„Warum nicht? Ich kann mich derzeit sowieso nicht bewegen“, meinte er und legte sich gemütlich auf die Couch.
Dass er mich wieder beobachtete, merkte ich erst später, denn ich dachte, er würde wieder ein Nickerchen machen. Als ich kurz nach ihm sah, blickte er auch zu mir.
„Schläfst du gar nicht?“
„Wieso? Sollte ich?“
„Ich dachte, du machst ein Verdauungsschläfchen.“
„Nein, sehe dir lieber zu, was du machst. Was machst du eigentlich beruflich?“
„Ich arbeite in einem Büro, sozusagen als Sekretärin.“
„Gut zu wissen. Darum bist du so gut auf dem Computer. Bei dir geht alles so flott von der Hand. Bis ich immer etwas finde, dauert das immer ewig“, lächelt er mich an.
Was sollte ich dazu sagen? Ich surfte noch etwas weiter, und dann klappte ich den Laptop wieder zu.
„So. Was machen wir jetzt? Einen Fernseher haben wir nicht. Und Spiele gibt es hier auch nicht.“
„Spiele brauche ich nie, da ich ja immer arbeite. Und die Fernseher sind versteckt.“
„Die Fernseher?“
„Ja, die Fernseher. Gehe zum Kasten da drüben und mache die zwei mittleren Türen auf.“
Ich tat, was er sagte. Und wirklich war hinter den Türen ein Fernseher versteckt.
„Ich brauche ihn kaum, darum ist er versteckt. In den Schlafzimmern ist es das gleiche. Dort ist auch überall einer.“
Jetzt war ich sehr überrascht. Die Fernbedienung lag davor. Ich nahm sie und drehte den Fernseher auf.
„Was möchtest du sehen?“, fragte ich ihn.
Ist mir egal. Sieh dir an, was du magst. Ich sehe dich viel lieber an.“
„Was ist an mir so interessant?“
„Alles. Alles von Kopf bis Fuß. Ich würde … nein, das gehört hier jetzt nicht hin.“
Was würde er gerne wollen? Würde er doch gerne mit mir…? Nein, Annabell, schiebe diese Gedanken weg.
Im Fernsehen spielten sie zufällig einen Liebesfilm. Den hatte ich mir schon öfter ansehen wollen. Jetzt hatte ich die Zeit dazu. Aus den Augenwinkeln sah ich immer wieder verstohlen zu ihm. Er betrachtete mich wirklich mehr als den Fernseher. Während der Werbung holte ich mir etwas zu trinken. Er hatte inzwischen schon zweimal aufgestoßen und es ging ihm besser. Nach diesem Film fand ich noch einen schönen Film, den sah ich mir auch noch an. Er schlief schon halb ein. Ich bot ihm an, ihn ins Bett zu bringen. Er wollte nicht. Zwingen konnte ich ihn auch nicht. Aber als der Film schließlich aus war, ging er freiwillig. Im Bad brauchte er zwar etwas länger als gewöhnlich, aber er konnte jetzt schon alles allein machen. Als er im Bett war, merkte ich, dass er schon sehr froh war, darin zu liegen. Er war nur wegen mir aufgeblieben.
„Gute Nacht“, sagte ich und wollte schon gehen.
„Bekomme ich keinen Gute-Nacht-Kuss?“
Als ich ihn überrascht anstarrte, setzte er noch nach: „Bitte!“
Ich ging zu ihm zurück und drückte ihm einen auf die Wange.
„Danke“, sagte er.
Jetzt konnte ich mich duschen gehen und mich in mein Bett legen. Mir ging so einiges nicht aus dem Kopf. Dann fiel mir ein, ich sollte Adolf anrufen. Nein, ich würde ihm nur eine Nachricht schicken, dass wir beide schon im Bett waren.
‚Gute Nacht Adolf. Liegen schon im Bett. Er hat es allein geschafft. Schlaf gut. Bis Morgen‘
‚Gute Nacht, bis Morgen‘ , kam zurück.
Ich schlief bald darauf ein.
Alfons
Annabell ist das Beste, was mir passieren hat können, in dieser Zeit. Das Schicksal meint es noch einmal gut mit mir. Vielleicht habe ich mein schlechtes Karma schon etwas ausgebügelt. Und es gibt mir doch noch eine Chance, alles gut zu machen. Nur einmal muss ich noch jemanden sozusagen vor den Kopf stoßen, aber dafür, hoffe ich, wird das Glück für immer kommen. Nicht für mich. Für die beiden. Ich hoffe, Josef, Dr. Kröger, gibt morgen grünes Licht. Dann kann ich all das, was ich vorhabe, endlich umsetzen. Nur für sie nehme ich diese Tabletten, die mir so zu schaffen machen. Aber ich muss es tun, um der Gerechtigkeit willen. Ansonsten klappt es nicht. Ich muss das Majorat umgehen. Eines habe ich schon bewerkstelligen können. Dass es egal ist, ob ein Mädchen oder ein Junge meinen Namen übernimmt und weiterträgt. Ich hoffe nur, es funktioniert alles so, wie ich es vorhabe. Eine Wahrsagerin hat mir vor einem Jahr Mut dazu gemacht. Und ich habe bald nicht mehr ein Jahr dafür.
