Habe ich Aussicht auf (gleichwertig bezahlte) Arbeit?
Habe ich bereits soziale Kontakte auf der Insel?
Das kann man natürlich auch alles ignorieren und nach dem Motto „wird schon schiefgehen“ vorgehen. Schließlich winken unvergleichbare Erfahrungen – sich in eine andere Gesellschaft einzufügen, ist immer auch spannend.
Mein Tipp
Nach meiner Erfahrung muss man nicht auf alles die passenden Antworten haben – mein Rat ist aber ebenso, dass Ganze nicht zu unterschätzen. Ich habe von zu vielen Deutschen gehört, die hier erst mal ganz schön strampeln mussten – aber es dann allerdings auch in Gang gebracht haben. Einige Grundüberlegungen möchte ich im ersten Kapitel aufgreifen.
Wie gut sind meine Englisch-Kenntnisse und kann ich damit den Job machen, den ich mir vorstelle (oder in Deutschland ausgefüllt habe)?
Aus meiner Erfahrung ist es ein vollkommen anderes Ding, in der Schule „gut“ in Englisch gewesen zu sein, auch regelmäßig im Job Englisch zu sprechen oder sich in Großbritannien im Alltag zurecht zu finden. Aus meinem Job-Umfeld in der IT-Branche war ich eher die amerikanische Aussprache gewohnt, und unser schulisches „Oxford English“ spricht hier praktisch keiner. Zudem wird man auf einmal mit Vokabeln und Phrasen konfrontiert, denen man in Job oder Schule nie begegnet ist. Ich erinnere mich noch gut an die ersten Tage hier, in denen ich telefonisch und in schwindelerregendem Runterrasseltempo die Terms & Conditions unserer neuen Versicherungsverträge vorgelesen bekam, ungefähr 10% verstanden hatte und nicht mal sicher war, ob ich die richtige Phrase für „wo soll ich unterschreiben“ gewählt hatte…
Aussprache und Mundart sind nicht nur regional verschieden (die Schotten rollen z.B. ein herrliches R ), sondern auch über die Klassengrenzen extremer. So fiel es mir meistens schwer, den zahlreichen Handwerkern, die wir schon in unserem gemieteten Haus begrüßen mussten, zu folgen, wenn sie mit mir den jeweiligen Schadensfall diskutieren oder einfach über deutschen Fußball plaudern wollten.
Mein Tipp
Ehrlich mit sich selbst sein, was die eigenen Fähigkeiten betrifft. Und wenn Verbesserungsbedarf besteht, kann ich die folgenden, selbst ausprobierten Maßnahmen empfehlen
Bei „One Word a Day“ einschreiben – ein wirklich großartiger Service und immer noch kostenlos
Es gibt von OWAD auch einen recht preiswerten, v.a. auch auf Business English bezogenen Service (über den OWAD Shop aufrufbar) mit Artikeln, Audio-Version und Vokabeltrainer
Rosetta Stone – immer noch die beste Sprachlern-Plattform; nicht ganz billig, aber den Preis wert
Englischsprachige (keine amerikanischen) Filme und Serien gucken
Die Harry Potter- Trilogie in der britischen Ausgabe von vorne bis hinten lesen und mitwachsen. Es mag nicht jedem aufgefallen sein, aber mit den sieben Schuljahren und daher sieben Bänden wird nicht nur die Geschichte, sondern auch die Sprache von Buch zu Buch komplexer
Über den BBC iPlayer Dokumentationen gucken
Sich einen (privaten) Tutor suchen, der Sprachlektionen z.B. über Skype durchführt – effizient und kostengünstig
Und am allerwichtigsten: Jede Gelegenheit zum Englischsprechen nutzen!
Naturgemäß keine einfach zu beantwortende Frage. Zunächst ist wichtig zu wissen, dass Deutsche als EU-Bürger im Vereinigten Königreich Freizügigkeit genießen, d.h. wir haben das Recht, uns in Großbritannien aufhalten zu dürfen, eine Arbeit aufzunehmen und auch Eigentum zu erwerben – genauso wie die Briten selbst.
Die Antwort auf das Wohin kann nur jeder individuell beantworten. Grundsätzlich werden bei den meisten Auswanderwilligen sicherlich finanzielle bzw. arbeitstechnische Bedingungen den Ausschlag geben – so auch bei mir. Wir wohnen zwar nicht in London – aus meiner Sicht unbezahlbar. Da ich im technischen Vertrieb jedoch regelmäßig (zum Glück nicht täglich) in die Hauptstadt muss, waren eine gute Bahnverbindung und die aufzuwendenden Wohnkosten entscheidend.
