Er überlegte, dann sagte er: „Ganz schwach daran, wie mich die Polizei befragt hat. Ich weiß, dass wir in Berlin sind und ich die Stadt gut kenne, ich kann Auto fahren, ich glaube ich spreche mehr als nur eine Sprache, sonst nichts.“
O.K., Autofahren und Berlin waren doch ein Anfang. Vielleicht konnte Markus ja etwas über die Zulassungsstelle oder das Einwohnermeldeamt herausfinden, er war Kripobeamter. Der Name Danjal war wahrscheinlich auch nicht so häufig. Sie sagte es ihm.
„Lass die Polizei aus dem Spiel!“, antwortete er barsch und in seiner Stimme schwang etwas Herrisches mit.
„Sie haben meine Personalien, wahrscheinlich werden sie mich kontaktieren nach deinem Verschwinden, komisch, dass sie es bisher noch nicht getan haben“, sagte sie unsicher.
„Du wirst ihnen nichts erzählen über mich oder, dass ich bei dir bin!“
Nein, sie würde ihnen natürlich nichts erzählen.
Das bisschen Farbe das er vorhin noch im Gesicht hatte, war verschwunden, er war wieder leichenblass, ihr ging es besser.
Scheiße! Er war am Ende, er konnte nicht mehr, alles tat ihm plötzlich wieder weh. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, er konnte sich nicht mehr konzentrieren. Wie aus weiter Ferne drangen ihre Worte an sein Ohr. Hinlegen sagte sie, er solle sich hinlegen. Er schaffte es noch zu nicken und fühlte plötzlich etwas Weiches unter seinem Körper, dann empfing ihn erneut diese erlösende Schwärze.
Elias war noch einmal zu dem Lagerhaus gefahren. Nichts erinnerte mehr an das Massaker, das hier stattgefunden hatte. Wo war ER danach hingegangen? ER war schwer verletzt gewesen. Sie hatten einen Weg gefunden IHN zu überwältigen und seine Fähigkeiten auszuschalten, um ihn zu foltern und an die Informationen heranzukommen, die sie benötigten. Sie hatten gedacht ER sei tot, man konnte IHN nicht töten, hatten sie denn wirklich geglaubt mithilfe des Zeichens würde sich das ändern?
ER konnte trotzdem nicht weit gekommen sein, ER war zu geschwächt gewesen. Elias wusste, dass ihm immer noch die Möglichkeit blieb, zur Polizei zu gehen in der Hoffnung ER hätte irgendwie Kontakt mit ihnen gehabt. Aber das war unwahrscheinlich, ER war bei weitem zu schlau der Polizei in die Arme zu laufen. Trotzdem, das musste er im Hinterkopf behalten, sollte sich nichts weiter ergeben.
Elias lief über das Gelände und schaute sich gründlich um. Als er an das Ende des Areals kam, das mit einem Zaun gesichert war, lief er daran entlang. Er entdeckte nach einigen Metern ein Loch in dem Maschendraht. Es war nicht sehr groß und daher eigentlich unauffällig. Elias ging näher heran und bog den Draht zur Seite, das Loch wurde größer. Er kletterte hindurch. Auf der anderen Seite fand er Blut auf dem Boden. Er schaute sich um und fand einen Trampelpfad, dem er folgte.
Während Danjal auf dem Sofa lag, war Jenna schnell zur Apotheke gelaufen, um neues Verbandsmaterial zu kaufen. Als sie zurück ins Wohnzimmer kam, war er verschwunden. Nervös legte sie die Sachen ab und schaute sich um.
Sie fand ihn auf dem Dach. Er saß auf dem Boden, hatte die Beine angezogen und die Arme auf den Knien abgelegt. Er starrte in die Ferne. Sie ging zu ihm hinaus und setzte sich neben ihn, dass sie einen kalten Poo bekam, versuchte sie zu ignorieren.
„Ich weiß nicht einmal was meine Lieblingsfarbe ist“, sagte er mit einem traurigen Lächeln, ohne sie anzuschauen. „Oder ob ich Eltern habe, die nach mir suchen oder Geschwister, wer meine Freunde sind oder was ich gerne esse. Ich weiß gar nichts.“
„Wir werden es herausbekommen, du wirst dich wieder erinnern. So eine Amnesie nach einem traumatischen Erlebnis löst sich irgendwann auf. Komm mit rein, ich habe Verbandszeug geholt.“ Er schaute sie an und stand auf.
Es war ihm sichtlich unangenehm, als sie die Verbände löste und sie gegen neue austauschte. Die Schnitte waren genäht worden und heilten erstaunlich gut, Jen war überrascht. Als sie seine Schulter verarzten wollte, wich er zurück.
