Inhaltsverzeichnis
Prolog: Magische Ebene 1 – In Zeiten der Eroberung
Unsere Welt – Jetztzeit
Justus
Nella
Blutlettern
Magische Ebene 2 – Jetztzeit
Nachtschattenwelt
Die Feste der Tränen
Unsere Welt – Jetztzeit
In der Küche
Die Prüfung
Die Herausforderung
64 schwarz und weiß
Eröffnung
Caissa
Aufbruch
Magische Ebene 1 – Jetztzeit
Justus' Reise
Die Herrscherin der weißen Wüste
Magische Ebene 1 – Jetztzeit
Nellas Reise
Der Spion
Justus' Reise 2
Magische Ebene 2 – Jetztzeit
Justus und Caissa
Magische Ebene 1 – Jetztzeit
Nellas Reise 2
Die Wächter
Drachenreiter
Die Wasserzauberin
Unsere Welt – Jetztzeit
Das Geheimnis
Hubertus erzählt
Magische Ebene 1 – Jetztzeit
Feuerfunken
Die Rettung
Im Verlies
Orkans bester Freund
Caissas Weg
Nerones
Die Hirtin
Luftlinien
Der verwunschene Steinbruch
Der Verräter
Lina
Der Prozess
Die Stadt der Trümmer
Die Hirtin 2: Der Beutel der Unendlichkeit
Im Haus des Raben
Der beste Plan
Der Turm
Nellas Aufbruch
Der Turm 2
Schlacht
Justus
Nella
Magische Ebene 2 – Nach dem Kampf
Unsere Welt – Nach dem Kampf
Der Brief
Prolog: Magische Ebene 1 – In Zeiten der Eroberung
Dieser Abend roch nach Gefahr. Die Erdhennen scharrten unter dem Boden. Es waren mehrere, das hörte Muna, die Lichtalbin. Sie ging in der Hütte wie gewohnt ihrer Arbeit nach. Erdhennen bedeuteten nichts Gutes, sie waren die Vorboten des Todes und wer sie hörte, sollte schleunigst das Weite suchen. Doch ihre Herrin war noch nicht bereit, zu fliehen. Muna pustete den Staub von den Spinnweben und fegte die Asche vom Lehmboden, die der Feuervogel bei seiner Wiedergeburt hinterlassen hatte. Der Phönix hatte sich neu erschaffen und war nun ausgeflogen, um den Jungen in Sicherheit zu bringen. Wohin, wusste die Albin nicht, vielleicht war es besser so.
Sie blieb unruhig. Zwar war das Kind außer Gefahr, doch ohne den Vogel an ihrer Seite war die Schattenfee Petruna, ihre Herrin, schutzlos. Lumus, der Phönix, bewachte sie und hatte sie schon meilenweit von ihren Feinden davon getragen. Doch die Flammenritter verfolgten sie. An keinem Ort im ganzen Reich war Petruna sicher. Solange der Vogel fort war, war sie für die Feinde eine leichte Beute. Die kurze Zeit bis zu Lumus' Rückkehr würde den Schergen des Roten ausreichen. Schon oft hatten sie Lebewesen in diesem Wald auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen. Viele schmachteten in dunklen, zugigen Kerkern und sahen das Sonnenlicht bis zum Ende ihres Lebens nicht mehr.
Der Rote und seine Schergen – wie lange dauerte diese Herrschaft noch? Die Albin strich sich das weißblonde Haar aus dem Gesicht und seufzte. Nerones, der Grausame, hatte die Burg des Lichts besetzt und sie zur Feste der Finsternis gemacht. Seine Schergen zogen mordend und plündernd durchs Land. Valena, die Stadt der Farben, hatten sie innerhalb eines einzigen Tages in einen Trümmerhaufen verwandelt. Auch die Lebewesen in den Wäldern lebten in ständiger Furcht vor den Flammenrittern. Doch all das Leid war Nerones nicht genug. Er wollte Malorien, die fröhlichen Wälder und die Hauptstadt Valena dem Erdboden gleichmachen. Er stammte aus dem Vulkanland und brauchte nichts zum Leben als Rauch und Asche. Muna schauderte.
In diesen dunklen Stunden flüsterte der Wald die Geschichte der Rettung. So oft hatte die Albin sie schon gehört. „Eines Tages", tönte es von Bäumen und Blättern, „eines Tages", knackte das Geäst. Eines Tages würde der Tapfere kommen und den eingerissenen Schutzbann flicken. Und das gütige Königspaar würde aus dem Exil zurückkehren auf die Burg und alles wäre gut. „Ein schönes Märchen zwischen all dem Blut", flüsterte die Albin. Mit Bitternis dachte sie an die vielen Hoffnungen, die sich in den vergangenen Lichtwenden nicht erfüllt hatten.
