Aus der Nähe sah Palmer, dass beide größer und massiger waren als Hernandez. Mindestens einen Meter neunzig, mindestens einhundertzwanzig Kilos. Sie waren auch jünger, um die dreißig, und sahen wie Brüder aus. Die gleichen eng zusammenstehenden Augen, die gleichen höckerigen Nasen, die gleichen wulstigen Hälse. Typen, die sich Freitag Abend beim Football die stärksten Gegenspieler aussuchten und niederwalzten und anschließend in ihrer Stammkneipe eine doppelte Portion Burger und Fritten verschlangen und mit einem Liter Bier hinunterspülten. Typen, die glaubten, sie wären unbesiegbar und es zuhause in ihrer kleinen Welt vermutlich auch waren.
„Hey, Hernandez aus Las Vegas.“
Der Mexikaner drehte sich um. Alle drei musterten Palmer. Relaxt, selbstsicher. Sie machten einen imposanten Eindruck, und ihre Haltung zeigte, dass sie das wussten.
„Ah, der Josh“, sagte Hernandez. Und lächelte sein immer noch nicht unsympathisches Lächeln.
Hernandez hielt ebenfalls ein Coors in der Hand, die andere Hand hatte er in die Hüfte gestemmt, wie am Morgen auf dem Plaza. Palmer wollte die Rocker nicht in Alarmbereitschaft versetzen und ging drei langsame Schritte auf sie zu und blieb stehen, zwei Meter vor ihnen. Auch die beiden anderen grinsten. Sie schienen das Schauspiel zu genießen, ohne einen Gedanken an den Ausgang zu verschwenden.
Palmer merkte, wie hinter ihm die beiden Frauen zurück in den Saal gingen. Es wunderte ihn nicht. Frauen in Bars haben ein gutes Gespür für die Stimmung.
Er sagte, „Du bist also ein Coyote, huh?“
„Wir sind alle Coyotes, Josh.“ Dabei drehte sich Hernandez um und zeigte Palmer noch einmal seinen breiten Rücken mit dem grinsenden Tier. Die beiden anderen machten es Hernandez nach.
„Ja, so einer läuft auch ab und zu über mein Land“, sagte Palmer, „nur ist der schlanker und grinst nicht so dämlich. Aber weshalb ich hier bin, du Coyote, ich habe dir ein paar Fragen gestellt, doch du bist einfach weggegangen. Weg gehumpelt .“
„ Shut up .“ Hernandez lachte. „Du bist mir ja ein echt komischer Vogel, Palmer. Ich hab den Eindruck, du weißt nicht, mit wem du es zu tun hast. Aber ich gebe zu, deine Reaktion heute Mittag war gar nicht mal schlecht, da hast du mich wirklich überrascht. Was aber nicht noch einmal passieren wird, also sieh dich vor.“ Hernandez trank und rülpste und sagte, „Wie auch immer, ich bin nicht die Auskunft. Aber schön, dass du es geschafft hast. Ich meine, heute Abend hierher zu kommen.“
„Ja, manchmal kommen die Dinge so auf einen zu.“ Palmer sagte, „Ich muss wissen, von wem die Nachricht ist, Hernandez. Ich denke, du verstehst das. Lass uns dieses kleine Problem also schnell und einfach aus der Welt schaffen, bevor du noch weiter solche unanständigen Geräusche machst. Was meinst du?“
Hernandez nahm noch einen Schluck, rülpste wieder, schüttelte den Kopf und sah ihn wortlos an. Ich bin nicht die Auskunft.
Palmer sagte, „Nun, ich bin hier und du bist hier mit deinen beiden Sidekicks“ – er nickte rechts und links – „sonst niemand. Aber irgendjemand muss dir die Nachricht gegeben haben. Und irgendjemand muss dir gesagt haben, wo ich zu finden bin.“ Palmer machte eine Pause, aber Hernandez schwieg, also sagte er, „Oder wolltest du vielleicht mit mir ausgehen und hattest nur nicht den Mut, mich zu fragen? Falls ja, solltest du wissen, dass du nicht mein Typ bist. Ohne Hut schon gar nicht. Dein Glatzkopf macht dich noch hässlicher als du ohnehin schon bist. Außerdem hast du ja bereits zwei Liebhaber, und die passen ziemlich gut zu dir. Ihr seid ein wirklich stattliches Trio. Ihr könntet hier im Roadhouse auftreten. Ich hab auch schon einen Namen für euch: The Weather Boys.“
Wieder grinsten alle drei.
