Die Kinder schüttelten synchron die Köpfe. “Wir mögen Dinosaurier”, erklärte Conrad und nahm sich eine weitere Toastscheibe aus dem Brotkorb.
Ruth nickte und schlug deshalb einen Besuch im paläontologische Museum vor.
Diese Idee fanden die Kinder “sehr cool”.
Der Vorschlag, vor dem Museumsbesuch noch das Wohnzimmer aufzuräumen, wurde von den Jungs strikt abgelehnt.
An diesem regnerischen Sonntagvormittag hatten mehrere Familien die Idee ins Dinomuseum zu gehen. Die Schlange vor der Kasse war dementsprechend lang. Endlich stand Ruth mit ihren Neffen vor dem Ticketschalter.
“Grüß Gott. Ein Erwachsener und zwei Kinder, sieben und neun Jahre alt”, sagte Ruth.
“Wollen Sie normale Eintrittskarten oder drei Kombitickets?”, wollte die Kassiererin wissen.
“Kombiticket? Was ist das?”, erkundigte sich Ruth.
“Das Kombiticket beinhaltet den Eintrittspreis unseres paläontologischen Museums und zusätzlich noch das vom Planetarium. Sie sparen damit sagenhafte 20%.”
Die Kinder hörten aufmerksam zu. “Planetarium, au ja!”, jubelten sie.
Die Kassierin sprach weiter: “Die Vorstellung im Planetarium beginnt um 14.30 Uhr und heißt `Gibt es Leben im All?’. Sie ist wirklich sehenswert und wie gesagt, Sie sparen 20%.”
Ruth schaute in zwei verzückte Kindergesichter.
“Drei Kombitickets, bitte”, beschloss sie.
In der Ausstellung waren hauptsächlich ausgestorbene Lebewesen Baden-Württembergs ausgestellt. Dinosaurier aus der Triaszeit und Fisch- und Flugsaurier aus der Jurazeit. Die Kinder waren begeistert und rannten von Vitrine zu Vitrine. Eifrig füllten sie das Quiz aus, das ihnen die Kassiererin noch mitgegeben hatte. Sie beantworteten sämtliche Fragen richtig und erhielten jeder daraufhin einen kleinen Schokoladendinosaurier von einer Museumswärterin geschenkt.
Beim Hinausgehen des Dinosauriermuseums, regnete es immer noch. Obwohl den Kindern der Besuch Spaß gemacht hatte, bemängelte Theodor, dass es keinen Tyrannosaurus in der Ausstellung gegeben hätte und Conrad beklagte das Fehlen eines Megalodon.
Ruth verdrehte die Augen, schaute auf die Uhr, denn schließlich mussten sie pünktlich zur Vorstellung im Planetarium sein.
“Wie wäre es, wenn wir jetzt zu McDonalds gehen?”, schlug sie vor.
Das musste die Tante nicht zweimal sagen, denn die Jungs bekamen leuchtende Augen. Im Schnellrestaurant bestellte Ruth zweimal das Happy Meal Menü für die Neffen und für sich selbst einen Caesar Salat. Zum Nachtisch gab es noch ein McFlurry-Eis.
Schon von weitem sahen Tante und Neffen das schwarze, kugelförmige Gebäude. Es war das Planetarium der Stadt. An der Garderobe gaben sie ihre Jacken und Regenschirme ab. Sie gingen am Ticketschalter vorbei, direkt zur Eingangstür des Vorführraums. Dort stand eine Frau in einer dunkelblauen Uniform mit einem weißen Halstuch und kontrollierte den Einlass.
“Grüß Gott! Henn Sie a Kombiticket oder a normales?”, erkundigte sie sich auf Schwäbisch.
“Wir haben Kombitickets”, erwiderte Ruth und hielt die drei Eintrittskarten der Frau entgegen. Diese riß jeweils eine kleine Ecke von den Karten ab.
“Viel Spaß bei unserer Show ‘Gibt es Leben im All?’”, sagte sie lächelnd.
Da freie Platzwahl herrschte und der kuppelartige Raum noch fast leer war, rannten die Kinder gleich zur ersten Reihe und warfen sich in die drehbaren und bequemen Sessel. In der Mitte des Saals stand der Projektor, der eine löchrige, große Kugel auf Stelzen war.
Ungeduldig warteten Ruth, Theodor und Conrad auf den Beginn der Vorführung. Endlich wurde das Licht gedimmt und eine Männerstimme aus einem Lautsprecher tönte: “Herzlich willkommen im Stuttgarter Planetarium! Kommen Sie mit auf eine Reise zu den Sternen. Erforschen Sie fremde Welten und entdecken Sie neues Leben in anderen Galaxien.”
