»Gelebt? Doch, ich glaube schon, dass ich auc hmal gelebt habe, so wie Du, aber dann...«
»Was, Geist Schniefer, was war dann? Los, rede, ich habe nicht jeden Tag die Gelegenheit etwas über Geister zu erfahren. Los, erzähl´, rede, was meinst Du, was willst Du mit – aber dann – sagen?« Tobias stand vor seinem Bett und redete zu diesem, zumindest hätte es auf jeden anderen, der ihn so hätte sehen können, so gewirkt.
»Ich weiß es nicht mehr so genau. Immer, wenn ich versuche mich daran zu erinnern, dann fühle ich mich ganz schlecht und alles um mich herum wird dunkel. Ich habe schon so oft versucht von den anderen Geistern etwas mehr zu erfahren, aber sie legen dann immer ganz erschrocken ihre Geisterfinger auf ihre Geistermünder und flüstern hinter diesen hervor, dass ich schweigen soll, dass ich das Unheil nicht noch mehr heraus provozieren soll...«
»Aber, Du kannst doch die anderen Geister gar nicht sehen.«
»Ja, aber ich kann sie fühlen. Und Geister fühlen anders, weißt Du? Geister fühlen sehend...«
»Schweigen sollst Du? Das sind aber komische Regeln bei Euch Geistern. Ja, und was machst du dann, Schniefer?«
»Was ich dann mache, willst Du wissen, Tobias? Was sollte ich denn dann schon machen? Ich habe dann immer geschwiegen, bis heute. Aber jetzt bis ja Du da, da habe ich wenigstens jemanden, der mit mir redet. Vielleicht spielst Du ja auch mal mit mir.«
Hoffnungsvoll sahen die Geisteraugen durch den nebenlartigen Smog, der sie umgab.
»Ja, wenn Du willst, dann können wir auch mal zusammen spielen. Aber zuerst solltest Du mal versuchen für mich richtig sichtbar zu werden. Aber nur für mich, nicht für die anderen, denn die brauchen Dich vorerst nicht zu sehen. Und wenn Du erst mal sichtbar bist, dann sollten wir mal versuchen herauszufinden, wer Du mal warst, wie Du geheißen hast.«
»Wie glaubst Du denn, dass ich mich sichtbar machen soll?«, fragte der Geist.
»Das weiß ich auch nicht, denn ich bin bisher noch nie ein Geist gewesen, noch einem begegnet. Aber wenn ich Du wäre, dann würde ich mal versuchen ganz gest daran zu denken sichtbar werden zu wollen, wer weiß, vielleicht klappt das dann ja auch. Und wenn nicht, dann hast Du ja noch ganz viele Stunden zum Üben, denn ich muss jetzt erst mal schlafen, denn was glaubst Du, was später los sein wird, wenn ich nicht rechtzeitig wach werde und mein Zimmer nicht in Ordnung bringe?! Also, lass mich jetzt bitte schlafen. Du kannst ja mal das Sichtbarwerden üben...«
»Aber wie soll ich das denn machen? Ich kann mich doch gar nicht selbst sehen.«
»Schniefer, komm, ich mach Dir mal die Badezimmertür auf, dort drinnen ist ein großer Spiegel. Vor dem kannst Du ja mal üben. Und wenn Du dann sichtbar bist und es frühestens sieben Uhr morgens ist, dann darfst du mich auch wieder wecken.« Tobias wollte gerade aus seinem Bett, als Schniefer sagte: »Du brauchst mir nicht die Tür öffnen, ich komme auch so hindurch. Nur aus dem Kellergewölbe, da ist es mir nie gelungen herauszukommen, aber dorthin bin ich ja auch versperrt worden...«
»Du meinst mit Sicherheit eingesperrt worden. Nicht versperrt. Aber hör zu, ich muss jetzt unbedingt schlafen, Schniefer. Bitte, geh Du jetzt ins Bad und später reden wir weiter. Uns wird schon einfallen, wie Du sichtbar werden kannst. Aber jetzt: Gute Nacht.«
Schniefer verließ Tobias´ Bett und war im nächsten Moment in Tobias´ Badezimmer verschwunden und versuchte vor dem Spiegel Erscheinungsübungen. Aber so sehr er sich auch anstrengte, es gelang ihm nicht. Er konnte sich nicht im Spiegel sehen. Traurig setzte er sich in die Duschkabine und schlief ein.
Auch Tobias brauchte, trotz seinem abenteuerlichen Nachterlebnis, nicht allzu lange, bis er eingeschlafen war. In dieser Nacht träumte er von Geistern, von ganz vielen Geistern, die im Schloss seiner Eltern umherspukten und die versuchten Schniefer zu fangen, ihn wieder im Kellergewölbe einzusperren.
