Ma’ee sah ihn nachdenklich an. „Du hast Recht.“, gab er zu. „Wir müssen sehen, dass wir so viel wie möglich über diese Spinnen erfahren. Akhito, was kannst du uns dazu sagen?“
„Nicht viel.“, musste der Elf gestehen. „Wir haben kaum etwas mit diesen Spinnen zu tun gehabt bisher. Sie hielten sich immer in ihrem Wald auf und kamen nie heraus, also mussten wir uns nicht kümmern. Sie reagieren auf Feuer, allerdings muss es sehr heiß, oder aber sehr groß sein. Ansonsten kann kaum etwas ihnen gefährlich werden. Ihre Haut ist sehr resistent, nur am Bauch sind sie weniger gepanzert, doch da ist man in Reichweite ihrer Klauen und Greifwerkzeuge. Also keine gute Idee, das zu versuchen. Es grenzt an Selbstmord. Ich werde versuchen, mehr herauszufinden, und die Elementare fragen. Vielleicht solltet ihr Yolonis um Rat bitten, er kann euch sicher auch Informationen geben. Die Drachen werden wohl nicht helfen, seit dem Kampf gegen Carimo haben sie sich in die höchsten Berge auf ihrer Insel zurückgezogen und lassen sich nicht mehr sehen. Schon immer waren sie Einzelgänger, aber seit sie viele ihrer Eier verloren haben, sind sie noch weniger ansprechbar. Ich glaube nicht, dass jemand es wagt, sie zu fragen.“
„Gut, dann werde ich zu Yolonis reisen.“, entschied Gaagi. „Alemie wird hier bleiben, sie sollte sich nicht mehr so anstrengen, unser Kind wird in etwa einem Mond geboren. Yas kann mich begleiten, wenn sie möchte. Sie ist gerne bei den Kentauren, Korim und sie sind eng befreundet und nutzen jede Gelegenheit, sich zu sehen!“ Er schmunzelte.
„Ich werde mit euch gehen, dann können wir unterirdisch reisen.“, versprach Akhito.
„Ich danke dir, mein Freund.“, lächelte der Häuptling.
Sie sprachen noch eine Weile über das aktuelle Problem, dann aber über die Kinder und die letzte Jagd. Auf einen Hinweis von Gaagi hin brachte Shadi ihnen allen etwas zu Essen, sodass sie gemeinsam noch eine Weile sitzenbleiben konnten. Die Dorfsprecher waren nicht sehr häufig hier, aber dennoch immer gern gesehene Gäste. Umgekehrt war es genauso, die Diné waren willkommen in den Dörfern der Umgebung.
Inzwischen gab es regen Handel zwischen den verschiedenen Ansiedlungen. Die Diné bezogen Schafwolle vom südlicheren der beiden Dörfer, Shadi und Mósí spannen Wolle daraus und fertigten Decken und Kleidung an. Allen Überschuss tauschten sie gegen andere Waren. Auch Leder und Felle waren begehrte Tauschobjekte, da die Diné sehr geschickt bei der Verarbeitung waren . Selbst die Körbe, die sie flochten, wurden getauscht. So kamen sie immer mehr in Kontakt mit ihren Nachbarn. Die Ponys, die sie aus ihrer Welt mitgebracht hatten, zogen noch immer einen Karren, um die Waren zu transportieren. Inzwischen gab es zwei Fohlen, eines davon wurde kurz nach dem Kampf gegen die Trolle geboren, das zweite war jetzt einige Monde alt.
„Wie geht es Ella und Lucas?“, erkundigte sich Cameron. Die junge Frau war entfernt mit ihm verwandt.
„Sehr gut. Lucas erobert inzwischen das Dorf auf seinen eigenen Beinen.“, lächelte Gaagi. „Er ist sehr aufgeweckt und hält seine Eltern auf Trab. Aber sie sind stolz auf ihn. Im Frühjahr wollen sie ins Dorf, aber erst, wenn der Schnee weg ist.“
„Ich werde morgen nach ihnen sehen, bevor ich zurück nach Hause gehe.“, entschied Cameron. „Viel zu lange habe ich sie nicht mehr gesehen.“
„Mach das.“, nickte der Häuptling. „Die Gästehütte ist für euch bereit, damit ihr übernachten könnt. In diesem Wetter lassen wir euch heute nicht mehr abreisen.“
„Vielen Dank.“, entgegnete Jack.
„Ich wünsche euch eine gute Nacht.“, verabschiedete sich Gaagi nach einer Weile. „Yas und ich brechen morgen in der Früh auf und gehen zu den Kentauren. Selbst unterirdisch brauchen wir einige Tage, bis wir dort sind, und so viel Zeit haben wir nicht. Daher auch eine gute Heimreise, denn wir werden noch vor dem Morgengrauen aufbrechen.“
Die Männer verabschiedeten sich, blieben allerdings noch eine Weile sitzen und genossen den heißen Kaffee, den Mósí ihnen brachte. Die junge Frau wirkte fröhlich, nicht mehr so in sich gekehrt wie früher. Sie hatte ein neues Leben begonnen, und ihre Tochter würde sicher nicht ihr einziges Kind bleiben. Der Name passte zu Sháńdíín: sie war ein regelrechter Sonnenschein. Ihr Lachen erhellte nicht nur die Gesichter ihrer Eltern.