Musik spielte und auf der Leinwand oben an der Kuppel wurden die ersten Bilder projiziert. Hunderte, nein tausende von Lichtpunkten, die Sterne darstellten, leuchteten auf.
“Wir werden uns zusammen auf die Suche nach Leben im unendlichen Universum machen und die Frage beantworten, ob auf erdähnlichen Planeten wie Proxima b, Kepler-1625b oder Kepler-186f oder auf Gliese- 581g Lebewesen existieren”, kam es aus dem Lautsprecher.
An der Kuppel wurde nun ein Modell des Sonnensystems mit der großen gelb strahlenden Sonne, dem roten Mars, dem blauen Uranus und den anderen Planeten gezeigt. Mit offenem Mund betrachtete Ruth dies alles. Der Kauf des Kombitickets hatte sich gelohnt, dachte sie und verfolgte weiter gespannt die Show. Auf einmal zog jemand an ihrem Ärmel.
“Ich habe Durst”, jammerte Theodor.
“Pst”, machte die Tante und stöhnte innerlich auf.
“Ich habe auch Durst”, meldete sich nun auch Conrad.
Widerwillig kramte Ruth fünf Euro aus ihrem Geldbeutel.
“Hier ist Geld, damit könnt ihr euch etwas zu Trinken kaufen”, flüsterte sie. “Und beeilt euch.”
Die Kinder sprangen aus ihren Sesseln und verließen den Vorführraum. Draußen führte ein Gang um den runden Saal herum.
“Wo ist der Getränkestand?”, fragte Theodor.
“Keine Ahnung. Gehen wir mal nach links”, schlug Conrad vor. An den schwarz gestrichenen Korridorwänden hingen großformatige Fotos auf rahmenlosen Leinwänden. Sie zeigten Aufnahmen von der Milchstraße, einzelnen Planeten, Raumsonden und Raumschiffen. Immer wieder blieben die Jungs stehen und betrachteten interessiert die Fotos. Dass er durstig war, hatte Theodor fast schon wieder vergessen. Vor einem länglichen Foto, das fast bis auf den Boden reichte und einen Raketenstart mit einem Feuerstrahl abbildete, blieb der Junge stehen. Mit dem rechten Zeigefinger fuhr er immer wieder den Feuerstrahl nach. Daraufhin begann das Bild an zu wackeln. Letztendlich fiel es von der Wand. Gemeinsam versuchten die Brüder das Bild wieder aufzuhängen. Allerdings gelang es ihnen nicht. Sie lehnten es daher an die gegenüberliegende Wand an.
“Schau mal, Conrad, hinter dem Bild ist eine Tür”, stellte Theodor erstaunt fest.
Die Tür war genauso schwarz, wie die Wand und nur durch einen kleinen goldfarbenen Knauf als solche zu erkennen. Sie war schmal und niedrig.
Nur in gebückter Haltung hätte ein Erwachsener hindurchgepasst. Theodor fasste den Knauf an, zog und drückte daran. Die Tür sprang auf. Helles Licht drang heraus. Neugierig machte Theodor einen Schritt darauf zu.
“Stopp!”, rief Conrad. Doch es war schon zu spät, sein Bruder war über die Schwelle getreten und in dem Licht verschwunden. Conrad warf einen Blick nach links und rechts. Es war niemand auf dem Gang zu sehen.
Er konnte seinen Bruder nicht alleine lassen, daher folgte er ihm. Hinter Conrad schloß sich lautlos die kleine Tür.
Während die Zuschauer im Kuppelsaal die Weltallshow ansahen, machte Paul Koslowski seinen Kontrollgang. Er war im Rentenalter, trug eine Brille mit dicken Gläsern und zog das linke Bein etwas nach. An den Wochenenden half er als eine Art Hausmeister im Planetarium aus und verdiente sich so ein paar Euro zu seiner mageren Rente dazu.
Ihm fiel sofort auf, dass das Bild mit dem Raketenstart von der Wand gefallen war. Grummelnd hängte er es wieder auf. Die Tür in der Wand bemerkte er nicht, denn trotz der starken Brillengläser sah Koslowski schlecht.
Eine Stunde später hörte das Publikum im Saal die Schlussmelodie und “Vielen Dank für Ihren Besuch im Stuttgarter Planetarium. Wir freuen uns, Sie bald wieder begrüßen zu dürfen. Auf Wiedersehen!”, tönte es aus dem Lautsprecher.
Das Licht ging an und die Zuschauer strömten hinaus.
Ruth meinte: “Das war wirklich interessant, nicht wahr, Kinder?”
Sie blickte zur Seite, die beiden Plätze neben ihr waren leer.
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