Recht gesprächig ist der gute Mann ja nicht. Wir folgen ihm trotzdem zu seinem Auto, welches direkt vor dem Flughafen in der Sonne geparkt ist. Beim Verlassend des Flughafens spüren wir direkt welches Klima in den nächsten Wochen auf uns wartet. Das schwüle und heiße Wetter schlägt uns direkt ins Gesicht. Es fühlt sich an, als würde man gegen eine Wand laufen.
Dass wir einiges an Gepäck dabeihaben, war uns schon klar. Schließlich wird einiges gebraucht für drei Monate. Aber damit, dass wir das ganze Gepäck gar nicht in den Kofferraum bekommen, haben wir nicht gerechnet. Kurzerhand müssen wir uns alle auf dir Rückbank des Wagens quetschen und mein Koffer kommt auf den Beifahrersitz. Oh mein Gott, was für eine Hitze in diesem Auto herrscht! Und Klimaanlage ist für dieses Auto wohl auch ein Fremdwort. Über eine Stunde fahren wir also in diesem Kochtopf bis zu unserer Unterkunft. Dabei bekommen wir auch schon mal einen ersten Eindruck von der Verkehrslage und dem Fahrverhalten der Chinesen. Da kommt schnell die Frage auf „Haben die hier überhaupt Verkehrsregeln?“ Von Blinken haben sie wohl noch nie was gehört. Es wird einfach die Fahrbahn gewechselt. Hupen scheint hier dafür hoch im Kurs zu stehen. Damit erhöht man wohl seinen Anspruch auf Vorfahrt. Der TÜV alle zwei Jahre hat bei uns auch eindeutig seine Berechtigung, wenn man einige Autos hier so sieht. Richtige Klapperkisten, bei denen man nur darauf warten kann, dass sie auseinanderfliegen.
Umso näher wir dem Zentrum Shanghais kommen, desto größer werden auch die Gebäude. Schon vorab habe ich mir angesehen wo ungefähr sich unsere Unterkunft befindet. Mit der U-Bahn sind es etwa 45 Minuten bis zur Station People Square . Also könnte man meinen, dass es nicht gerade zentral ist, wo wir wohnen werden. Wenn man bei uns eine dreiviertel Stunde mit dem Zug von der Regensburg fahren würde, wäre man bei weitem nicht mehr mitten in der Stadt. Doch hier scheint das etwas anders zu sein. So weit außerhalb des Zentrums sind die Häuser immer noch höher als die höchsten in Regensburg . Wahrscheinlich leben alleine hier in der Gegend so viele Menschen wie in ganz Regensburg zusammen. Hier herrschen eindeutig andere Dimensionen.
Im Hotel also endlich angekommen beziehen wir sofort unsere Zimmer. Gott sei Dank hat das alles gut und schnell geklappt mit dem Einchecken. Ich habe ein wirklich großes Zimmer mit Doppelbett, Couch, zwei Sesseln, einem kleinen Schreibtisch, einer Küche und einem Bad. Lust richtig auszupacken und mich häuslich einzurichten habe ich ehrlich gesagt heute nicht mehr. Dafür ist in den nächsten Tagen immer noch genügend Zeit.
Kaum dass ich zur Ruhe gekommen bin und mir ein wenig klar geworden ist, wo ich jetzt bin, klopft es an meiner Tür. Andreas und Michael wollen sich mein Zimmer ansehen. Die beiden hatten nicht so viel Glück wie ich. Eigentlich sollte jeder von ihnen auch ein Einzelzimmer bekommen. Für die nächsten Tage müssen sie aber mit einem Doppelzimmer zurechtkommen, weil es irgendeinen Buchungsfehler gab. Wirklich erfreut sind sie darüber natürlich nicht. Beim Check meines Zimmers fällt Michael eine Sache auf „Du hast ja eine Waschmaschine. Klasse! Wir haben nämlich keine. Dann kannst du ja für uns mitwaschen.“
Ich lache. „Von wegen mitwaschen. Ihr könnt hier gerne waschen, aber sicher wasche ich nicht für euch mit.“
„Achja, was wir noch fragen wollten“, meint Andreas. „Hast du Lust, dass wir uns die Gegend ein bisschen anschauen? Wir könnten dann auch gleich schauen, wo wir was zum Essen herbekommen.“
„Gar kein schlechter Plan. Außerdem könnten wir uns gleich nach einem Laden umsehen, wo wie Getränke kaufen können. Und nach der U-Bahn-Station, mit der ich dann in die Arbeit fahren muss, könnten wir auch gleich schauen.“
Getränke sind schnell besorgt. Und das an einem Sonntag. Das ist schon mal der erste Unterschied zu Deutschland . Keine fünf Gehminuten von unserer Unterkunft finden wir den ersten kleinen Laden, der offen hat. Und gleich gegenüber befindet sich ein kleiner Obstladen. Gut zu wissen. Wir gehen die Straße weiter ab. Die U-Bahn-Station finden wir allerdings nicht. Gut, dass ich morgen eh mit dem Taxi in die Arbeit fahren will.
