„Bleibt mir etwas anderes übrig? Überhaupt, wenn ich sie selber gerne esse?“
Somit schrieb ich ihm nochmal Kartoffeln auf. Denn die, die ich hatte, brauchte ich jetzt schon für die Bratkartoffeln, Butter 2-mal, und noch 3 Liter Milch. Brot noch und Knoblauchpulver und sicherheitshalber Salz. Damit schickte ich ihn wieder weg. Er tat mir jetzt schon leid. Aber er machte es gerne. Inzwischen wusch ich die Kartoffeln, halbierte sie und legte sie auf das Backblech, das Backrohr hatte ich schon vorgeheizt. Jetzt noch Salz, Knoblauchpulver musste ich später drüberstreuen und Kümmel darauf! Kümmel! Ich hatte den Kümmel vergessen! Sofort rief ich Adolf an.
„Du, ich brauche noch Kümmel!“
„Leider zu spät! Bin schon im Haus!“, und legte auf.
Sch … na gut, dann musste es so auch gehen. Ein paar Minuten später kam Adolf schon, und legte mir den Einkauf auf die Arbeitsfläche.
„Ich habe da noch etwas gefunden, das ist mir einfach in meinen Einkaufswagen gefallen!“, und hob mir ein Päckchen entgegen. Es war Kümmel!
„Danke!“, rief ich und küsste ihn auf die Wange.
Jetzt konnte ich die Kartoffeln fertig machen. Die Suppe war rasch gemacht. Brot schnitt ich für jeden eine Scheibe, nur zum Kosten. Röstete sie an und würzte sie mit Salz und Knoblauchpulver.
„Was riecht denn da so gut?“, fragte ein neugieriger Alfons.
Adolf hatte ihm, bevor er noch mal einkaufen ging, seinen Laptop auf den Couchtisch gestellt. So konnte er seine Mails kontrollieren und nachsehen, was es so in der Welt Neues gab.
„Na, was ist? Wirst schon hungrig?“
„Ja, da muss man doch Appetit bekommen.“
Ich lachte. Adolf deckte inzwischen den Tisch und brachte den Müll runter. Da ich etwas Zeit hatte, holte ich mir mein Handy. Oh mein Gott! Zehn Anrufe von Michi, und fast genauso viele Nachrichten. Auf sie hatte ich ganz vergessen, da ich mich so um Alfons gesorgt hatte.
Ich ging in mein Zimmer und rief sie sofort an. Zuerst entschuldigte ich mich und schilderte ihr die Situation. Sie tat zwar dann noch beleidigt, aber war froh, dass es mir gut ging. Ich versprach ihr, mich zu melden, wenn ich wieder zu Hause bin. Als ich wieder rauskam, saßen Adolf und Alfons über dem Laptop und diskutierten über etwas. Und keiner sah nach meinen Bratkartoffeln. Aber zum Glück war noch nichts geschehen. Sie hatten schon Farbe und brauchten noch ein paar Minuten. Ich gesellte mich zu ihnen und sah ihnen über die Schulter. Alfons dunkle Haare lichteten sich schon etwas. Adolf hatte dichtes, leicht krauses Haar, das er immer kurz trug. Sie sprachen, wie sollte es anders sein, über Autos. Bei manchen Dingen waren sie sich einig, bei anderen gingen die Meinungen auseinander. Manchmal kam es mir vor, als würden sie die gleiche Handbewegung machen. Oder kam es mir nur so vor? Vielleicht hatte sich Adolf es abgeschaut. So etwas kam ja oft vor. Dann bemerkten sie mich.
„Was ist, meine Liebe? Hast du nichts zu tun, dass du uns störst?“
Ich störte sicher nicht. Nur wollte er mich etwas ärgern.
„In ein paar Minuten können wir essen.“
„Und was ist mit deiner Freundin? Gehst du ihr schon ab? Oder sorgt sie sich um dich?“
„Beides. Damit ich nicht in kriminelle Machenschaften komme. Wie Mafia oder so.“
Wir lachten. Alfons klappte den Laptop zu und bat Adolf, ihn ins Bad zu begleiten. Schön langsam kam er wieder auf die Beine. Adolf brauchte ihn nicht mehr so viel stützen. Also würde es besser werden. Ich machte einen tiefen Atemzug und ging zu meinem Essen. Teilte das Brot auf und stellte die Suppe auf den Tisch. Dann holte ich einige dunklere Kartoffeln aus dem Rohr und stellte sie auch auf den Tisch. Da kamen dann auch schon meine beiden Männer. Wie sich das anhörte. Meine beiden Männer. Vater oder Schwiegervater und Mann und Sohn? Wo verirrten sich schon wieder meine Gedanken hin? Alfons sah uns zuerst zu wie wir es machten. Wir teilten die Kartoffeln, gaben Suppe übers Brot und aßen die Kartoffeln dazu.