Annabell
Ich wurde wie üblich wach, stand auf und sah nach Alfons. Er schlief so friedlich. Nein, er atmete noch. Ich ging in die Küche und machte Frühstück. Während ich meinen Kaffee langsam schlürfte, bekam ich eine Nachricht. Es war Adolf.
‚Guten Morgen! Schon wach?‘
‚Guten Morgen! Ja, schlürfe schon meinen Kaffee. Willst auch einen? Dann komm hoch.‘
‚Bin gleich da!‘
Es dauerte auch nicht lange, und Adolf war da. Er hatte selber eine Karte für die Tür, damit er nicht immer anklopfen musste. Das war auch einfacher für Alfons. Ich stellte Adolf schon den vorbereiteten Kaffee auf den Tisch. Ich blieb in der Küche stehen.
„Warum setzt du dich nicht?“, fragte er mich.
„Ich habe keine Ruhe beim Sitzen. So schmeckt er besser.“
Adolf stellte sich zu mir.
„Dann mag ich auch nicht sitzen. Wie geht es ihm?“, fragte er besorgt.
„Weiß nicht. Er hat noch geschlafen, als ich nach ihm gesehen habe.“
Auf einmal klingelte sein Telefon.
„Guten Morgen!“, sagte er.
„Ja ich komme schon!“, sagte er ins Telefon.
„Er ist schon wach und fühlt sich noch zu schwach, um allein aufzustehen. Ich soll zu ihm rauf kommen.“
Ich grinste. Er war ja schon da. Adolf ging zu Alfons ins Schlafzimmer, ich hinterher.
„Guten Morgen, Herr von Behringen. Bin schon da, wie gewünscht.“
Er starrte ihn verwundert an. Dann sah er mich an und seine Miene änderte sich kurz.
„Guten Morgen, Alfons. Wir haben schon Kaffee getrunken und auf dich gewartet. Was möchtest du heute frühstücken? Hast du einen Wunsch?“
Sofort änderte sich sein Ausdruck im Gesicht.
„Guten Morgen, Annabell. Ist egal, was du dahast. Hauptsache, etwas Gutes. Ich werde sowieso nicht viel runterbringen, ich glaube, die guten Kartoffeln liegen noch immer in meinem Magen.“
Dann schickte er mich hinaus. Ich legte Wurst und Käse auf, Butter, etwas Tomaten und Paprika. Kaffee war ja schon fertig. Eine halbe Stunde später kamen die beiden raus. Alfons schon fertig angezogen. Er ging noch etwas wackelig, aber er ging auf seinen eigenen beiden Beinen. Somit ging es wieder aufwärts mit ihm. Ich stellte ihm wieder eine Brausetablette hin. Er trank sie auch ohne zu fragen, und aß auch gut, wenn auch nicht so viel. Natürlich blieb Adolf bei uns. Ich hatte ja für drei aufgedeckt. Und er würde jetzt doch nicht wieder runter gehen und allein essen. Alfons deutete auch, dass er sich setzen sollte. Also hatte er auch nichts dagegen, dass sein Chauffeur mit uns aß. Ich glaube, es war ihm sogar recht, denn sollte er ihn rasch brauchen, war er sofort in der Nähe. Nach dem Frühstück half Adolf ihm zur Couch, dann fragte er mich, ob er mir etwas helfen könne oder ich noch etwas vom Geschäft brauche. Ich hatte mir schon einen Plan gemacht, was ich heute und morgen alles kochen könne und was ich dazu noch brauche.
„Ja, wäre sehr nett. Ich habe mir schon einiges aufgeschrieben, was ich für heute und morgen noch brauche.“
Da meldete sich Alfons zu Wort.
„Morgen Mittag brauchst du nichts zu kochen, da gehen wir essen. Und keine Widerrede!“
Ich strich trotzdem nichts von der Liste. Wer weiß, vielleicht brauchte ich es fürs Abendessen. Sah nochmal alles durch und Kontrollierte noch einmal die Liste. Ich fand sogar noch etwas, dass ich brauchte. Dann zischte Adolf mit der Liste ab. Da ich nicht wusste, was er noch an Getränken im Auto hatte, überließ ich es ihm. Und ich bat ihn, für mich eine Flasche Cola mitzubringen.
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