„Pestilenz, das andere wollen sie nicht, weil's ihnen zu mager ist. Zählt doch alle fruchtbaren Triften in unseres Heiligen Römischen Reichs Sandbüchse, die gehören ihnen, vom heiligen Kreuz bis, ich weiß nicht wo. Ihre Dachshunde haben immer zuerst das Gute geschnüffelt. Das Fleisch ist in ihren Rachen, die Knochen lassen sie uns. Habenwollen ist ihre Natur; weil keine großen Fische mehr zu angeln sind, fischen sie nach den kleinen. O, der Ablasskram ist eine schlaue Erfindung, da klingeln sie den Bauerndirnen, den Handwerksburschen den letzten Heller aus der Tasche. Und haben sie keinen, werden verkauft, versetzt der Latz, das letzte Hemd, Schnallen, Schuhe und das heißt kein Landraub! Der Kapuzenjude schachert er nicht auf allen Straßen, in allen Städten? Er soll schon Tausende, Hunderttausende hinausgeschickt haben. O, ich wünschte einmal diesem Dominikaner zu begegnen. Das Tragen sollte ihm leichter werden.“
„Der Kurfürst ist dem Wesen nicht hold.“
Hake von Stülpe machte ein grimmig Gesicht, aber antwortete nicht. Sie ritten schweigend eine Weile nebeneinander, bis Jagow wieder anhub:
„Ich weiß es für gewiss. Er selbst hätte dem Unwesen gesteuert, wenn der Wittenberger Mönch ihm nicht, wie er es nennt, ungebührlich ins Amt gegriffen.“
„Hätte ist nicht hatte“, brummte der von Stülpe.
„Joachim geht mit großen Dingen um zur Besserung des Klerus. Sein eifriger Wunsch ist, die Klöster zu säubern und die Kirchenzucht einzuführen. Man muss ihm nur Zeit lassen.“
„Bis er in die Sterne geguckt hat,“ fiel Hake ein, und der Zorn, an dem er innerlich schluckte, brach heraus. „Joachim! Ei, Herr von Jagow, der wird den Klerus bessern, wie er den Adel gebessert hat. Immerhin, dann ist's aus mit ihm. Dann kann er über Füchse und Bauern regieren. Er den Klerus anfassen! Soll er sich den Stuhl fortziehen, um auf die Diele zu fallen! Lobt mir lieber den kecken Mönch da, aber nichts von dem Adelschlächter.“
„Ich lobe den Mönch.“
„Höll' und Teufel, Herr von Jagow, wenn ich einen hasse und ich hasse sie alle wie die Sünde; nein die Sünde kann nichts dafür, wenn die Pfaffen sie gepachtet haben, hass ich einen, ist's der Brandenburger, den wir –“,
„Er ist nicht von den Schlimmsten.“
„Nicht! Die glatte Zunge und die züngelnden Augen in dem feisten Vollmondsgesicht, das sich überfirnisst hat mit Hofgunst. Der Bauernlümmel aus Schlesien wollt Ihr's leugnen, dass er jetzt des Kurfürsten rechte Hand in allen guten und bösen Dingen? Ihr schüttelt den Kopf“.
„Joachim hat keine Vertraute“.
„Um so schlimmer solche Schmarotzer.“
„Der Bischof ist ein großer Redner.“
„Um so gefährlicher. Hörtet Ihr, was er gestern Abend sagte? Er wird seinem Herrn einen Bericht abstatten über den Mönch drüben. Wisst Ihr, was das heißt? Wird er sagen, was er gehört, gesehen, was sie in Sachsen von ihm denken? Er wird lauschen, was sein Herr hören will. Dann wird er's drehen, schmieren, ausschmücken mit etwas Gelehrsamkeit, Frömmigkeit, mit süßen und bitteren Worten, links, rechts, bis es recht klingt. Eine Meinung wird der Kurfürst verlangen. O ja, er wird an seine Brust schlagen und rufen: Ich kann nicht anders, gnädigster Herr, das ist meine Meinung von der Sache, auf die Gefahr hin, dass sie Euch missfällt. Auf die Gefahr hin will ich zur Hölle fahren, denn wem gefällt nicht seine eigene Meinung? Oder seid Ihr anderer?“
„Ich fürchte, dass Ihr recht seid.“
„Die sich spreizen vor Hoffart wie ein Pfau, die watscheln wie ein Faultier, geil sind wie Affen, ich will den Mund mir zuhalten, wenn der Grimm mir losplatzen möchte; aber diese Kammerdienerpfaffen bei den großen Herren, die ihren Lüsten frönen und ihre Gedanken stehlen, um sie eingemacht mit Gotteswort ihnen als Nachtisch vorzusetzen, da jückt's mich in den Fingern, dass ich sie zu Mus zerschlüge.“
„Die Kirche hat auch ihre eigenen Meinungen.“
„Haben sie 's Maul aufgetan, als er dem Adel das Genick brach? Stecken ihrer doch genug aus guten Häusern unter der Kutte. Sie haben die Augen verdreht und ihn gesegnet mit Bibelsprüchen, weiß nicht welchen. In der Bibel steht nichts davon, dass man den Adel ausreuten soll, der Doktor Luther hat's mir gesagt. Als sein Großohm, der andere Friedrich, die Städte zwang und ihre Briefe zerriss, als der erste Friedrich unsere Burgen brach, wer hat sie zuerst gelobt und alles schön und gut gefunden, als die Glatzen.
