Nachdem wir Big Springs verlassen hatten, marschierten wir Tag um Tag weiter, überquerten die Flüsse Greenbrier und Gauley und erreichten schließlich Huntersville, ein kleines, aber munteres Städtchen, das zwischen den Massiven der Berge verborgen lag. Den Menschen in diesen Bergen ging es ausgesprochen gut. Sie hatten reichlich Honig und Buchweizenkekse und sie nannten Buttermilch „Sauermilch“ und Sauermilch war für sie nicht mal gut genug für die Schweine. Sie konnten nicht begreifen, warum Leute Sauermilch tranken. Aber Sauerkraut mochten sie. In den Bergen schien alles zu wachsen: Kartoffeln und Süßkartoffeln, Zwiebeln, grüne Bohnen und Erbsen; trotzdem war das Land sehr dünn besiedelt. Überall begegnete man Hirschen, Bären und Füchsen sowie wilden Truthähnen, Hasen und Eichhörnchen. Äpfel und Pfirsiche waren in Fülle vorhanden und überall aßen die Leute Apfelsirup zu ihren Mahlzeiten. Gelegentlich stolperten wir über eine kleine Destille, die wir dann sofort in Betrieb setzten. Wir tranken das ungefilterte Destillat, während es noch heiß war und es erging uns dabei wie jener alten Dame, die so lange kein Maisbrot essen konnte, bis sie hörte, dass man aus Mais auch Whisky herstellt. Nun schaffte sie es, „einige Bissen hinunterzuwürgen“; so war es auch mit uns und unserem Destillat.
Von nun an waren wir ständig auf dem Marsch – stampf, stampf, stampf – wir marschierten immer weiter. Lees Korps, Stonewall Jacksons Division – für die Märsche dieser Kommandeure verweise ich auf die Geschichtsbücher. Nun, wir folgten ihnen einfach.
Cheat Mountain
Eines Abends gegen 16.00 Uhr begannen die Trommler des Regiments ihre Trommeln so schnell wie möglich zu rühren und ich sah, wie Männer in alle Richtungen umherrannten. Bald bot das Lager einen Anblick der Eile und der Aufregung. Ich fragte jemanden, was dieser Aufruhr bedeuten solle. Er starrte mich mit äußerstem Erstaunen an. Ich sah, wie Soldaten zu ihren Zelten eilten, sich ihre Musketen und Patronentaschen schnappten und wieder davonrannten, während die Trommeln noch immer rasselten und tönten. Ich fragte einige andere Kerle, was zum Teufel all dies bedeuten solle. Schließlich brachte ein Bursche, der beinahe verrückt vor Angst schien, zwischen etlichen Schreien und Klagelauten die Antwort heraus: „Aber so hör doch, sie schlagen den Doppelschlagwirbel!“ Ich antwortete: „Was bedeutet der Doppelschlagwirbel?“ „Der Wirbel, Mann, der Wirbel! Schnapp dir deine Waffe! Sie schlagen den Doppelschlagwirbel!“ Dies war alles, was ich in Erfahrung bringen konnte. Es war der erste, letzte und einzige Doppelschlagwirbel, den ich jemals gehört habe. Aber damals war das alles neu für uns und Oberst Maney, prompt wie immer, ließ uns antreten. Ohne jegliches Kommando oder Signal stand jeder Soldat auf seinem Platz. Zelte, Tornister und alles Übrige wurde ausnahmslos zurückgelassen. Wir waren bald unterwegs und wir marschierten weiter, weiter und immer weiter. Nachts begann es zu regnen. Unsere Decken hatten wir im Lager zurückgelassen, aber wir erwarteten, jederzeit ins Gefecht beordert zu werden. Noch in der Nacht erreichten wir Mingo Flats. Es goss noch immer wie aus Eimern. Wir hatten nichts zu essen bei uns und es gab keine geeigneten Schlafplätze. Einige von uns schafften Zaunlatten heran und wir häuften sie aufeinander und quälten uns durch die Nacht, so gut es eben ging. Am nächsten Morgen marschierten wir weiter, aber wir wurden bald hungrig und dann kamen wir kaum noch voran. Einige von den Jungs begannen Brombeeren zu sammeln. Der Rest des Regiments schlenderte langsam die Straße entlang, als plötzlich mit lautem PENG, PENG, PENGEDIPENG, PENG eine Salve Kugeln und Schrot durch die beiden vordersten Kompanien des Regiments pflügten - die Kompanien "H" und "K". Wir waren in einen Hinterhalt der Yankees geraten. Sofort breiteten sich Bestürzung und Verwirrung aus; niemand schien der Situation gewachsen zu sein. Wir wussten nicht, ob wir wegrennen oder kämpfen sollten, aber Hauptmann Feild gab das Kommando, zu feuern und in die Büsche zu stürmen. Wir stürmten die Büsche, sahen, wie die Yankees wegrannten und feuerten ihnen nach. Ich weiß nicht, wie viele Yankees getötet wurden, falls wir überhaupt welche getroffen haben.
