Als ich gestern kam, meine ich ein Schild gelesen zu haben, dass ein Ort weiter heute verkaufsoffener Sonntag ist. Vielleicht finde ich da was Wasserfestes. Im Auto regnet´s nicht und wenn dann doch alles zu sein sollte, komme ich halt wieder zurück. Ich ziehe mich an und fahre los. Es ist tatsächlich alles offen. Bei dem Wetter sind allerdings auch nur vereinzelt ein paar Leute unterwegs. Ich fahre langsam an den Geschäften vorbei, aber nichts sieht so wirklich danach aus, dass es außer modischer Bekleidung und Andenken irgendwo noch sowas wie den klassischen Friesennerz zu kaufen gibt. Am Ende der Einkaufsmeile befindet sich ein größerer Parkplatz, den ich dann ansteuere. In der Einfahrt zum Parkplatz steht ein Schild „Fischereiausrüstung Müller“. Ich folge dem Wegweiser über den Parkplatz auf der anderen Seite bis zu dem besagten Laden und parke dort fast direkt vor der Tür.
Im Laden brennt Licht. Die scheinen auch geöffnet zu haben und vielleicht gibt’s hier ja was wasserdichtes. Von außen kann man durch das Schaufenster im inneren schon mal einige Ständer mit Jacken sehen. Ich betrete den Laden. Bin gleich bei ihnen, schallt eine weibliche Stimme von hinten durch den Laden. Kurz darauf erscheint eine Verkäuferin. „Sie suchen bestimmt was wasserdichtes,“ sprudelt es aus ihr hervor, bevor ich irgendetwas sagen kann. Ich grinse, „klebt an mir irgendwo ´nen Schild wo das draufsteht ?“ „Nein, aber jeder, der den Laden heute betreten hat, hatte bisher denselben Wunsch. Suchen sie etwas anderes ?“ „Nein, auch ich brauche was wasserfestes,“ grinse ich weiter. „Hier drüben haben wir alles was das Herz begehrt. In gelb, orange, rot grün, blau, schwarz, kurze Jacken, lange Jacken, Mäntel, mit und ohne Kapuze, aus dünnerem oder auch festerem Material.“ Ich bewege mich zwischen den Ständern hin und her und probiere schließlich einen schweren, langen, schwarzen Mantel mit Kapuze. Die Größe passt schon mal. „Ist der von vorn her auch einigermaßen dich ? Oder kriecht da durch den Verschluss gleich das Wasser durch ?“ will ich dann wissen. „Ich habe selber denselben und hatte die gleichen Befürchtungen.
Ich hab‘s ausprobiert und mich direkt von vorn mit einem Schlauch anspitzen lassen. Die Frontpartie blieb auch nach längerer Zeit trocken. Den kann ich ohne rot zu werden sehr empfehlen. Das einzige ist halt – er ist vergleichsweise schwer, dafür aber auch dementsprechend auf Grund der Materialstärke sehr haltbar. Und – er wird auch bei kälteren Temperaturen kein Brett. Das Material bleibt weitestgehend geschmeidig.“ „O.k., dann soll er es sein. Haben sie auch noch was passendes an Hose dazu ?“ „In gleicher Qualität nur noch als Latzhose. Nachschub kommt erst in den nächsten Tagen.“ „Ich nehm´ die Latzhose mit dazu. Noch mehr wasserdicht geht dann kaum noch.“ grinse ich sie an. „Wir hätten da auch noch Gummistiefel und Handschuhe im Programm, die ich ihnen noch dazu mit anbieten kann.“ „Danke für das Angebot, aber damit bin ich schon versorgt.“ „O.k., soll ich ihnen die Sachen einpacken ?“ „Nein, ist nicht nötig, ich denke, die werden nicht lange ungenutzt bleiben,“ grinse ich sie an. Ich folge ihr zur Kasse und bezahle. Mit meinen neuen Errungenschaften verlasse ich dann das Geschäft und fahre zurück ins Ferienhaus.
Ich möchte es gleich ausprobieren. Also raus aus den nassen Klamotten. Draußen ist es nicht übermäßig kalt. Daher einfach ab in Jogginghose und T-Shirt und dann die Regenklamotten drüber. Gummistiefel an und los. Es fühlt sich gut an. Ich kann auch nichts anderes behaupten als dass ich mich doch sehr wohl fühle so verpackt. Komisch, dass ich noch nicht früher darauf gekommen bin. Ich stapfe die Straße entlang Richtung Deich. Oben auf dem Deich stehen mehrere Leute. Na, dann bin ich ja noch nicht mal allein mit Meer und Wellen ansehen bei dem Wetter, denke ich. Ich steige die Treppe zur Deichkrone hinauf und in dem Moment als ich oben über den Kamm blicken kann bläst mir direkt der starke Wind von Seeseite aus ins Gesicht und wirft mich fast wieder zurück. Ich kämpfe mich aus dem Windschatten des Deichs nach ganz oben. Nun ist auch das ganze Ausmaß zu erkennen. Eine mächtige Brandung rollt donnernd auf den Strand. Die Luft von See her schmeckt salzig.