Es gibt auch in UK ein Nord-Süd-Gefälle. Das Business konzentriert sich in hohem Maße auf oder um London (mehr als acht Millionen Menschen leben hier und nochmals so viele pendeln täglich zum Arbeiten in die Stadt, die Commuters ). Es gibt einen Speckgürtel um die Stadt (die so genannten Home Counties ), die entsprechend hohe Lebenshaltungskosten haben (obwohl sie oft direkt vom üppigen Londoner Luftverkehr betroffen sind). Ähnlich teuer ist es in wenigen britischen Regionen, allerdings zahlen viele Londoner Unternehmen auch einen rund 15%igen London-Aufschlag aufs Gehalt. „Normale“ Preise sind ungefähr außerhalb eines gedachten Zwei-Stunden-Reisezeit-Ringes um London zu erwarten. Konkret hängt das wiederum von der Ortslage ab – leben in malerischen Villages mit Cottages ist oft teurer als in den Städten oder Städtchen.
Im Prinzip gelten die gleichen Prinzipien wie in Deutschland, Großbritannien ist jedoch wesentlich zentralistischer organisiert und teils stark auf London ausgerichtet. Man darf auch nicht die Unterschiede in der Infrastruktur unterschätzen. Es gibt deutlich weniger Autobahnen (dafür fast immer dreispurig) bzw. Schnellstraßen, dafür sind sie noch häufiger verstopft, und es gibt keinen dem ICE vergleichbaren Zug.
Mein Tipp
Ich bin Ingenieur und gehe am liebsten planvoll vor, aber ich kann empfehlen, zur Klärung der Wohin-Frage einmal ein paar Fakten und Anforderungen zusammenzustellen wie
Erreichbarkeit möglicher Arbeitsorte
Finanzbudget
Flughäfen oder Fähren in Reichweite (wenn man regelmäßig in die Heimat will oder muss)
Städtisch oder ländlich, ruhig oder belebt
Etwas, das ich im nächsten Abschnitt ansprechen möchte, ist aber essenziell. Bevor ihr euch auf (Aus)wanderschaft macht:
Bereist das Land!
Kann man so mir nichts, dir nichts in ein Land ausreisen, dass man nicht geschmeckt, gespürt, gefühlt hat? Für mich unvorstellbar. Ich bin zwar schon Ende der 80er das erste Mal in England gewesen (und lustigerweise fast in der Gegend, in der ich heute in Hampshire wohne) und habe eine Art Liebesbeziehung mit diesem faszinierenden und vor archaischer Historie strotzendem Land begonnen. Aber mein Frau und Kinder kannten UK nur von einem kurzen London-Besuch bzw. gar nicht.
Also musste eine Kennenlernreise her und so haben wir im Mai 2012, also mehr als ein Jahr vor dem geplanten Umzugsdatum, eine knapp dreiwöchige Rundreise über die Insel gemacht. Per Fähre in Newcastle angekommen ging es gegen den Uhrzeigersinn nach Norden über Edinburgh, Inverness, Loch Lomond, Glasgow, durch Lancashire, Gloucestershire, Wiltshire und an der Südküste entlang nach Dover. Städte und Regionen wie London oder Cornwall, die für uns von vornherein nicht als Zielort in Frage kamen, haben wir bewusst ausgelassen. Die Gegend um Winchester gefiel uns am besten und erfüllte alle unsere Anforderungen (z.B. weit genug von London, aber nah genug dran).
Mein Tipp
Wer wenig vom Land kennt und die Gelegenheit dazu hat, sollte sich in Frage kommende Gegenden auf jeden Fall mit genügend Spielraum zum geplanten Umzugsdatum persönlich anschauen. Speziell für meine Frau war das essenziell (ich kannte einige Regionen bereits von einigen Business-Reisen).
Eine sehr schöne Möglichkeit, das Land kennenzulernen, bietet die temporäre „ Overseas Membership“ im Camping & Caravaning Club. Mit diesem Drei-Monats-Passe stehen mehr als 100 Club-Geländer zur Verfügung, die oft an schönen Plätzen gelegen sind. 2012 bei unserer Entdeckungsreise haben wir das durchgehend genutzt und haben z.B. direkt am Loch Lomond oder in Salisbury unterhalb von Old Sarum übernachtet.
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