Lana Fawall - Steinmondsaga 1

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Dunkelheit senkt sich über Malorien. Die Schergen des Tyrannen Nerones haben die mächtigste Schattenweberin des Reiches ermordet. Das Land scheint verloren. Doch noch Generationen später flüstert der Wald die Geschichte der Rettung: «Eines Tages wird der Auserwählte kommen und den zerrissenen Schutzbann flicken und all das Morden und die Qual werden ein Ende haben.»
In einer anderen Welt finden Justus, ein Findelkind aus Toronto, und seine Nachbarin Nella einen geheimnisvollen Steinmond. Scheinbar durch Zufall geraten sie auf eine magische Ebene. Doch was am Anfang wie ein Spiel aussieht, wird zum Kampf um Leben und Tod.
Das Erbe der Schattenweberin ist der erste Teil der Steinmondsaga – ein Buch für alle von 14 bis 114.

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Inhaltsverzeichnis

Prolog: Magische Ebene 1 – In Zeiten der Eroberung

Unsere Welt – Jetztzeit

Justus

Nella

Blutlettern

Magische Ebene 2 – Jetztzeit

Nachtschattenwelt

Die Feste der Tränen

Unsere Welt – Jetztzeit

In der Küche

Die Prüfung

Die Herausforderung

64 schwarz und weiß

Eröffnung

Caissa

Aufbruch

Magische Ebene 1 – Jetztzeit

Justus' Reise

Die Herrscherin der weißen Wüste

Magische Ebene 1 – Jetztzeit

Nellas Reise

Der Spion

Justus' Reise 2

Magische Ebene 2 – Jetztzeit

Justus und Caissa

Magische Ebene 1 – Jetztzeit

Nellas Reise 2

Die Wächter

Drachenreiter

Die Wasserzauberin

Unsere Welt – Jetztzeit

Das Geheimnis

Hubertus erzählt

Magische Ebene 1 – Jetztzeit

Feuerfunken

Die Rettung

Im Verlies

Orkans bester Freund

Caissas Weg

Nerones

Die Hirtin

Luftlinien

Der verwunschene Steinbruch

Der Verräter

Lina

Der Prozess

Die Stadt der Trümmer

Die Hirtin 2: Der Beutel der Unendlichkeit

Im Haus des Raben

Der beste Plan

Der Turm

Nellas Aufbruch

Der Turm 2

Schlacht

Justus

Nella

Magische Ebene 2 – Nach dem Kampf

Unsere Welt – Nach dem Kampf

Der Brief

Prolog: Magische Ebene 1 – In Zeiten der Eroberung

Dieser Abend roch nach Gefahr. Die Erdhennen scharrten unter dem Boden. Es waren mehrere, das hörte Muna, die Lichtalbin. Sie ging in der Hütte wie gewohnt ihrer Arbeit nach. Erdhennen bedeuteten nichts Gutes, sie waren die Vorboten des Todes und wer sie hörte, sollte schleunigst das Weite suchen. Doch ihre Herrin war noch nicht bereit, zu fliehen. Muna pustete den Staub von den Spinnweben und fegte die Asche vom Lehmboden, die der Feuervogel bei seiner Wiedergeburt hinterlassen hatte. Der Phönix hatte sich neu erschaffen und war nun ausgeflogen, um den Jungen in Sicherheit zu bringen. Wohin, wusste die Albin nicht, vielleicht war es besser so.

Sie blieb unruhig. Zwar war das Kind außer Gefahr, doch ohne den Vogel an ihrer Seite war die Schattenfee Petruna, ihre Herrin, schutzlos. Lumus, der Phönix, bewachte sie und hatte sie schon meilenweit von ihren Feinden davon getragen. Doch die Flammenritter verfolgten sie. An keinem Ort im ganzen Reich war Petruna sicher. Solange der Vogel fort war, war sie für die Feinde eine leichte Beute. Die kurze Zeit bis zu Lumus' Rückkehr würde den Schergen des Roten ausreichen. Schon oft hatten sie Lebewesen in diesem Wald auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen. Viele schmachteten in dunklen, zugigen Kerkern und sahen das Sonnenlicht bis zum Ende ihres Lebens nicht mehr.

Der Rote und seine Schergen – wie lange dauerte diese Herrschaft noch? Die Albin strich sich das weißblonde Haar aus dem Gesicht und seufzte. Nerones, der Grausame, hatte die Burg des Lichts besetzt und sie zur Feste der Finsternis gemacht. Seine Schergen zogen mordend und plündernd durchs Land. Valena, die Stadt der Farben, hatten sie innerhalb eines einzigen Tages in einen Trümmerhaufen verwandelt. Auch die Lebewesen in den Wäldern lebten in ständiger Furcht vor den Flammenrittern. Doch all das Leid war Nerones nicht genug. Er wollte Malorien, die fröhlichen Wälder und die Hauptstadt Valena dem Erdboden gleichmachen. Er stammte aus dem Vulkanland und brauchte nichts zum Leben als Rauch und Asche. Muna schauderte.