„Und euer besonderes Merkmal ist, dass ihr vor jedem eurer Gigs It's rainin' men im Kanon rülpst.“
„Ich denke, wir bringen zu Ende, was wir heute Mittag angefangen haben“, sagte jetzt Hernandez, „und das wird nicht lange dauern.“
Palmer machte einen weiteren Schritt auf sie zu. „Nun, das können wir gerne tun. Aber danach musst du mir meine Fragen beantworten, Hernandez, und anschließend gehen wir da hinein zu Jason und trinken ein Guinness. Du zahlst.“ Dabei drehte er sich und sah seinem ausgestreckten Arm nach, der in den Saal zeigte.
Hernandez tat dasselbe.
The drinks will flow and the blood will spill, and if the boys wanna fight, you better let´em.
Palmers rechte Faust traf den Hals des Mexikaners, bevor der seinen Fehler erkannte. Und einen Lidschlag später traf sein linker Handballen das Kinn, das hart gegen den Oberkiefer krachte.
Innerhalb einer halben Sekunde wurde der Schädel des Mexikaners erst nach links, dann weit nach hinten in den Nacken geschleudert; sein Gehirn schwappte unausweichlich in die entgegengesetzten Richtungen. Die Folge war ein Schleudertrauma wie bei einem Aufprall mit dreißig Meilen pro Stunde gegen eine Wand. Zehn mehr als in Benson Trail erlaubt.
Der Mexikaner verlor die Kontrolle über seinen Körper, sackte zuerst auf die Knie, dann auf den Boden, wo er regungslos liegen blieb. Neben seiner Bierflasche, die ihm aus der Hand geglitten war.
Noch bevor der Mexikaner auf den Boden aufschlug hatte Palmer den rechten Coyote an beiden Stiefeln gepackt und nach oben gewuchtet. Das Geländer im Rücken wirkte wie ein Hebel und einhundertzwanzig Kilos Muskeln und Fett und Arroganz schnellten darüber hinweg und in einem vollen Überschlag zwei Meter nach unten in den Staub. Offensichtlich ohne sich abzurollen landete der Rocker flach auf dem Rücken, denn Palmer hörte ein dumpfes, sattes Geräusch. Einen Moment später knallte seine Bierflasche gegen einen der Trucks. Dann hörte Palmer nichts mehr.
Er hatte sich bereits umgedreht, den Blick auf den dritten Coyote gerichtet. Der stand breitbeinig vor ihm, die Flasche mit der rechten Hand fest umklammert.
Palmer spürte das Geländer in seinem Rücken. „Mit dir habe ich nichts zu tun“, sagte er, „nur mit Hernandez. Also, wenn du willst, dann geh nach unten zu deinem Kumpel.“
Im Augenwinkel sah Palmer, dass Hernandez immer noch am Boden lag, regungslos. Aus seinem Mund quoll dickes Blut.
„Mein Bruder“, sagte der Rocker, „du hast gerade meinen Bruder von der Veranda geworfen“, nahm die Zigarette aus dem Mund und warf sie weg. „Wir sind Coyotes. Einer steht für den anderen ein. Immer.“
Palmer wusste, was das bedeutete. Zu einer Gang wie den Coyotes gehörst du ein Leben lang. Kündigung ausgeschlossen. Nur der Tod scheidet euch.
„Dann wird es dir wie ihm ergehen“, sagte Palmer mit Kopfnicken auf Hernandez. Sein Blick blieb auf dem Rocker.
Er sah den Rocker seine mächtigen Schultern heben.
„Das glaube ich nicht“, sagte der Rocker und machte einen großen Schritt und holte zugleich weit mit dem rechten Arm aus. Die Flasche in seiner Faust mit dem Boden nach unten zielte auf Palmers Kopf.
Der Angriff war unvorbereitet und langsam und nur von dem dumpfen Selbstbewusstsein eines massigen Kerls geprägt, der es gewohnt war, seine Kämpfe durch rohe Gewalt und sein schieres Gewicht zu gewinnen.
Palmer tauchte unter dem Arm hinweg, kein Problem. Die Flasche schlug ins Leere, prallte dann auf das Geländer und zerplatzte. Blut spritzte in einem Bogen in die Luft und auf den Boden.
Durch die Wucht seines Angriffs verlor der Rocker das Gleichgewicht und fasste mit der linken Hand das Geländer, um nicht darüber zu stürzen wie sein Bruder.
Palmer hinter ihm hatte den perfekten Winkel.
Ein Tritt, der linke Unterarm des Rockers brach auseinander. Die Hand ließ das Geländer los. Der Rocker fiel schwer neben Hernandez auf den Boden.
Er wollte sogleich wieder aufstehen, konnte aber keine seiner Hände benutzen – der linke Arm gebrochen, die rechte Hand zerschnitten – und fiel zurück auf den Boden. Blickte hoch, schwer atmend, wortlos, und beobachtete Palmer, der still da stand.
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