„Die sind ja heiß!“, rief er und ließ seine Kartoffel fallen.
Wir lachten.
„Natürlich! Was hast du gemeint? Die kommen ja frisch aus dem Rohr!“
Ich half ihm dabei. Holte für ihn einen kleinen Teller, schnitt ihm zwei Kartoffeln auf, damit er sie nur mehr mit dem Löffel nehmen brauchte. Ich zeigte es ihm dann vor. So kühlten sie schneller aus und waren leichter zu essen. Als die Suppe mit dem Brot aufgegessen war, stellte ich die anderen Kartoffeln auf den Tisch. Adolf und ich nahmen ein Messer, schnitten die Kartoffeln im Teller auf und gaben uns ein Stück Butter noch darauf. Dann aßen wir sie so, Stück für Stück. Alfons machte es uns nach. Jetzt passte er schon besser auf. Ich holte mir noch ein Glas Milch dazu.
„Das ist wirklich lecker! Wo hast du das her?“, fragte Alfons.
„Das war früher ein Arme-Leute-Essen. Weil sie nicht viel hatten, als Kartoffeln, Brot und Milch.“
Alfons starrte mich an. Dann begann er zu lachen. Jetzt wusste ich nicht, was er hatte. Was daran so komisch war. Auch Adolf sah ihn überrascht an und hörte mitten im Essen auf. Wir warteten, bis er sich beruhigt hatte. Er brauchte ein Taschentuch, um sich die Tränen abzuwischen.
„Annabell, du bist gut! Sehr gut sogar!“
Ich wusste nicht, was er hatte. Dann sprach er schon weiter.
„Adolf, du musst wissen, dass sie ein Sparmeister ist. Du hast es ja schon erlebt. Statt bei Gucci, Vuitton und dergleichen einzukaufen, geht sie lieber zu H&M oder Adler. Beim Preis von dem Kleid, das ich ihr in Frankfurt gekauft habe, wäre sie fast umgefallen und hätte es sofort zurückgeben wollen. Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht sparen muss wie sie, und dass ich es mir leisten kann. Und jetzt fängt sie beim Essen an zu sparen. Denn Spaghetti sind ja auch nicht teuer, oder?“
Adolf und ich sahen uns an und mussten das erst verarbeiten. Dabei war es ja nicht mal meine Idee gewesen. Ich nahm es gleich an. Und da dachte ich wirklich nicht ans Sparen. Als wir das registriert hatten, lächelten wir uns verlegen an.
„Das haben wir zu Hause öfter, und nicht, weil das Geld knapp ist, sondern weil es uns schmeckt“, versuchte ich es zu erklären.
„Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Aber es hat alles so schön gepasst. Müsst ihr aber zugeben, oder?“
Mussten wir. Und er nahm sich noch zwei Kartoffeln. Also schmeckte es ihm. Das war gut. Adolf ließ es sich auch schmecken. Dann konnte keiner mehr, und es blieb eine einzelne Kartoffel über.
„Bitte erbarmt euch wer um die Kartoffel. Ich kann nicht mehr. Gleich platze ich. Und ich will sie nicht wegschmeißen.“
Ich sah beide an. Also musste ich die letzte Kartoffel essen. Da griff auf einmal rasch Alfons hin und aß sie ohne Butter.
„Und jetzt gibt es keinen Kaffee und Kuchen! Ich bin voll. Jetzt könnt ihr mich ins Bett wälzen.“
Ich räumte lachend das Geschirr ab. Adolf half mir schnell. Bald war alles wieder sauber und Alfons saß prustend und keuchend auf der Couch. War die letzte Kartoffel zu viel? Er versuchte noch etwas Wasser zu trinken, doch die Kartoffeln im Bauch ließen ihm keinen Platz mehr.
„Braucht ihr mich noch? Weil dann gehe ich wieder in mein Zimmer. Wenn ihr mich braucht, dann ruft mich. Bin jederzeit erreichbar. Und Annabell, danke für das Essen. Es hat alles wunderbar geschmeckt.“
Dann ging er.
„Ja. Mein Magen war schon lange nicht mehr so voll. Der drückt vorne und hinten.“
Irgendwo musste ich doch noch eine Brausetablette haben, für den Magen. Ich suchte sie sofort und fand eine in meiner Tasche. Die löste ich ihm auf und stellte ihm das Glas hin.
„Trink das, dann wird dir leichter.“
Er sah mich verwundert an, aber er trank es, ohne zu murren. Da er jetzt den Laptop nicht benötigte, fragte ich ihn, ob ich kurz meine Mails checken könne und etwas auf Facebook surfen durfte. Er schob ihn mir sofort zu.
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