„Ich bin vorsichtig, versprochen“, sagte sie und er ließ sie gewähren.
Er stöhnte auf und zitterte, als Jen die Gase entfernte. Die Brandwunde heilte nicht so gut wie der Rest, es sah böse aus und sie musste schlucken. Ganz vorsichtig und sorgfältig verband sie es neu.
„Na toll! Ich wollte heute zu Hause arbeiten“, schimpfte Laura.
„Na kannst du doch auch“, antwortete Jenna
„Nicht wenn er hier bleibt.“
„Wiese nicht?“
„Er ist ein Fremder, über den wir nichts wissen!“
„Das hatten wir schon und du-“ „-und ich habe gesagt, dass ich ihm eine Chance gebe, aber ich habe nicht gesagt, dass ich alleine mit ihm hier in der Wohnung bleiben werde.“
„Und was soll ich machen? Ich kann ihn nicht mit ins Institut nehmen.“
„Und ich bleibe hier nicht mit ihm alleine.“
„Dann geh doch ins Atelier.“ „Damit er uns die Wohnung ausräumt? Die Sachen von Markus hat er ja schon.“
Jen verdrehte die Augen. „Die habe ich ihm herausgesucht. Und wieso soll er uns die Wohnung ausräumen?“
„Ich weiß nicht, vielleicht macht er ja auch irgendetwas anders Seltsames.“
„Du spinnst ja!“
„Vielleicht ist er ein Massenmörder und wartet nur auf die Gelegenheit uns was anzutun.“
„Ja vielleicht“, sagte Jenna ironisch. „Du weißt, dass ich bald eine Überprüfung habe.“
Laura kniff die Lippen zusammen und verengte ihre Augen zu Schlitzen. „Also gut, aber er soll in deinem Zimmer bleiben!“, lenkte sie dann endlich ein.
Danjal hatte die Diskussion mit angehört ohne, dass die beiden es mitbekommen hatte.
Im Institut erfuhr Jen, dass sich der Prüfer für Dienstag angemeldet hatte. Super somit blieben ihnen noch drei Tage und es lief nicht besser, was sicherlich auch an ihrer Abwesenheit lag. Das Wochenende war gelaufen, sie würden es hier verbringen müssen.
Das Nächste war die Polizei, die sich bei ihr meldete. Ein Beamter erklärte ihr, dass der Mann, den sie angefahren hatte, spurlos aus dem Krankenhaus verschwunden war. Es gäb keine Anhaltspunkte über seinen Verbleib und er fragte, ob sie irgendetwas wisse. Sie versicherte das dem nicht so sei, und versprach, sollte sie etwas erfahren würde sie sich natürlich melden.
Laura konnte sich irgendwie nicht konzentrieren. Sie wusste, dass der Typ nebenan war. Er hatte sich bisher nicht blicken lassen. Sie schmiss die Probeabzüge auf den Tisch und ging in die Küche um einen Kaffee zu kochen. Dann klopfte sie an Jennas Zimmertür. Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete sie. Er hatte nur die Nachttischlampe an und saß auf dem Bett.
„Kaffee?“, fragte sie ruppig.
Er kniff die Augen zusammen, nickte und stand umständlich auf. Gemeinsam gingen sie in die Küche.
„Schwarz?“, fragte sie ihn.
Er schaute sie verständnislos an.
„Der Kaffee!“
Er zuckte mit den Schultern und hob die Hände. „Ich weiß nicht, ich denke wie heute Morgen, das war O.K.“
„Also schwarz.“ Sie goss ein und stellte die Tassen auf den Tisch. „Setzt dich“, sagte sie.
Er tat es.
„Wie geht es dir?“, fragte sie so freundlich wie sie nur konnte.
Er war immer noch unglaublich blass und die Blutergüsse im Gesicht leuchteten ihr entgegen.
„Was willst du?“, beantwortete er die Frage mit einer Gegenfrage.
Also gut, dann kein Smalltalk.
„Ich weiß nicht warum du dir gerade meine Schwester ausgesucht hast und warum sie so handelt, wie sie momentan handelt. Sie ist eine sehr intelligente und rational denkende Frau und steht sich normalerweise in Beziehungen damit im Weg. Bei dir ist das anders.“
Laura beobachtete Danjal ganz genau, während sie sprach. Die Unsicherheit und die Verletzlichkeit, die er heute Morgen noch gezeigt hatte, war nicht mehr da. Er schaute sie emotionslos an.
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