Lass einen seinen Sohn umbringen, sein Weib verstoßen, weil er ihrer satt, sein Leibpfaff wird, Gottes Willen darin schnüffeln; Abraham wollte ja auch seinen Sohn schlachten und sein Weib verstieß er in die Wüste. Nichts heuer, was die Fürsten tun und vornehmen, was nicht die Priester gut, recht und wohlgefällig, wofür sie nicht zehnhundert Exempel aus der Schrift finden. Ja, könnte unsereiner nur auch so die Schrift lesen; ich glaube, da steht viel's drin, auch für uns. Aber da ist's alleben, die haben den Schlüssel zum Teich und fischen 'raus, was ihnen behagt, und passt's doch nicht, drehen sie den Kopf ab, und machen den Schwanz vorn, und da wird geschrieben und da wird gepredigt von des Himmels wunderbarer Fügung, von Gottes unerforschlichen Ratschlüssen, vom Gehorsam gegen die Obrigkeit, der Gehorsam gegen Gott ist. Wenn so ein Lobsalm von der fetten Zunge fließt, und die Weiber unten zu schluchzen anfangen, da rührt sich's Gekröse in mir. Packt mich der Teufel oder wer, ich möchte aufspringen und aufschreien: Pfaff, Du lügst, das ist nicht Gottes Wort, das ist deins. Könnt Ihr's leugnen, dass es so ist?“
„Nein.“
„Könnt Ihr's loben?“
„Nein.“
„Warum schaut Ihr doch vor Euch, mit Permiss zu sagen, wie ein Duckmäuser. Der Jagow ist doch sonst ein Mann, der geradeaus sieht.“
„Weil Ihr das Kind mit dem Bade verschüttet, Ihr lobt unbewusst, was Ihr tadeln wollt. Die Geistlichkeit ist entartet, wer leugnet's, und nicht allein in ihren Sitten, auch in der großen Aufgabe, so Gott ihr gesetzt. Sie sollte nicht den Mächtigen zum Munde reden und das Unrecht der Gewaltigen beschönigen; sie ward vielmehr eingesetzt, um die Schwachen zu schützen und Trotz und Willkür zu brechen. Da hat sie in finsteren Zeiten ein gewaltiges Licht aufgesteckt, dass der Frevel derer erschrecke, dass der Bange und Unterdrückte sich an dem warmen, freundlichen Strahle wärme und Mut und Lebenshoffnung schöpfe. Als die Völker irrten im Labyrinth der Wildheit, Unsitte und Rohheit, hat sie die Zucht und Sitte gefördert.“
„Wollt Ihr auch predigen?“
Nicht hier im Walde. Es gab andere Zeiten, wo die Kirche und ihre Diener mit ihrem starken Arm den Fürsten und Gewalthabern zuriefen: bis hier und nicht weiter! Sie hatten keine Macht für sich als das Wort Gottes und ihre Gerechtigkeit, aber Könige und Kaiser mit ihren Tausenden und ihrem gerüsteten Zeuge vermochten nichts gegen sie.“
Hake antwortete nichts; nach seiner Miene zu schließen, behagte ihm wenig, was der andere sagte.
„Das wird auch vielleicht bös; aber es lag doch Gutes zum Grund. Die Kirche hat auch jetzt noch Macht“.
„Eine Hand wäscht die andere, eine Tasche gönnt's der anderen; wir gehen immer leer aus.“
„Die alte Zeit, ich meine die gute alte Zeit, könnte wiederkehren, wo der Priester seines Schwurs und hohen Amtes sich gemahnen lässt, wo er unerschrocken zu den Gewaltigen spricht, nicht was ihnen lieb ist, wo er wieder ein Anwalt wird, des Volkes vor den Trotzigen und Ungerechten, wo er Gottes Wort spendete, lauter und rein, wie es in der Schrift steht. Solcher freier Priester gab es auch zu alten Zeiten. Kaiser Wenzels Beichtvater Nepomuk –“,
„Sprang ins Wasser, und steht auf der Brücke vor Prag, tut aber's Maul nicht mehr auf. Haben 'nen Heiligen mehr, nämlich von Stein; das ist die ganze Bescherung. Welcher Priester lässt sich noch ins Wasser werfen, wenn seine Zunge ihn retten kann!“
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