„Das deckt sich mit den Spuren“, meinte Sauter. „Die Schleifspuren gehen bis an einen Feldweg. Keine verwertbaren Reifenspuren. Vielleicht eine Entführung mit Todesfolge.“
„Möglich. Der Schlag war präzise ausgeführt, der Tod gewollt.“
„Ich schätze der Täter wollte töten und brachte den bewusstlosen Söder mit seinem Auto zur Grabung, um die Leiche für immer verschwinden zu lassen. Nur hat er Söder ins falsche Grab gestoßen, eins das gerade frisch ausgegraben war. Aber wir haben keine Autoreifenspuren gefunden. Überall gibt es nur Spuren diverser Schubkarren der Grabungsmannschaft.“
5
Er blickte dem Jungen hinterher, wie er ins Auto stieg und fortfuhr. Gut! Komisch hatte der schon geguckt. Er würde schon noch verstehen, später. Mit dem vielen Geld konnte sich der Junge jede gute Frau leisten. Eine, die ihm Enkel schenken würde. So, wie es sich gehörte. Dieses Luder hatte dies doch nie im Sinn gehabt.
Er rieb sich die Hände. Söder hatte doppelt so viele Schafe, die jetzt alle ihm gehörten. Nun würden die anderen Züchter zu ihm kommen, würden ihm die besten Hammel verkaufen, würden ihm bestes Weideland zuteilen. Diese Archäologen würde er vertreiben. Wenn doch endlich alles wieder zugedeckt war und die Schafe grasen konnten.
Minuten später blickte er aus dem Fenster auf seinen verlassenen Hof. Was hatte der Junge vorhin gesagt? War wohl nicht so wichtig gewesen.
6
Kommissarin Sauter folgte Margit Schmidt, ehemals Harms, geborene Söder ins Wohnzimmer. Söders Tochter bat die Kommissarin Platz zu nehmen.
„Hatte Ihr Vater Feinde?“
„Nur meinen Ex-Schwiegervater. Otto Harms. Beide waren Schafzüchter und Nachbarn. Während mein Vater vor sechs Jahren alles verkauft hatte, machte der alte Harms weiter. Hatte aber nie ein Händchen dafür gehabt. Hat den Hof in den Ruin getrieben und Gunnar musste in die Fabrik, nein, Gunnar wollte dort arbeiten. Er wollte nie was mit Schafen zu tun haben. Ich glaube, der alte Harms hatte immer unseren Hof haben wollen, war neidisch auf alles, was Vater aus dem Hof gemacht hatte. Der war ganz schön berechnend. Als Gunnar und ich heirateten, wollte er einen Tag nach der Trauung meinem Vater sagen, wie alles nun geführt werden müsse. Vater hat ihn weggescheucht und Gunnar war es peinlich gewesen. Otto Harms hat stets meinem Vater die Schuld an seinem eigenen Versagen gegeben. Und als Gunnar mich wegen einer Achtzehnjährigen verließ, brach für den Alten alles auseinander. Vor vier Jahren habe ich wieder geheiratet. Der Otto ist nie darüber hinweggekommen, dass Gunnar weder Schafzüchter werden wollte noch den Hof übernahm, dass er von mir oder von Gunnars neuer Frau keine Enkel bekam. Jetzt bin ich an allem Schuld. Der Arme ist alt und senil. Gunnar wird ihn ins Altersheim bringen. Seine Frau will das.“
7
Er war wütend geworden. Plötzlich. Fürchterlich wütend. Archäologenpack. Diebe. Machten die ganze Wiese kaputt, die nun seinem Jungen gehörte. Die hatten nirgendwo rumzubuddeln. Am besten er erledigte die. Das war Notwehr. Die waren auf seinem Besitz. Sein Junge hatte genug um die Ohren, musste nun beide Höfe führen. Wieso musste das Söder-Luder ihn auch gerade jetzt verlassen. Wo war noch mal das Gewehr? Er hatte doch eins.
Er suchte in den Schränken, unterm Bett, in Truhen. Vergeblich. Am besten er wartete auf seinen Nachbarn Söder. Der musste doch mal wieder vorbeischauen. Der war nun schon seit Tagen nicht mehr da gewesen. Der hatte bestimmt ein Gewehr.
Minuten später hatte er wieder vergessen, was er gesucht hatte. Die Krankheit verschlimmerte sich nun von Tag zu Tag.
Als er die Polizeiwagen im Hof sah, freute er sich über den Besuch. Er, der sonst stets allein war, mit sich und seinen unerfüllten Wünschen.