Unsere Kompanie (H) hatte einen Toten zu beklagen: Pat Hanley, einen Iren, der sich unserer Kompanie in Chattanooga angeschlossen hatte. Hugh Padgett, Dr. Hooper und vielleicht noch ein oder zwei weitere waren verwundet.
Aber wo war nach dem Gefecht der ganze prächtige Zierrat geblieben, der zuvor noch unsere Offiziere geschmückt hatte? Er war nirgends mehr zu sehen. Korporale, Feldwebel, Leutnants, Hauptmänner – sie alle hatten sich jegliche Verzierung von den Uniformen gerissen. Es fiel mir sofort auf und ich war erstaunt und auch etwas gekränkt. Ich fragte mehrere von ihnen, warum sie sich ihre Rangabzeichen abgerissen hatten und sie antworteten alle: „Na ja, meinst du etwa, dass ich ein gutes Ziel für die Kugeln der Yankees abgeben wollte?“
Weißt du, mein lieber Leser, es war dies unser erstes Gefecht und den Offizieren war noch nicht klar gewesen, dass Geschosse und Kanonenkugeln blind sind, dass sie keine Augen haben und nichts sehen können. Die Offiziere glaubten, dass sie die Geschosse irgendwie anziehen würden und dass die gemeinen Soldaten nicht getroffen würden. Ich habe immer auf die einfachen Soldaten geschossen. Sie waren es, die auf uns schossen und uns töteten und wenn ich einen feindlichen Soldaten tötete oder verwundete, nun, so waren meine Überlebenschancen umso besser. Offiziere waren für mich stets eher harmlose Figuren. Ich glaube, Oberst Feild war wohl der einzige Oberst während des gesamten Krieges, der genau so oft eine Muskete abfeuerte wie ein gemeiner Soldat. Wenn ich einmal auf einen Offizier schoss, so war es stets auf sehr große Entfernung. Wenn wir jedoch auf kurze Entfernungen kämpften, so war es mir immer wichtiger, jene zu töten, die auch versuchten, mich zu töten.
Sewell Mountain
Von Cheat Mountain aus unternahmen wir mehrere Gewaltmärsche. Am Tag und in der Nacht, über Hügel und majestätische Berge und durch malerische offene Täler. Mal war die Landschaft schön und fruchtbar, mal unwirtlich und kärglich. Wir kamen durch Städtchen und Dörfer, deren Namen ich bereits vergessen habe, wir überquerten Bäche und Flüsse und mit ununterbrochenen, schier endlosen Märschen durchquerten wir das Kanawha-Tal, passierten die Salzwerke und waren fast wieder am Ohio River, als wir schließlich Sewell Mountain erreichten. Hier stießen wir auf General John B. Floyd, der sich eingegraben und seine Stellung stark befestigt hatte, um sich dem Vormarsch der Unionsarmee entgegenzustellen. Zwei Tage vor unserer Ankunft war er gegen eine Linie der feindlichen Stellungen angestürmt und hatte sie eingenommen. Ich weiß nichts über diese Schlacht. Hierfür müsst ihr euch an die Geschichtsbücher wenden. [ Anm. d. Übers.: Gefecht bei Kessler's Cross Lanes ] Ich schreibe lediglich aus dem Gedächtnis und das alles ist schon 20 Jahre her, aber ich erinnere mich, dass ich damals in den Zeitungen etwas über irgendeinen tapferen Mann las, ich weiß nicht mehr, ob er ein Hauptmann, Oberst oder General war, aber ich weiß noch, dass in den Berichten stand: „Er suchte nur Tand und Ansehen vor den Mündungen der Geschütze, doch er erlangte Ehre auf dem Totenbett des Ruhmes.“ Ich entsinne mich, dass es großartig klang, wenn man es so las.
Nun, mein lieber Leser, dies ist alles, was ich über diese große Schlacht weiß. Ich erinnere mich nur noch an das, was die Zeitungen darüber schrieben, aber du weißt ja, dass die Zeitungen natürlich immer nur die Wahrheit sagen. Ich erinnere mich auch noch daran, dass Rinderleber damals einen Golddollar pro Stück kostete und hier erhielten wir zum ersten Mal unseren Sold in konföderierter Währung. Wir rasteten einige Tage und marschierten schließlich weiter.
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