Angebote fürs Abendessen finden wir einige. Nachdem es mit unserem Chinesisch nicht so weit her ist, sind wir dankbar, dass die Restaurants und Bistros teilweise Bilder von den Mahlzeiten in ihrem Fenster haben.
„Und wo sollen wir jetzt rein? Habt ihr irgendwas gesehen, wo ihr unbedingt reinwollt?“, fragt Michael.
Ich antworte ganz ehrlich „Ne, keine Ahnung. Für mich schauen die Läden und die Essensangebote eh überall gleich aus.“
Nachdem auch Andreas offen für alles ist, gehen wir einfach in das nächstbeste Restaurant. Es ist bis auf die Köche und Bedienungen komplett leer. Ob dass so ein gutes Zeichen ist? Die Bedienung kommt und bringt uns die Menükarte. Gut, dass es auch darauf Bilder gibt, auf die wir nur deuten müssen. So gut wie wir Chinesisch sprechen, sprechen sie in diesem Laden Englisch … also eigentlich gar nicht. Wobei jeder von uns schon ein paar chinesische Wörter kann. Ich habe mir die Zahlen von 1 bis 10 angeschaut, Michael hat sich die Himmelsrichtungen gemerkt und Andreas kann schon „Danke“ und „Bitte“ sagen. Wie in China üblich bestellen wir viele kleine Portionen. So sollte für jeden was dabei sein.
Während wir auf unser Essen warten erzählt Michael, dass seine Eltern an seinem letzten Abend extra Chinesisch gekocht haben. „Als Einstimmung quasi. Besteck gabs dann auch nicht mehr. Ich sollte schon mal mit Stäbchen essen lernen.“
„Achja, das mit den Stäbchen. Das könnte lustig werden. Habe ich noch nie zuvor gemacht“, meint Andreas.
Ich muss ihm zustimmen „Ich habe das auch nie probiert. Wird schon werden.“
„In drei Monaten wollen wir vielleicht gar nicht mehr anders essen“, lacht Michael und Andreas und ich stimmen mit ein.
Das mit Stäbchen ist wirklich noch etwas kompliziert. Kleine Stückchen Fleisch bekomme ich noch nicht zu fassen und von sowas wie Erdnüssen bin ich noch sehr weit entfernt. Aber zumindest schmeckt das meiste, was wir bestellt haben, doch richtig gut. Manches ist mir doch leicht zu scharf, aber dafür ist ja genügend Auswahl da, dass ich das nicht essen muss.
Kurz bevor wir zahlen wollen bekommen wir dann allerdings noch Besuch von einer Kakerlake, die direkt bei uns vorbei an der Wand entlanghuscht. „Ich glaube, dass wir uns für das nächste Mal ein anderes Lokal suchen“, schlage ich vor.
Die beiden Jungs geben mir uneingeschränkt Recht.
Zurück im Zimmer will ich nur noch duschen und dann schlafen. Schließlich ist morgen unser erster Arbeitstag. Da sollten wir schon fit sein. So leicht ist das aber gar nicht mit dem Einschlafen. 22 Uhr hier in Shanghai ist halt eben erst 16 Uhr in Deutschland. Und trotz einer eher schlafloseren Nacht zuvor, liege ich noch lange wach und denke an zu Hause. Ständig bin ich am rechnen wie viel Uhr es dort ist und was meine Eltern und Christian gerade machen.
Montag - 1. Juli
Nachdem ich erst um drei Uhr nachts wirklich eingeschlafen bin, bin ich jetzt um 6:45 Uhr nicht gerade fit. Ich sage nur: scheiß Jetlag! Ich hoffe, dass sich das relativ schnell einpendelt. Am Vorabend habe ich noch meine Anziehsachen zurecht gelegt für den heutigen Tag. Ich merke schnell, dass eine lange Hose eine ganz schöne Herausforderung wird bei der Hitze. Es ist gerade mal 7 Uhr morgens und ich schwitze jetzt schon damit. Aber ich kann doch schlecht mit kurzen Sachen in die Arbeit.
Fertig für die Arbeit gehe ich zur Rezeption. Der Herr von gestern Nachmittag, der wenigstens ein wenig Englisch konnte, ist leider nicht mehr da. Dafür finde ich jetzt eine junge Dame dort, die mich aber mal so überhaupt nicht versteht. Gut, dass ich meinen Reiseführer mitgenommen habe. Ich suche mir das Wort für „Taxi“ heraus und zeige darauf. So scheint sie es zu verstehen und kurze Zeit später ist wirklich ein Taxi für mich da. Dem Taxifahrer zeige ich eine ausgedruckte Mail. Dort steht die Adresse meiner Arbeitsstelle darauf. Ich arbeite für die nächsten Wochen, im Gegensatz zu den Jungs, in einem Bürogebäude relativ zentral in der Stadt. Andreas und Michael müssen hingegen in die Fertigung, welche sich außerhalb von Shanghai befindet. Dafür fährt jeden Morgen ein Bus hin und abends wieder zurück. Zu der Bushaltstelle kommen sie ebenfalls mit dem Taxi. Ich habe aber vor nur heute mit dem Taxi zu fahren. Ich hoffe mir kann dann heute noch einer erklären wie ich an ein U-Bahn-Ticket komme und wo die nächste U-Bahn-Station ist.
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