Barbara Cartland - Auf den Flügeln der Liebe

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Armand, Viscount Sherringham, Sohn des englischen Premiers, reist unter falschem Namen nach Frankreich, um die Pläne Napoleons für eine Invasion in England auszuspionieren. Auf dem Weg nach Paris lernt er die schöne Comtesse Rêve de Valmont kennen. Für beide ist es Liebe auf den ersten Blick. Rêve aber ist bereits dem Comte Gilles de Durieux versprochen; Napoleon selbst drängt auf eine baldige Hochzeit. Im Garten des Châteaus Valmont wird Armand bei einem Duell am Kopf schwer verwundet. Rêve, die durch einen Zufall die wahre Identität Armands und seine Mission erfahren hat, versucht trotzdem, sein Leben zu retten. Sie gibt ihn als ihren Stiefbruder Armand aus, der seit seiner Kindheit in Polen lebt und in diesen Tagen zur Vorbereitung der Hochzeitsfeierlichkeiten in Valmont erwartet wird. Als Armand aus langer Bewußtlosigkeit erwacht, hat er das Gedächtnis verloren. Seine Erinnerung ist ausgelöscht – und damit auch seine Liebe zu Rêve. Er sieht in ihr nur die fürsorgliche Schwester… Ein historischer Liebesroman, glänzend erzählt, der nicht zuletzt durch die treffsichere Milieuschilderung besticht.

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1

Der Earl of Morden schritt unruhig im Kabinettszimmer der Downing Street Nummer 10 auf und ab.

Die Stühle waren abgerückt, auf dem Tisch lagen Dokumente, die Federn waren noch naß von Tinte, und die Streusandbüchse war umgekippt - alles deutete darauf hin, daß hier noch vor kurzem eine Sitzung stattgefunden hatte.

Der Nachmittag neigte sich seinem Ende zu, und in einem anderen Teil des Hauses wartete Lady Morden auf ihren Gatten; auf dem Herd kochte bereits in einem silbernen Kessel das Wasser für seinen Lieblingstee.

Doch Lord Morden machte keine Anstalten, das Kabinettszimmer zu verlassen. Langsam schritt er auf und ab und hielt nur gelegentlich inne, um leeren Blickes durch die hohen Fenster auf den darunterliegenden Garten zu starren.

Einmal zog er seine Uhr aus der Westentasche, verglich die Zeit darauf mit der auf der Boulle-Uhr, die auf dem Kaminsims aus Marmor stand, und nahm dann seinen unruhigen Gang wieder auf.

Ungefähr zwanzig Minuten waren verstrichen, als die Tür aufging und ein Diener in einer goldbestickten Livree eintrat.

»Viscount Sheringham, Mylord!«

Eine kurze Stille trat ein, nachdem die Worte des Dieners verhallt waren, dann erschien Lord Sheringham.

Er war makellos gekleidet und trug sein dunkles Haar kunstvoll zu der modischen, erst kürzlich vom Prinzen eingeführten Windstoßfrisur gekämmt, dazu einen Rock aus dunkelblauem, hochfeinem Tuch, den der berühmte Swartz selbst zugeschnitten hatte, und Schaftstiefel, die mit einer ausgeklügelten Mischung aus schwarzer und champagnerfarbener Schuhcreme so lange poliert worden waren, bis sich das goldene Licht der Nachmittagssonne darin spiegelte.

Seine Halsbinde war ein Meisterwerk, der Sitz seiner Hosen fast ein Wunder - kurz gesagt, seine Lordschaft war ein Dandy. Als er langsam ins Zimmer schritt, sah Lord Morden ihm, seinem einzigen Sohn, finster und ohne Freude entgegen.

Lord Sheringham zeigte den Ausdruck moderner Langeweile: Seine Lider waren halb geschlossen, die Mundwinkel leicht und fast verächtlich herabgezogen. Doch das Gesicht, das sich hinter dieser Maske zu verbergen suchte, war auffallend hübsch.

Die Gesichtszüge waren scharf geschnitten und unverkennbar aristokratisch und ließen keinen Zweifel an Lord Sheringhams außergewöhnlicher Intelligenz.

Unter den gesenkten Lidern jedoch blitzten seine Augen aus Übermut oder aus Leidenschaft, was so gar nicht zu der trägen Miene und den affektierten Bewegungen paßte.

Seine Art zu Reden allerdings war ein vollkommenes Beispiel für die gedehnte Sprechweise, derer sich all die Lebemänner und Gecken bedienten, die ihre Zeit im Carlton House oder in einem der modernen Clubs von St. James verbrachten.

»Sie wollten mich sprechen, Vater?« fragte Lord Sheringham. »Ihre Nachricht kam in einem verdammt ungünstigen Augenblick, als ich gerade meine beste Karte seit Wochen in der Hand hielt. Da ich jedoch annahm, daß irgendein Unglück geschehen sei - daß Sie im Sterben lägen oder Ihr Konkurs bevorstehe -, bin ich, so schnell Ihre Kutsche mich fahren konnte, hierhergeeilt.«

Er schwieg kurz, fuhr dann aber fort: »Übrigens, weil ich gerade davon spreche - Sie sollten mir erlauben, Ihnen bei Tattersall ein paar neue Pferde zu kaufen, da Ihre dunklen Füchse wirklich äußerst lahm sind.«

»Danke, Armand, aber ich kann mir meine Pferde sehr gut selbst aussuchen«, entgegnete Lord Morden kühl. »Ich muß mich entschuldigen, wenn ich dich in einem so ungünstigen Augenblick kommen ließ, doch es ist unbedingt notwendig, daß wir sofort miteinander reden.«

Während er sprach, war er ans Fenster getreten, hatte sich umgewandt und kam nun wieder zur Mitte des Zimmers zurück.

