Dank meines 7-Stunden-Vertrags, komme ich um kurz vor 18 Uhr in meinem Appartement an. Da Michael und Andreas erst in knapp einer Stunde heimkommen, versuche ich es noch einmal an der Rezeption. Meine LAN-Verbindung ist immer noch nicht repariert. Und wieder muss ich mich auf morgen vertrösten lassen. Wenigstens der Fernseher geht. Und es gibt auch englische TV-Sender. So kann ich mich per Nachrichten ein bisschen auf dem Laufenden halten.
Kurze Zeit später schauen auch schon die Jungs vorbei, um mich zu fragen, ob ich mit zum Essen gehen will. Heute entscheiden wir uns für ein Restaurant mit Selbstbedienung. Durch einfaches darauf zeigen wählen wir unser Essen aus. Es ist soweit ganz ok, aber ich habe Schwierigkeiten das Stück Fleisch zu essen. Ein Stück Schnitzel isst man schließlich im seltensten Fall ohne Besteck. Aber weinigstens sieht es bei den anderen beiden auch nicht viel besser aus. Die Jungs erzählen mir von ihrem Arbeitstag. Wirklich viel zu tun haben die beiden anscheinend auch noch nicht. Aber zumindest sind sie zu zweit vor Ort. Da können sie sich wenigstens gegenseitig unterhalten.
Auf dem Nachhauseweg gehen wir wieder bei dem Obstladen vom ersten Tag vorbei. Die Verkäuferin kennt uns anscheinend noch, so wie sie uns anlächelt. Na gut, werden wahrscheinlich auch nicht so viele Europäer rumlaufen in dieser Gegend. Das Obst kann ich morgen mit in die Arbeit nehmen. Heute haben mich ein paar Kollegen mit in die Kantine genommen, welche sich im Keller des Bürogebäudes befindet. Aber so unheimlich gut, dass ich das jeden Tag bräuchte, ist es nun wirklich nicht. Außerdem befinden sich auch unweit des Büros ein paar Schnellimbisse. Da kann ich dann auch notfalls noch hin.
Nach einer erfrischenden Dusche, die sich aber fast schon wieder erübrigt hat, sobald ich die Dusche wieder verlasse, weil es so warm ist, schaue ich mir meine Reiseführer an. Ich kann ja schon einmal überlegen, was wir am Wochenende so unternehmen könnten.
Mittwoch - 3. Juli
Dank der wieder eher schlafloseren Nacht weiß ich jetzt wenigstens wie die Klimaanlage richtig funktioniert. Ich hatte ja genügend Zeit mich damit zu beschäftigen. Bis jetzt ist sie zwar gelaufen, aber deutlich kühler wurde es dadurch nicht. Doch jetzt fühlt es sich richtig angenehm an im Zimmer.
Beim Verlassen des Hotels sehe ich wie der Typ an der Rezeption schläft. Er hat sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Sogar ein leises Schnarchen ist zu hören. Aber mittlerweile wundert mich ja fast schon gar nichts mehr.
Mit dem Weg in die Arbeit komme ich auch immer besser klar. Ich gewöhne mich auch langsam daran, beim Überqueren der Straße mutiger zu sein. Es gibt hier zwar Fußgängerampeln, aber das sind wohl eher Hinweise. Nur weil die Ampel auf Grün schaltet, heißt das noch lange nicht, dass ich gefahrenlos über die Straße gehen kann. In Deutschland bleiben die Autos in der Regel schon stehen, wenn jemand die Straße überqueren will. Hier muss man sich das Recht erkämpfen. Sobald die Ampel auf Grün springt, entsteht ein wildes Gewusel aus Autos und Fußgängern, die sich jeweils langsam ihren Weg nach vorne bahnen, um aus dem Knäuel herauszukommen. Ich habe auch schon gesehen, dass Fußgänger ein Auto zum Anhalten bringen wollen, indem sie ihm auf die Motorhaube klopfen. Eigentlich verwunderlich, dass hier nicht mehr Unfälle passieren.
Samstag - 6. Juli
Endlich Wochenende, endlich ausschlafen! Und das gelingt mir mittlerweile auch sehr gut. Ich glaube, ich habe den Jetlag jetzt ganz gut hinter mich gebracht. Dank des nun wirklich reparierten LAN-Anschlusses kann ich es mir noch mit dem Laptop im Bett gemütlich machen. Um kurz vor 9 Uhr bewege ich mich dann langsam auch aus dem Bett. Andreas und Michael wollten demnächst mit ihrer Wäsche vorbeikommen. Das erste Mal, dass wir die Waschmaschine ausprobieren wollen. Und unseren ersten Durchlauf wollen wir mit Weißwäsche machen, da kann nicht so viel schief gehen. Kurz nach neun stehen sie auch schon vor meiner Tür.
