„Warum hast du mir das nicht schon früher gesagt?“ fragte ich Alex. Ich wunderte mich wirklich, dass er sich das schweigend mit angesehen hatte.
„Du bist doch selber ein kluger Kopf, Mann! Ich wusste, dass sie dich früher oder später langweilt. Und außerdem hättest du mir doch nicht geglaubt! Manche Sachen muss man eben selbst merken!“ meinte er mit einem spöttischen Grinsen.
Ja, das ist Alex. So war er damals schon! Wahrscheinlich mochte ich ihn deswegen schon immer so sehr! Er war einer der wenigen Kumpels, mit denen ich wirklich reden konnte, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt, sondern seine Ansicht vertrat, auch wenn sie anderen Menschen nicht gefiel. Man konnte Mist bauen und er half einem aus der Scheiße, ohne zu fragen, warum und wie man da überhaupt hinein geraten war. Er suchte einfach nach einer Lösung. Und er sah immer das Gute in anderen Leuten.
Ich weiß noch, wie ich einen enormen Bammel gehabt habe, als ich 1996 meinen ersten internationalen Wettkampf spielen sollte. Alex war dagegen total gelassen und meinte „Mach dir keinen Stress. Du nutzt diesen Wettkampf einfach nur, um mal zu sehen, wie so etwas abläuft. Du freust dich einfach, dabei zu sein und hast Spaß am Spielen! Dann rockst du das Haus!“ Seine Worte taten gut und beruhigten. Und ich kam wirklich mit einer Bronzemedaille zurück. Damit hatte ich im ersten internationalen Turnier wahrlich nicht gerechnet, aber ich ließ einfach die Eindrücke auf mich wirken, vergaß meine Angst und Aufregung und hatte einfach Spaß am Spielen. Als ich wieder zuhause war, feierte ich mit Alex noch die ganze Nacht durch. Er freute sich fast mehr als ich mich selbst.
Das Schönste waren aber in unserer Kindheit immer die zwei Wochen in den Sommerferien, die wir gemeinsam bei meiner Oma am Traunsee in Österreich verbringen durften. Da Alex’ Eltern durch das eigene Immobilienmaklerbüro beruflich ziemlich eingespannt waren, waren sie froh, ihn in den Sommerferien sozusagen abgeben zu können. Und wir waren froh, den Urlaub zusammen verbringen zu können. Meine Oma hat uns oft nur zum Schlafen und Essen gesehen. Den Rest des Tages waren wir mit den Fahrrädern unterwegs, im See schwimmen oder wir sträunerten irgendwo über die Wiesen und Berghänge. Meine Oma versorgte uns dazu mit leckerem selbstgemachtem Apfelstrudel oder Kaiserschmarrn. Einfach herrlich war das!
Jetzt bin ich aber ganz schön abgeschweift! Dabei muss ich doch meine Hausarbeit für Anatomie fertig schreiben. Aber ich hab ja zum Glück schon mehr als die Hälfte.
Momentan bekomme ich Tischtennis, Studium und Job wirklich noch gut geregelt. Nächste Woche habe ich noch mal zwei Spieleinsätze und dann vor Weihnachten nicht mehr. Stattdessen stehen als nächstes die verschiedenen Weihnachtsfeiern an, wobei ich nicht zu jeder gehen werde. Und schließlich – momentan aber noch in unerreichter Ferne – haben Marle und ich Urlaub. Und damit geht dann auch ein wunderbares Jahr 2007 zu Ende…
Freitag, 16. November 2007
Ich bin krank. Zumindest für die Arbeit. Seit dieser Woche befindet sich die Repräsentanz der GW-Bank am Ku’Damm (Büro kann man das nicht mehr nennen). Ein wahrer Nobelbunker! Neu sanierter Altbau, Parkettboden, die Räume sind zum Teil mit Echtholz verkleidet. Und der Umzug musste natürlich gefeiert werden. Zum Wochenanfang hat der Vertriebsbereichsleiter die Mitarbeiter im neuen Gebäude begrüßt und ihnen von der Neueinrichtung der Büroräume erzählt, an denen er tatkräftig mitgearbeitet hatte.