Die anderen Leute interessiert aber scheinbar etwas ganz anderes. In einiger Entfernung zum Strand liegt in merkwürdig schräger Position ein Marinefahrzeug im Wasser. Nicht übermäßig groß, Mienenräumer oder Schnellboot oder so was in der Größe etwa. Ich blicke zur Seite und mein nächster Nachbar dreht sich wie auf Kommando zu mir um „manövrierunfähig, hängt da seit etwa zwei Stunden schon fest“. Keine Ahnung woher er das weiß, aber so wie das Teil da liegt muss das wohl stimmen. Genau in diesem Moment donnern in niedriger Höhe zwei SAR-Hubschrauber über uns hinweg auf den Havaristen zu. Erstaunlich, dass die bei dem Wetter überhaupt fliegen. Na immerhin, wenn die Truppe am Boden bzw. auf dem Wasser auf Grund der desolaten Technik nicht vorwärts kommt so scheint wenigstens der Rettungsdienst besser zu funktionieren. Man müsste in so einer Situation den Verteidigungsminister am besten zusammen mit dem Finanzminister immer als erstes zu den Havaristen abseilen. Spätestens beim zweiten Mal werden dann wahrscheinlich sofort die dringend benötigten Finanzmittel freigegeben…
Aus einem der Hubschrauber wird nun eine Person auf den Havaristen abgeseilt. Auch hinter uns wird es jetzt lebhaft. Eine Fahrzeugkolonne der Bundeswehr fährt vor. Den fünf Fahrzeugen entsteigen etwa 30 Soldaten die unten erst in Reih und Glied antreten und dann in einer Reihe die Treppe zur Deichkrone heraufkommen. Die Soldaten verteilen sich auf der Seeseite der Deichkrone in etwa gleichmäßigen Abständen von zehn Metern voneinander. Als letztes erscheint ein Leutnant, der den anwesenden Personen erklärt, dass es sich um eine militärische Unfallstelle handelt, sein Trupp diese absichern soll und dass sich niemand von uns weiter nähern soll. O.k. …verrückte Welt. Wo bitteschön soll den das Schiff hin ? Mitnehmen von einem der Zuschauer ist wohl eher ausgeschlossen. Oder sollen sie eher dafür sorgen, dass niemand das Schiff verlässt. Das Teil liegt bestimmt 500 Meter vom Ufer entfernt weg. Spaßige Vorstellung … Die beiden Hubschrauber kommen wieder zurück und setzen zur Landung auf einem Feld hinter dem Deich an. Kaum dass sie dort gelandet sind erscheint die nächste Kolonne und sichert den Landeplatz. Innerhalb von etwa 30 Minuten stehen dort zwei Zelte. Etwa 20 Fahrzeuge stehen nun rund um das Feld und gefühlt zwei Kompanien an Soldaten bevölkern die Fläche. Die Hubschrauber werden betankt. Der Tankwagen schafft es aber nicht aus eigener Kraft aus der aufgeweichten Wiese wieder herauszukommen. Das hätte man sich eigentlich auch denken können … naja … zwei schützenpanzerähnliche Fahrzeuge schaffen es schließlich den Wagen dort unter lauten Hauruck rufen der Zuschauer auf dem Deich wieder herauszuziehen. Immerhin kann das den Wache stehenden Soldaten auch ein leichtes Grinsen entlocken.
Als letztes erscheint nun, wozu auch immer noch erst die Polizei mit zwei Bussen voll Beamter, dann drei Fahrzeuge der hiesigen Feuerwehr samt Schlauchboot und zu guter Letzt noch ein Malteser RTW. Bombige Versorgung … prinzipiell fehlt jetzt eigentlich nur noch das THW. Es dauert ein wenig, aber auch die erscheinen dann. Innerhalb kurzer Zeit steht der Landeplatz unter Flutlicht vom THW. Die Anzahl der Zelte hat sich derweil auf zehn erhöht. Auch die Anzahl der Zuschauer hat sich deutlich erhöht. Ich beschieße auf dem Deich Richtung Ort weiterzugehen um dann unten auf der Hauptstraße wieder zum Haus zurück zu laufen. Weiter draußen auf See meine ich so was wie einen Seenotrettungskreuzer durch den Regen erkennen zu können. In Höhe des Hallenbades verlasse ich den Deich und nun wieder windgeschützt gehe ich auf der Hauptstraße zurück. Hier reiht sich mittlerweile parkend ein Behördenfahrzeug an das nächste. Keine Ahnung wie die das hier wieder sortieren wollen. Die Straße ist zu schmal für zwei LKW nebeneinander.
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