Eine Stunde später sind wir einigermaßen zufrieden mit dem Ergebnis. Ein Fleck ist zwar nicht ganz raus gegangen, aber die Wäsche stinkt zumindest nicht mehr. Dafür, dass manche Einstellungen eher zufällig gefällt wurden, weil unser Chinesisch immer noch nicht besser ist und wir deswegen auf Symbole gedrückt haben, die uns am logischsten vorkamen, finden wir das gar nicht mal so schlecht. Beim nächsten Mal wollen wir aber ein paar Kleinigkeiten anders machen, dann könnte das noch besser werden.
Der Shuttle-Service der Jungs fährt täglich von einer Mall einige Kilometer entfernt von unserer Unterkunft ab. Dort wollen wir uns heute um 14 Uhr mit dem Sohn ihres Betreuers treffen. Dieser will uns ein bisschen die Stadt zeigen. Wir wollen allerdings schon ein bisschen früher losfahren. Da Andreas und Michael noch kein Metroticket haben, fahren wir wieder mit dem Taxi dort hin. Dadurch, dass das Taxifahren hier aber sowieso so billig ist, bietet sich das auch an.
Wir sehen uns bis zum ausgemachten Zeitpunkt noch das Kaufhaus an. Die Mode-, Schmuck- und Technikläden interessieren mich dabei aber weniger. Am besten finde ich das unterste Stockwerk. Dort gibt es viele kleine Essensläden und dabei sind viele international aufgestellt. Also wenn wir mal keine Lust mehr auf Reis haben, dann finden hier definitiv eine Alternative.
Um 14 Uhr sind wir dann am ausgemachten Treffpunkt. Und da kommen auch schon drei Jungs auf uns zu. Wir haben zwar keine Ahnung wie unser Führer für den heutigen Tag aussieht, aber dafür sind wir ja umso besser zu erkennen. Stehen ja nicht überall drei suchend aussehende Ausländer herum. Und es ist wirklich Bob, der Sohn von Andreas' und Michaels Betreuer. Er hat zwei Freunde mitgebracht, Eric und Jack. Das sind alles die internationalen Namen der Jungs. Dadurch dass die chinesischen Namen für den Rest der Welt schwer auszusprechen sind, haben sich hier viele einen zusätzlichen anderen Namen ausgesucht. Das ist mir auch schon bei einigen meiner Kollegen aufgefallen. Ein paar Namen, die ich schon aufgeschnappt habe, sind zum Beispiel Bear, Mountain und Flora. Die drei Jungs sprechen richtig gut Englisch. Das erleichtert viel.
Da ich noch keine chinesische Handykarte habe, bitte ich sie auch direkt darum mich zu helfen. Erstens können dann Michael, Andreas und ich untereinander telefonieren (den beiden hat ein Kollege beim Kaufen der Karte geholfen, weshalb diese schon eine haben), wenn mal etwas sein sollte und noch viel wichtiger: ich könnte dann auch mit meinen Eltern daheim telefonieren. Bob fackelt auch überhaupt nicht lange und geht mit mir in einen Handyshop, der sich gleich in der Mall befindet. Während wir auf darauf warten, dass ein Verkäufer sich um uns kümmert, fragt mich Bob welche Nummer ich denn haben wolle und was sie kosten dürfe. Ich bin ein wenig überfordert mit der Frage. Ich frage ihn „Wie meinst du das? Kosten die Nummern unterschiedlich viel?“ (natürlich fand das Gespräch auf Englisch statt)
„Ja, es kommt darauf an, welche Zahlen du willst. Wenn du viele 8er haben willst, dann kostet es mehr, als wenn du 4er drin hast.“
„8 ist eure Glückszahl und 4 eure Unglückszahl. Davon habe ich gelesen.“
„Ganz genau. Und deswegen wollen viele Leute eine Nummer mit vielen 8ern. Das lassen sich die Firmen dann natürlich auch was kosten.“
Nachdem ich nicht abergläubisch bin, ist mir das völlig egal wie viele 4er und 8er in meiner Nummer habe. Wieder so eine Eigenart der Chinesen, die ich aber ehrlich gesagt ganz lustig finde.
Danach machen wir uns auf den Weg zur Metro. Bob, Jack und Eric helfen Andreas und Michael eine Metrokarte zu bekommen. Die werden sie auf jeden Fall noch brauchen in den nächsten Wochen.
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