Ende
Diese Kurzgeschichte können Sie gedruckt im Taschenbuch LESUMIS, Erzählband 1, erhalten:
ISBN 978-3-7467-1456-1
Nach dem Studium der ur- und frühgeschichtlichen Archäologie machte sich Ingo M. Schaefer als Inhaber eines Möbelgeschäftes in Freiburg i. Brsg. selbstständig. Er schrieb als freier Journalist für den Burda-Verlag in München. Fünfzehn Jahre leitete er einen Werbeartikel-Versandhandel in Bremen.
Der begeisterte Wasserballer leitete ehrenamtlich 10 Jahre einen Trägerverein zur Erhaltung eines Schwimmbades und trainierte 15 Jahre Jungen-, Mädchen-und Herrenmannschaften.
Er lebt mit seiner Familie in Bremen-Nord.
Ein Australien Roman
Dezember 2006
Brisbane, Ostküste Australien
„Dieser Urlaub darf nie zu Ende gehen!“, rief Emma und breitete die Arme aus. Sie tanzte mit den Wellen des Pazifiks. Die Dreizehnjährige sprach mit fremdländischen Akzent. Der gleichaltrige Louis grinste einfach und hielt mit ihr Schritt. Er wusste nicht, was er sagen sollte, also schwieg er. Vielleicht gab sie ihm wieder einen Kuss, wie gestern, als er den fetten Kerl zu Boden schubste, der sie an den Haaren ziehen wollte.
Louis staunte über sich. Mädchen interessierten ihn eigentlich nicht. Die kicherten. Gut, geärgert hatte er sie auch. Bis jetzt. Emma war anders.
Ihre verwundbaren Augen zogen ihn an. Ihr volles kräftiges dunkelblondes Haar, ihr Lächeln, ihre sanfte Stimme und viele andere Kleinigkeiten machten aus ihm einen anderen. Seit er hier in Brisbane mit seinen Eltern angekommen war und Emma am Strand kennengelernt hatte, war er wie befreit und ihm schien das Mädchen auch.
Seine Mutter gluckte nicht um ihn herum. So entspannt hatte er sie nie erlebt. Brisbane war toll - mit Emma.
Schade, dass sie sich nur heimlich treffen konnten. Ihre Eltern wollten ihn nicht.
Emma durfte die dreitägige Tour ins Outback nicht mitmachen, obwohl er das insgeheim hoffte, seit er Emma kannte. Seine Eltern taten deswegen bereits geheimnisvoll und bedauerten, dass Emma nicht dabei sein durfte.
Ihre gemeinsame Zeit verbrachten sie bei Sonnenaufgang, wenn alle schliefen. Emmas blöder Vater und die blödere Mutter verboten ihr alles. Nicht mal ein Handy erlaubten die ihr.
„Typisch Deutsche“, tröstete Olana White ihren Sohn am Tag vor der Abfahrt. „Die kennen nur Verbote und Pflichten.“
„Die beiden sind eine Ausnahme und unsympathisch, Schatz“, meinte ihr Ehemann Steve. „Wir haben drei Jahre in Berlin gelebt. Verbote bekam ich nicht mit, jedenfalls nicht mehr als in anderen Ländern. Vielleicht darf sie ja mit auf die Probefahrt. Aber seltsam sind die schon.“
„Dürfte sie denn mit?“, fragte Louis aufgeregt.
„Von uns aus, ja“, nickte seine Mutter. „Sie ist ein nettes starkes Mädchen und spricht schon sehr gut englisch.“
„Ich werde sie beschützen und heiraten“, versprach Louis.
Olana und Steve sahen sich an. Ihr Sohn war ein Dickkopf wie sie. Diesen Ernst allerdings kannten sie bisher nicht.
„Ein Mann, ein Wort“, meinte Steve und hielt seinem Sohn die Hand hin. Der schlug ein. Olana verdrehte die Augen.
„Zuerst solltest du sie fragen, ob sie dich will. Du bestimmst da gar nichts.“
Zu Beginn der Tour in die Wildnis langweilte sich Louis. Er akzeptierte, dass seine Eltern alles versuchten, um seine Laune zu heben. Sie liebten ihn und er sie, aber mit Emma war alles anders, heller, grüner, bunter, aufregender.
Dann geschah etwas Seltsames. In der Wildnis traf er bemalte Männer, Eingeborene, die seine Eltern umarmten. Louis erfuhr, dass er tiefere Wurzeln zu diesem Land besaß, als er geahnt hatte.
Emma fürchtete sich vor denen, die sich als ihre Eltern ausgaben. Daher schien ihr Louis wie ein Fenster in ein anderes besseres Leben. Er war der Prinz, der sie retten konnte. Er fürchtete weder den Vater noch die Frau, die sie zwangen, sie Vater und Mutter zu nennen und Dank forderten. Sie erinnerte sich nur vage an ein anderes Leben, das mit jedem Tag verblasste. Über ihre toten Eltern durfte sie nicht sprechen.
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