Unter dem Boden scharrte es wieder. „Die Erdhennen, wir müssen fliehen!", mahnte sie ihre Herrin. Doch die hörte nicht. Sie saß da und webte. Seit Tagen ging das schon so. Die Schattenfee Petruna schien auf ihrem Webstuhl festgewachsen zu sein. Es ging um Leben und Tod und Petruna wob mit wunden Fingern Meter um Meter, Quadrat um Quadrat zu einem riesigen Ganzen. Die Meisterin verwob die Schatten der Burg, der Wege, der Wälder, der Gefangenen zu einer neuen Welt, der Nachtschattenwelt. Eine traurige Kopie dieses Landes, doch immerhin eine, in der der König geschützt war. Der Schutzzauber hatte einen Riss bekommen. Doch solange das Königspaar lebte, egal in welcher Welt, wirkte er weiter über den Wäldern. Der Rote konnte es sich in der eroberten Burg zwar gut gehen lassen, erlangte aber nicht die volle Macht. Nur ein paar Handgriffe noch und das Werk wäre vollendet. Die gewobene Kopie dieses Landes würde in wenigen Minuten fertig sein.
Sie suchten sie, das wusste Petruna. Sie hatte dem König zur Flucht verholfen und würde das mit ihrem Leben bezahlen, wenn sie in die Fänge der Schergen geriet. Aber wenigstens war ihr Sohn in Sicherheit. Und ihr Mann.
Der Phönix kam zu spät zurück. Muna, die Albin, schrie, als sie die Erdhennen sah. Eine ganze Schar kroch gackernd und scharrend aus dem Boden. Die Erdhennen waren harmlos, doch sie zeigten sich ausschließlich den Todgeweihten. Petruna verknotete ruhig ihren letzten Schatten und sah den Angreifern entgegen, die in die Hütte eindrangen. Die Schergen des Roten machten sich nicht einmal die Mühe, die Klinke herunterzudrücken, sondern traten die Tür mit ihren schweren, schwarzen Stiefeln einfach ein. Ihre Rüstungen hatten die Farbe frischen Blutes und sie kannten kein Erbarmen.
Der Phönix saß auf dem Ast der großen Eiche und weinte, während die Hütte in Flammen loderte. Er hatte Petruna nicht retten können. Doch in diesem Moment schwor sich der Feuervogel, die Nachkommen der Schattenweberin zu beschützen, und wenn dies sein eigenes Leben kosten würde.
Unsere Welt – Jetztzeit
Justus
Der Himmel war in dieser Nacht zu dichtem tiefblauem Tuch gewoben, bestickt mit funkelnden goldenen Punkten, den Sternen. Der Vollmond tauchte den Brunnen und seine steinernen Figuren in milchweißes Licht. Es war kurz nach Mitternacht und vor ein paar Minuten hatten sich die Straßenlaternen automatisch abgeschaltet.
Justus stand am Fenster seines neuen Zimmers und beobachtete das seltsame Mädchen da unten schon eine ganze Weile. Sie trug kurze, wuschelige Haare und ihre Kleidung wirkte verwahrlost und abgerissen. Sie stand einfach da und starrte in die sternklare Nacht als erwarte sie jemanden. Aber niemand kam.
Ihr Alter ließ sich von hier oben schlecht schätzen. Justus hoffte insgeheim, sie wäre vielleicht so alt wie er selbst, eine Nachbarin, die er bald kennenlernen könnte. Sie wohnten erst seit ein paar Tagen hier und Justus vermisste seine Freunde. Vielleicht konnte die da unten ja auch nicht schlafen, so wie er. Vielleicht hatte sie auch Albträume oder einen Traum, der immer wieder kam und ihr keine Ruhe ließ, so wie es bei ihm seit einiger Zeit war.
Sein Traum war seltsam real, obwohl er die Umgebung, in der er spielte, aus seinen Erinnerungen nicht kannte: Wald, nachtschwarze Schatten und diese Schreie, diese schrecklichen Schreie. So schrien nur Lebewesen, die in Todesangst waren. Und er? Er wurde verfolgt, von wem, wusste er nicht. Aber er raste Nacht für Nacht durch das Unterholz, ließ sich von kleinen spitzen Ästen tiefe, brennende Wunden ins Fleisch schneiden. Sie schmerzten ihn körperlich so, als befände er sich wirklich in dieser Welt, als sei dies alles mehr als nur ein Traum. Er roch den beißenden Geruch verbrannten Fleisches, hörte das Klirren der Schwerter in unmittelbarer Nähe.
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