nicht verplappern. Das durfte er gar nicht. Ich wollte es entscheiden, wann ich es allen sage. Aber vorher musste ich noch etwas regeln. Eine Entscheidung wurde mir schon abgenommen. Die zweite musste ich noch fragen. Und die dritte würde sich hoffentlich allein erledigen … nach meinem Tod.
Annabell war da. Das freute mich so sehr. Auch wenn wir nirgends hinflogen oder hinfuhren. Sie war für mich da, nur für mich. Und nicht nur, weil ich Geld hatte. Ja ich hatte genug Geld, konnte es aber rechtlich keinen hinterlassen. Mit meinem Anwalt hatte ich etwas ausgetüftelt. Dazu war mir dann noch Annabell in den Schoß gefallen, gerade zur rechten Zeit. Ob sie dabei mitmachen würde? Sich für diese kleine Scharade hergeben wird? Mir aus der Not helfen und meinem Kind das Erbe geben, das ihm zusteht? Ich hatte so viel falsch gemacht in meinem Leben. Jetzt hatte ich nicht mal genug Zeit, alles zu erledigen. Ich hoffte, dass ich noch so lange leben würde, um das Wichtigste zu regeln. Diese Tabletten sollten mir helfen dabei. Doch die machten das Gegenteil von dem, was ich wollte.
Adolf und Annabell. Das wäre ein gutes Gespann! Beide sorgten sich um mich. Jeder aus einem anderen Grund, oder doch aus dem gleichen? Ich konnte jetzt nur schlafen, damit mein Körper sich erholt. Dr. Kröger meinte, ich solle es wenigstens meinen engsten Mitarbeitern erzählen. Oder wenigstens dieser Frau, von der ich ständig erzählte, und die mir schon sehr ans Herz gewachsen war. Dr. Kröger wusste sofort, wer sie war, als er sie sah und der Chauffeur ihren Namen sagte. Ja, sie war etwas Besonderes. Eine andere wäre meinem Ruf nicht gefolgt, wenn es mir so schlecht geht. Die anderen wollten nur viel Geld abschöpfen.
Josef
Herr von Behringen hatte ihm von ihr erzählt. Zuerst dachte er auch, dass sie so eine wäre. Aber in ihren Augen war eine große Besorgnis. Und er als Arzt durfte es ihr nicht sagen! Auch nicht dem Chauffeur, den er genauso ins Herz geschlossen hatte. Er wusste warum, durfte aber niemandem etwas sagen. So lag er jetzt da und sein Körper kämpfte, damit er noch den Rest erledigen konnte. Er hoffte für ihn, das alles so klappt, wie er sich das vorstellt.
Alfons
Am Morgen wachte ich auf und wusste nicht, wieso meine Hand schwer und heiß war. Ich konnte sie weder hochheben noch bewegen. Als ich daran zog, merkte ich, dass jemand auf meiner Hand lag. Es war Annabell, die sofort wach wurde und mich besorgt ansah. Ich wusste nicht, dass ich heute so ein Strahlen um mich hatte.
Annabell
Durch ein Zucken wurde ich wach. Alfons war wieder wach. Und er sah heute schon sehr frisch aus. Wie lange würde es anhalten? Was war mit ihm los?
„Guten Morgen, Langschläfer“, sagte ich gut gelaunt.
„Guten Morgen, Annabell. Schön, dass du da bist. Aber warum schläfst du nicht in deinem Zimmer?“
„Weil ich es sonst nicht mitbekomme, wenn es dir schlecht geht oder du wach wirst.“
Ich streckte mich mal kurz durch. Alfons setzte sich inzwischen langsam auf. Dann zog er die Decke weg und wollte aufstehen.
„Was hast du jetzt vor?“, fragte ich sofort erschrocken und besorgt.
„Wonach sieht es denn aus?“
„Du wirst jetzt doch nicht aufstehen wollen?“
„Doch! Denn ich muss dringend wohin.“
„Oh!“
Was sollte ich jetzt dagegen sagen? Als er versuchte, aufzustehen, wurde es ihm schwindlig. Ich hielt ihn sofort zurück.
„Du gehst nicht allein auf die Toilette!“
„Und wer sollte mitgehen?“
„Ich natürlich!“
Er sah mich überrascht und verwundert an.
„Nein. Das wirst du nicht. Hole bitte Adolf.“
Adolf war immer noch besser als allein. Wenn er schon mit mir nicht gehen wollte.
„Du bleibst aber sitzen!“
Ich ging raus und rief Adolf an. Der hob aber leider nicht ab. Schlief er noch? Oder war er unter der Dusche? Da hörte ich die Tür. Adolf kam herein. Deshalb konnte ich ihn nicht erreichen.
„Guten Morgen! Gut, dass du da bist. Alfons will auf die Toilette und schafft es nicht allein.“
Er ging sofort ins Schlafzimmer. Da er mich nicht dabeihaben wollte, wartete ich im Wohnzimmer. Es dauerte mir zu lange, darum sah ich nach. Ich hörte die Dusche laufen. Also wollte er sich noch duschen. Auf einmal knurrte mir der Magen. Ich hatte seit gestern Mittag nichts gegessen. Am Abend war ich sofort zu ihm gefahren und mir war der Appetit vergangen. Ich sah nach, was es in seiner Küche gab. Es war nicht aufregend. Etwas Brot, Toast, zwei Eier und saure Milch. Da konnte man nicht viel machen. Also musste ich einkaufen gehen. Was konnte und durfte er eigentlich essen? Wir bräuchten auch etwas für das Mittagessen, denn Essen gehen konnte er nicht. Ich fand einen Block und einen Kugelschreiber. Notierte mir alles, was ich brauchen könnte. Dann hörte ich die beiden sprechen. Sie waren im Wohnzimmer. Adolf stützte Alfons und setzte ihn aufrecht auf die Couch. Er war schon angezogen.
„Solltest du nicht noch im Bett bleiben?“, fragte ich ihn besorgt.
„Nein. Es geht schon. Und ich weiß schon nicht mehr, wie ich liegen soll.“
Er sah jetzt wirklich schon besser aus und hatte auch etwas Farbe im Gesicht.
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