Gaagi ging zurück zu seinem Haus, das noch immer oben in einer Eiche thronte. Alemie hatte es damals aus dem Baum gesungen. Die Treppe ging rund um den Stamm, und die Stufen waren richtiggehend herausgewachsen. Sie führten in einen gemütlichen Wohnraum mit Küche, der einmal rund um den Stamm ging. Von dort aus kam man in eine zweite Etage, in der die Schlafbereiche waren. Yas und Elif hatten je ein eigenes Zimmer, und dann gab es noch ein Schlafzimmer. Wobei Yas bald eine neue Etage ganz für sich bekam, wenn das nächste Baby alt genug für ein eigenes Zimmer war. Das war untypisch für die Kultur der Diné, die Gaagi kannte. Die Elfen jedoch liebten diese kleine Freiheit, und bei Yas war es seit der Verwandlung immer deutlicher geworden. Sie liebte ihre Eltern und vor allem ihre Schwester, aber genauso brauchte sie auch Zeit für sich alleine. Nur dann war sie ausgeglichen.
Alemie erwartete ihn bereits, sie richtete ein wenig Trockenfleisch und Dörrobst zusammen, damit die beiden Männer und Yas am Morgen aufbrechen konnten. Wie so oft schien Alemie zu wissen, was besprochen und beschlossen wurde. Somit wusste sicherlich auch ihre ältere Tochter Bescheid. Die Halbelfe war nirgends zu sehen, daher ging Gaagi davon aus, dass sie bereits im Bett lag . Da es inzwischen beinahe Mitternacht war, sollte sie tief und fest schlafen, immerhin wollten sie spätestens mit der Dämmerung aufbrechen. Der Häuptling warf noch einen letzten Blick nach draußen. Der Schneefall ließ nach und der Himmel riss langsam auf, er konnte ein paar Sterne sehen und der Vollmond leuchtete zwischen Wolkenfetzen hindurch zu ihm hinunter. Zufrieden lehnte er sich zurück, als Alemie an ihn herantrat und die Arme um ihn schlang.
„Komm, gehen wir schlafen.“, murmelte die Elfe. Sie lebte hier und hatte die meisten Aufgaben als Elfenkönigin abgegeben, damit sie nicht ständig hin und her reisen musste. Das Elfenvolk hatte ihre Entscheidung nicht besonders positiv aufgenommen, aber dennoch hatte sie sich durchgesetzt, denn ihre Familie war ihr viel wichtiger. Vor allem, seit Elif auf der Welt war. Ihr Cousin Skimo war der neue Elfenkönig. Sollte Alemie allerdings ihre Aufgaben zurückfordern, wäre sie wieder die oberste Elfe.
Doch die Rothaarige war dankbar, dass sie sich Zeit für ihre Familie nehmen konnte. Viel zu jung war sie in diese Aufgabe gezwungen worden, hatte es nie gewollt. Dennoch waren alle Elfen mit ihrer Führung einverstanden gewesen. Nur im Rat von Kalima war sie noch immer als Sprecherin, die Aufgaben bei den Elfen übernahm Skimo, mit dem Alemie aber in regem Kontakt stand. Jetzt half sie Shadi und Mósí bei der Herstellung von Kleidung und Decken, beim Kochen und allen anderen Arbeiten, die bei den Diné typischerweise von den Frauen gemacht wurde. Auch Ella half ihnen, genau wie Jayla und die anderen Frauen.
Gaagi ließ sich von seiner Gefährtin in ihr gemeinsames Schlafzimmer ziehen, und schlang nach einem Kuss seine Arme um sie. Schnell schliefen beide. Doch es dauerte nicht besonders lange, bis ein Alarmschrei sie erneut weckte. „Na'ashjé'ii'!“, hörte Gaagi Manaba rufen.
Sofort sprang der Häuptling aus dem Bett und rannte die Treppe nach unten. Ihm war im gleichen Moment klar, was Manaba meinte. Zwei riesige Spinnen waren am Dorfrand aufgetaucht und versuchten nun, in eine der Hütten einzudringen. Ausgerechnet die von Ella und Doba, in der sie mit ihrem Sohn Lucas lebten.
Gaagi konnte erkennen, dass Doba mit seinem Speer alles tat, um die Spinnen vom Eindringen abzuhalten. Er griff nach seinem Bogen, den er im Gehen mitgenommen hatte, weil er immer am Baumstamm hing. Hastig eilte er in die Höhle, wo ständig Feuer brannte. Dort hatten sie auch Pfeile, die mit Pech vorbereitet waren, damit sie schnell brannten und im Flug nicht ausgingen. Er entflammte einen Ast, nahm sich einige Pfeile mit. Kaum war er in Bogenreichweite zu den Spinnen, entzündete er einen Pfeil und schoss. Obwohl er die Spinne voll erwischte, ließ diese sich nicht beirren.
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