In diesen dunklen Stunden flüsterte der Wald die Geschichte der Rettung. So oft hatte die Albin sie schon gehört. „Eines Tages", tönte es von Bäumen und Blättern, „eines Tages", knackte das Geäst. Eines Tages würde der Tapfere kommen und den eingerissenen Schutzbann flicken. Und das gütige Königspaar würde aus dem Exil zurückkehren auf die Burg und alles wäre gut. „Ein schönes Märchen zwischen all dem Blut", flüsterte die Albin. Mit Bitternis dachte sie an die vielen Hoffnungen, die sich in den vergangenen Lichtwenden nicht erfüllt hatten.

Unter dem Boden scharrte es wieder. „Die Erdhennen, wir müssen fliehen!", mahnte sie ihre Herrin. Doch die hörte nicht. Sie saß da und webte. Seit Tagen ging das schon so. Die Schattenfee Petruna schien auf ihrem Webstuhl festgewachsen zu sein. Es ging um Leben und Tod und Petruna wob mit wunden Fingern Meter um Meter, Quadrat um Quadrat zu einem riesigen Ganzen. Die Meisterin verwob die Schatten der Burg, der Wege, der Wälder, der Gefangenen zu einer neuen Welt, der Nachtschattenwelt. Eine traurige Kopie dieses Landes, doch immerhin eine, in der der König geschützt war. Der Schutzzauber hatte einen Riss bekommen. Doch solange das Königspaar lebte, egal in welcher Welt, wirkte er weiter über den Wäldern. Der Rote konnte es sich in der eroberten Burg zwar gut gehen lassen, erlangte aber nicht die volle Macht. Nur ein paar Handgriffe noch und das Werk wäre vollendet. Die gewobene Kopie dieses Landes würde in wenigen Minuten fertig sein.

Sie suchten sie, das wusste Petruna. Sie hatte dem König zur Flucht verholfen und würde das mit ihrem Leben bezahlen, wenn sie in die Fänge der Schergen geriet. Aber wenigstens war ihr Sohn in Sicherheit. Und ihr Mann.

Der Phönix kam zu spät zurück. Muna, die Albin, schrie, als sie die Erdhennen sah. Eine ganze Schar kroch gackernd und scharrend aus dem Boden. Die Erdhennen waren harmlos, doch sie zeigten sich ausschließlich den Todgeweihten. Petruna verknotete ruhig ihren letzten Schatten und sah den Angreifern entgegen, die in die Hütte eindrangen. Die Schergen des Roten machten sich nicht einmal die Mühe, die Klinke herunterzudrücken, sondern traten die Tür mit ihren schweren, schwarzen Stiefeln einfach ein. Ihre Rüstungen hatten die Farbe frischen Blutes und sie kannten kein Erbarmen.

Der Phönix saß auf dem Ast der großen Eiche und weinte, während die Hütte in Flammen loderte. Er hatte Petruna nicht retten können. Doch in diesem Moment schwor sich der Feuervogel, die Nachkommen der Schattenweberin zu beschützen, und wenn dies sein eigenes Leben kosten würde.

Unsere Welt – Jetztzeit

Justus

Der Himmel war in dieser Nacht zu dichtem tiefblauem Tuch gewoben, bestickt mit funkelnden goldenen Punkten, den Sternen. Der Vollmond tauchte den Brunnen und seine steinernen Figuren in milchweißes Licht. Es war kurz nach Mitternacht und vor ein paar Minuten hatten sich die Straßenlaternen automatisch abgeschaltet.

Justus stand am Fenster seines neuen Zimmers und beobachtete das seltsame Mädchen da unten schon eine ganze Weile. Sie trug kurze, wuschelige Haare und ihre Kleidung wirkte verwahrlost und abgerissen. Sie stand einfach da und starrte in die sternklare Nacht als erwarte sie jemanden. Aber niemand kam.

Ihr Alter ließ sich von hier oben schlecht schätzen. Justus hoffte insgeheim, sie wäre vielleicht so alt wie er selbst, eine Nachbarin, die er bald kennenlernen könnte. Sie wohnten erst seit ein paar Tagen hier und Justus vermisste seine Freunde. Vielleicht konnte die da unten ja auch nicht schlafen, so wie er. Vielleicht hatte sie auch Albträume oder einen Traum, der immer wieder kam und ihr keine Ruhe ließ, so wie es bei ihm seit einiger Zeit war.

Sein Traum war seltsam real, obwohl er die Umgebung, in der er spielte, aus seinen Erinnerungen nicht kannte: Wald, nachtschwarze Schatten und diese Schreie, diese schrecklichen Schreie. So schrien nur Lebewesen, die in Todesangst waren. Und er? Er wurde verfolgt, von wem, wusste er nicht. Aber er raste Nacht für Nacht durch das Unterholz, ließ sich von kleinen spitzen Ästen tiefe, brennende Wunden ins Fleisch schneiden. Sie schmerzten ihn körperlich so, als befände er sich wirklich in dieser Welt, als sei dies alles mehr als nur ein Traum. Er roch den beißenden Geruch verbrannten Fleisches, hörte das Klirren der Schwerter in unmittelbarer Nähe.

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