In Zukunft wird zudem nicht nur das bisweilen recht verzwickte Verhältnis der Geschlechter zueinander vermehrt auf Humor angewiesen sein: Unsere gesamte so hysterische wie abgeflachte bis leere Kommunikation, ob herkömmlich analog oder mit dem neuesten digitalen Technikzauber aufgerüstet, hat dringend mehr Humor nötig. Ein Umgang zwischen den Menschen, dem es an Humor mangelt, ist nicht nur anfälliger für frostigen Stress, empfindungslose Monotonie oder lähmende Langeweile, sondern ebenso für Fremdheit, Voreingenommenheit, Wichtigtuerei und Intoleranz. Mit der Zeit erweist sich ein Manko in Sachen Humor als regelrecht asozial und psychisch riskant. Solange wir halbwegs zufrieden, ausgeglichen, gesund, friedlich, erfolgreich und sozial eingebunden leben möchten, können wir uns gerade das nicht mehr leisten.
Deshalb führt Sie der schließlich dritte Teil über die zahllosen Erscheinungsformen des Humors, den ungleichen Umgang der Geschlechter mit Humor sowie den vermeintlich unterschiedlichen Humor der Völker hin zu dem einheitlichen Modell der Komikeinheit. Anhand dieses Modells werden Sie Humor allmählich verstehen, wie er konstruiert ist, wie er funktioniert und gezielt erdacht werden kann. Absolut jeder gelungene Humor, jeder Witz, jeder Scherz zeigt ein gleiches Muster, setzt sich aus regelmäßig vier Bausteinen der Komikeinheit zusammen: dem typisch menschlichen Gegenstand, der Doppeldeutung, dem ungewissen Spott und dem intuitiven Stil mit Pointe. Sobald Sie diese vier Bausteine durchschauen, werden Sie sich mit Ihrem Humor deutlich leichter tun.
Weiterführend behilflich sein können Ihnen dabei auch das zweite und dritte Buch „Der Bauplan des Humors“ sowie „Humor kreativ“, für das Ihnen die hier erste Beschreibung der Komikeinheit als Vorgeschmack dienen soll. Falls Sie allerdings noch immer nicht beabsichtigen, Ihrem Humor eine neue Chance zu geben, dadurch selbstsicherer, seelisch stabiler, amüsanter, beliebter und attraktiver zu werden, lassen Sie sich eben nur informieren und zusätzlich gut unterhalten von den Einblicken in die faszinierende Welt des Humors.
Humor beseitigt nicht die Minuszeichen des Lebens, aber er setzt sie in Klammern mit einem Plus davor.
Humor ist eine Lebensformel, die wir für viele Bereiche des Alltags erst wiederentdecken müssen. Dass die Deutschen und andere Völker insgesamt weniger Spaß miteinander haben, liegt nicht oder nicht nur an deren Tradition, Geschichte oder Mentalität, auch nicht allein an dem fehlenden Wissen über Humor: Ein weiterer Grund sind verbissen sich haltende Vorurteile und Irrtümer:
Mit der weit verbreiteten Auffassung fängt es an, entweder man habe Humor, oder man habe keinen. Vergessen Sie diesen Trugschluss: Jeder seelisch einigermaßen gesunde Mensch besitzt Humor, einen angeborenen Sinn für Komik zumindest, und der lässt sich entwickeln, was übrigens für alle Geschlechter gleichermaßen gilt. Der Humor wird uns höchstens ausgetrieben: von Langweilern und Druckmachern, Wichtigtuern und Spaßbremsen. Bereits die Schule leistet ganze Arbeit, in der Erwerbswelt setzt sich das fort. Auch die abgenutzte Distanzlosigkeit innerhalb vieler Partnerschaften lässt dem spontanen Humor oft wenig Raum. Sie können aber etwas tun dagegen, sich von der eigenen Humorlosigkeit erlösen und gegen die der anderen immunisieren, indem Sie Humor durchschauen, beherrschen, gezielt entwickeln, sich ein Stück weit von den fremdbestimmten Idealbedingungen für spontanen Humor befreien und dadurch die Stimmung, den Spaß, die Situation selbst in die Hand nehmen.
Wer keinen Humor hat, kann sich immerhin welchen ausdenken.
Ein zweiter Irrtum folgt der Auffassung, wonach Humor, Witz und Komik, da in endloser Vielfalt existierend, kein durchweg einheitliches Muster zeigen: So stünden die Volksgruppen, Regionen, sozialen Schichten, Dialekte, Altersgruppen und Geschlechter für einen unterschiedlichen Humor, überhaupt jeder Mensch habe einen etwas anderen Humor. Dem folgend hat sich die Humorforschung tatsächlich mehr den Unterschieden zwischen den Humorformen gewidmet, anstatt ebenso konsequent die eine, generelle Funktionsweise aufzudecken. Dieses Buch geht anders vor, sucht und findet das Gemeinsame.