In dieser Nacht schlief Tobias so unruhig, dass er am Morgen, wenn er erwachen würde, sich mit Sicherheit darüber wundern würde, weshalb das Bettzeug, die Bettwäsche, von seinen Federbetten gezogen war. Denn durch sein Hin- und Herdrehen, kam er an die Knöpfe der Bettwäsche, so dass diese durch die Knopflöcher rutschten. Und so war es für die Bezüge ein Leichtes von den Kissen und Decken herunterzurutschen.
Kapitel 6: Sichtbar gegen unsichtbar
als Tobias am nächsten Morgen erwachte, war er sich nicht mehr so sicher, ob er Schniefer in der Nacht tatsächlich getroffen hatte, oder ob nicht doch alles nur ein Traum gewesen war.
Sich in seinem Zimmer umsehend, konnte er so gar nirgends eine Nebelschwade, die auf Schniefers Anwesenheit hätte schließen lassen, erkennen.
Etwas enttäuscht, nun doch alles geträumt zu haben, ging er ins Badezimmer, um sich für den Tag fertig zu machen.
Nach dem Zähneputzen stieg er in die Duschkabine und machte das Wasser an. Im nächsten Moment schrie es: »Wasser, igitt! Ich habe so lange in modrigen Wasserperlen leben müssen. Mach das Wasser aus, oder lass mich wenigstens hier raus, bitte!«
»Schniefer? Bist Du das? Gibt es Dich also doch!«, rief Tobias freudig erregt. Schnell drehte er den Wasserhahn zurück, so dass das Wasser auf der Stelle mit dem Fließen aufhörte.
»Danke. Jetzt kannst Du es wieder anmachen. Ich bin jetzt wieder draußen. Ich warte dann hier in dem Waschtrog, oder was immer das für ein Teil sein mag, auf Dich.« rief ihm Schniefer zu.
»Darf ich also jetzt wieder duschen? Gut, dann gehst Du aber raus, immerhin bin ich ja ganz nackt. Und da hast Du mir gegenüber wohl einen Vorteil. Geh bitte ins mein Zimmer. Ich komme auch gleich.« rief Tobias dem Geist zu. Ganz schnell schäumte er sich mit dem Duschgel ein, wusch es wieder ab. Hüpfte aus der Dusche, trocknete sich wieder ab und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Wozu einen Kamm nehmen, wenn es die Finger auch taten. Schnell rannte er in sein Zimmer zurück und suchte Schniefer.
»Na, bist Du fertig? Das ist schön, dann können wir ja jetzt spielen.« rief der kleine Geist Tobias zu.
»Schniefer, ich kann dich aber immer noch nicht sehen. Und so lange ich Dich nicht sehen kann, so lange können wir auch nicht miteinander spielen. Also mach dich sichtbar, während ich beim Frühstücken bin.«
»Frühstücken? Oh, da komm ich mit und danach können wir immer noch üben, das mit meinem Sichtbarwerden. Los, auf was wartest Du noch? Komm, ich hab schon so lange nicht mehr gefrühstückt!«, bettelte der kleine Geist.
»Mensch, Schniefer, wenn meine Mutter Dich sieht, was meinst Du, was da erst los ist...«
»Wie kann mich Deine Mutter sehen, wenn Du mich doch auch nicht sehen kannst?«, fragte Schniefer irritiert.
»Ach, ja, Du hast Recht. Also dann, lass uns frühstücken gehen, aber beiß´ mir nicht zu große Stücke vom Brot ab, sonst riecht meine Mutter womöglich doch noch Lunte.«
»Großes Geisterversprechen.« jubelte der Geist.
Somit machten sich die beiden ungleichen Freunde hinunter ins Frühstückszimmer, auch so einen Raum barg das Schloss, und Tobias holte sich eine Tasse mit warmer Schokolade und drei Scheiben braungebrannten Toast.
»Ja, Tobias, was ist denn mit Dir los? Du machst ja heute Bisse, als wenn Du zwei Münder hättest. Macht Dich die schottische Luft so hungrig? Dann musst Du Dich aber auch mehr bewegen, denn wenn Du von jetzt an jeden Tag so futterst, dann können wir Dich in einem halben Jahr zum Bowlingturnier anmelden...«
»Tatsächlich? Mensch, das ist doch klasse. Ich wollte schon immer mal Bowling spielen.«
»Ja, aber Du machst einen Denkfehler. Du würdest an dem Turnier nicht als Spieler, sondern als Bowlingkugel teilnehmen. Und das findest Du doch bestimmt gar nicht lustig, oder?« Karin versuchte ihr Gesicht in die Form einer runden Bowlingkugel zu bekommen und gleichzeitig die Augen wie – Schreibers Süßbückling – zu verdrehen.
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