Lord Sheringham hob sein Augenglas, blickte seinen Vater kurz an und rührte sich nicht vom Fleck.

Lord Morden hielt abrupt inne.

»Sicherlich weißt du, worüber ich mit dir sprechen muß«

»Ich habe eine vage Vermutung, Sir.«

»Das dachte ich mir«, entgegnete Lord Morden grimmig. »Die offizielle Beschwerde des preußischen Botschafters an den Außenminister wurde heute hier in die Kabinettssitzung gebracht, und wir haben sie ausführlich besprochen.«

Zum ersten Mal, seit er den Raum betreten hatte, machte Lord Sheringham ein respektvolles Gesicht.

»Das muß ja verflixt peinlich für Sie gewesen sein, Sir!«

»Es ist schon einiges mehr als nur peinlich!« sagte Lord Morden gereizt. »Armand, wie konntest du nur solch ein Narr sein - ein so verdammter Narr?«

Lord Sheringham hob leicht das Kinn, antwortete jedoch langsam, und offenbar ohne die geringste Absicht, sich zu verteidigen.

»Dieser Bursche hat keinen Sinn für Humor, Vater, sonst hätte er mir das nicht übelgenommen.«

»Kein Preuße hat je Sinn für Humor gehabt, aber das ist keine Entschuldigung für dein Benehmen!«

»Es sollte ja keine Beleidigung sein. Vorgestern Abend unterhielten Freddie Ainsby und ich uns im Club über das Essen, und ich wettete mit ihm um tausend Guineen, daß ich ein Abendessen zaubern könne, das ein Meisterwerk der Kochkunst sei, trotzdem aber ungenießbar aufgrund der Art, wie es am Tisch serviert wird. Da Freddie meinen Küchenchef kennt, nahm er die Wette an, und die Gäste wurden geladen.«

Er hielt einen Augenblick inne, um dann mit einem leichten Lächeln fortzufahren: »Ich gewann die Wette. Freddies Schuldschein habe ich hier in der Tasche. Das Essen begann mit Austern, den allerbesten und fettesten aus Colchester. Sie wurden den Gästen in Spucknäpfen serviert, die sie daraufhin unangerührt zurückgehen ließen. Als zweiten Gang gab es eine köstliche, außergewöhnlich gute Suppe, die die Diener jedoch in ganz gewöhnlichen Haus -«

»Genug!« unterbrach sein Vater ihn und hob die Hand. »Ich habe keine Lust, noch mehr Einzelheiten zu hören, Armand! An diesem Tisch ist heute nämlich bereits ausführlich darüber diskutiert worden.«

Lord Sheringham warf einen Blick auf die leeren Stühle. Nur zu gut konnte er sich die Kabinettsmitglieder dabei vorstellen: da waren Canning, der Außenminister, ein ehrgeiziger, theatralischer, oberflächlich geistreicher und verheerend unbesonnener Mann; daneben Lord Castlereagh vom Kriegsministerium, ein durchtriebener Mann aus Ulster mit einem instinktiven Gespür für Außenpolitik; dann Lord Hawkesbury, der klägliche Innenminister mit dem längsten Hals Englands, der immer wirkte, als wäre er gerade zum dritten Mal der Folter entkommen und sähe zu, wie sie für das vierte Mal hergerichtet wurde; und Spencer Perceval, Schatzkanzler und erster Mann des House of Commons, ein fröhlicher, bescheidener, kleiner Mann mit beschränkter Bildung und beschränkten Prinzipien, ein Protestant mit extrem protestantischen Ansichten.

Lord Sheringham konnte sich die Reaktionen der einzelnen Minister auf seinen letzten originellen Einfall sehr gut ausmalen - Unmut, Staunen, Empörung und vielleicht bei manchen von ihnen auch einen gewissen Neid.

Er blickte seinen Vater mit einem unmißverständlichen Augenzwinkern an.

»Ich muß gestehen, Sir, es war ein Fehler, den preußischen Botschafter einzuladen, aber es war eben ein spontaner Einfall von mir. Der Botschafter hat sich in letzter Zeit recht unbeliebt gemacht, und ich lud ihn lediglich zu einem Abendessen ein, das seinem Ruf entsprach.«

»Ohne vorher die genauen Umstände zu nennen, unter denen das Essen und die Einladung zustande kamen?« fragte Lord Morden unwirsch.

Das Glitzern in Lord Sheringhams Augen nahm zu.

»Ich fürchte, dieses kleine Detail habe ich leider übersehen, Sir.«

Die Blicke von Vater und Sohn trafen sich, und einen Moment lang schien es, als würde auch Lord Morden lächeln. Dann wandte er sich jedoch jäh ab, als ärgere er sich über seine eigene Schwäche, und begann erneut, im Zimmer auf und ab zu gehen.

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