Wenn jemand keinen Humor hat, muss man ihn deswegen nicht gleich ernst nehmen.
Damit verbunden ist der dritte Irrtum: Humor sei weder ausreichend zu ergründen noch bewusst beherrschbar. Sobald man über Komik, Witze, Scherze oder Selbstironie tiefer nachdenke, sei die lustige Wirkung verflogen, zerplatzt wie eine Seifenblase. Humor sei eine rein spontane Angelegenheit, könne nicht durchschaut und nicht nach Plan konstruiert werden. Mit diesem Argument ziehen sich ansonsten kluge Köpfe offenbar aus der Schlinge, sich mit dem so komplexen wie unterschätzten Metier des Humors tiefergehend beschäftigen zu müssen. Dem aber steht die Frage entgegen, wo die unendlichen Mengen an Witzen, Sketchen, Cartoons und Gags, vor allem in den Medien, herkommen, wenn nicht aus der arrangierten Denkretorte. Gerade der Mensch ist das einzige Wesen, das Phänomene erforschen, unbegrenzt zu Einsichten gelangen, sich bewusst anpassen und verschiedene Fähigkeiten, einschließlich schöpferischer, auch ohne großes Talent systematisch entwickeln kann.
Nichts ist so ungewiss und so wenig genau umrissen wie unsere Anschauungen über den Humor. – Henry Fielding
Ein vierter Irrtum: Seitdem der Mensch fühlt und denkt, ist Humor zwar sein täglicher Begleiter. Schon als Säugling kommuniziert er instinktiv über das Lachen mit seiner Umwelt. Für Kinder und Jugendliche ist Humor eine grundlegende Eigenschaft und Verhaltensweise, gehört er zur spielerischen Bewältigung des Alltags. Mit Humor haben wir gemeinschaftlichen Spaß, beherrschen wir Situationen, erfreuen und gewinnen wir unsere Mitmenschen, behaupten uns, verschaffen uns und anderen Momente der Auflockerung, Unterhaltung und Entspannung.
Trotzdem werden Witz und Humor in der Kommunikation des geschäftigen Alltags nach landläufiger Meinung oft als oberflächlich, absurd oder unangebracht abgetan, kaum als wirkliche, immer gern gesehene Kunst gewürdigt. Humor und Witzigkeit werden bestenfalls für kurze Zeit akzeptiert, um sogleich mit der kalten Dusche „Spaß beiseite“ zur strengen Tagesordnung zurückzukehren, damit das heilige Pensum noch zu schaffen ist, der Lehrplan, der Terminplan, der Auftrag, das Umsatzziel, der Aktenberg. Oder um den sachdienlichen Anschein zu wahren und sich bloß nicht dem Verdacht auszusetzen, die vielen Probleme, Herausforderungen und tragischen Geschehnisse zu verharmlosen und dadurch Pflichten, Respekt, historisches Schuldbewusstsein und Leistungsbereitschaft zu verweigern.
Hinzu kommen so vage Erscheinungen wie Ironie, Zynismus, Spott und Sarkasmus, für die wir leicht anfällig sind, die uns jedoch nie ganz geheuer waren, da sie verunsichern und verletzen können, leicht missverstanden oder gar nicht erst erkannt werden. Viele Menschen fühlen sich genervt von der Comedy-Flut in den Medien oder dem schrill bunten, alljährlich sein närrisches Unwesen treibenden Karneval. Vom zusammenhangslosen Abspulen hochbetagter Witze ganz zu schweigen.
Deshalb stehe Humor wesentlichen Dingen unserer Kultur und Zivilisation entgegen, die uns mühevoll auf dem Weg zum mündigen Bürger eingetrichtert werden: Logik, Vernunft, Moral und Bildung zählen dazu, ein geistiger und künstlerischer Anspruch und vor allem: die so oft angemahnte Ernsthaftigkeit, Etikette, Pietät und Political Correctness. In dem einen oder anderen Fall spielt ein religiöser, todernster Glaube eine Rolle. Insofern vereine sich Humor nur bedingt mit unseren täglichen Aufgaben und geforderten Attributen wie fleißigem Arbeiten, sachlicher Geschäftigkeit, dem Lernen, Lehren und Erziehen, mit Autorität, Disziplin, Seriosität und Kompetenz.
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