„Die Stehlampen habe ich mitentworfen und sie sind exklusiv für unsere Räumlichkeiten gefertigt worden. So eine Lampe hat um die 1600,-€ gekostet….“ berichtete er mit stolz geschwellter Brust, ohne zu merken, dass manchem Mitarbeiter vor Staunen der Mund offenblieb, und diese den Kopf schüttelten. Viele der Mitarbeiter lebten von einer solchen Geldsumme einen ganzen Monat und der Vertriebsbereichsleiter platzte fast vor Stolz, das Monatsgehalt eines Sachbearbeiters für eine Stehlampe ausgegeben zu haben. Und für Richie, unseren Hausmeister, war auch kein Geld mehr da – Richie wurde nicht mitgenommen in die neuen Räumlichkeiten. Neuerdings bin daher ich für Frau Schmesser sozusagen der neue Hausmeister, zumindest was den Transport der Werbeartikel, Banner und Plakate anging. So wurde mein Zuständigkeitsbereich um das Herumtragen von Kartons, Paketen und Sonstigem erweitert.
Was wäre aber eine Bank ohne ihre gutbetuchten Kunden? Daher waren für gestern die VIP-Kunden der GW-Bank eingeladen. Es gab Infomöglichkeiten bei den Beratern, Schnittchen, Kuchen, Sekt oder Orangensaft und ein Glücksrad mit tollen Gewinnen wie Kugelschreibern oder Schlüsselbändern. Dafür hatte Frau Schmesser ein paar nette Hostessen engagiert. Die sollte ich unterstützen beim Sekt ausschenken, Kuchen und Schnittchen richten und so weiter. Das war ja auch okay soweit, nur dass die Hostessen erst um 18 Uhr mit der Arbeit anfingen, während ich seit neun Uhr morgens ohne Pause durchgearbeitet hatte. Gegen 20 Uhr fingen mir meine Füße langsam an weh zu tun vom vielen Stehen und Gehen den ganzen Tag über. Schließlich konnte ich in einer Bank ja auch nicht gerade mit Turnschuhen aufkreuzen. Zudem war die Resonanz der Kunden nicht gerade überschwänglich, sodass sich die Zeit in die Länge zog. Gegen 22 Uhr durfte ich dann gnädigerweise Feierabend machen und den Hostessen das Aufräumen überlassen.
Und zudem kreisten meine Gedanken den ganzen Abend um meine süße Anisha, meine kleine, grau getigerte Katze mit weißem Bäuchlein und weißen Pfötchen. Neben ihr gibt es noch meinen kleinen Racker Filou, einem schwarzen Katerchen, der mit vollem Namen Ferdinand Fritz Fridolin heißt. Beide habe ich schon seit sie klein sind. Anisha habe ich von Melanie geschenkt bekommen als ihre Katze - bevor sie kastriert werden konnte -nochmals Babies bekam. Björn wollte eigentlich keine Haustiere, aber ich habe schon länger mit dem Gedanken an einen Hund oder eine Katze gespielt und da war die Gelegenheit günstig. Falls Björn absolut dagegen gewesen wäre, hätte ich die Baby-Anisha im Notfall auch wieder zu Melanie bringen können – theoretisch zumindest, ich hätte sie wahrscheinlich um nichts in der Welt wieder hergegeben.
So kam Björn eines Abends von der Arbeit zurück und Anisha spielte vergnügt im Wohnzimmer mit einem neuen Bällchen. So eroberte sie ziemlich schnell auch sein Herz und blieb natürlich bei uns.
Als Anisha etwa ein Jahr alt und auch kastriert war, wollte ich einen Spielkameraden für sie finden. So saßen wir an einem Sonntagnachmittag bei Melanie, stöberten im Internet nach Katzenbabies und fanden eine Anzeige mit zwei schwarzen Katzen, einem ebenfalls schwarzen Katerchen und einem schwarz-weiß-gefleckten Katzenbaby, die alle gerade mal vier Wochen alt waren. Kurz darauf saßen wir im Auto auf dem Weg zum Katzenbabies-Anschauen. Sie waren alle goldig, aber das schwarze Katerchen hatte es mir angetan. Der war gleich so frech, dass er auf mir rumkrabbelte ohne nach der Mama zu schreien. Einige Wochen später saß dann das kleine Schwarze bei mir im neuen Katzenkörbchen und fuhr mit mir in sein neues Zuhause.
Beide, Anisha und Filou, hatten den Umzugsstress von der Pfalz nach Berlin gut überstanden und schienen sich in der neuen, größeren Wohnung auch richtig wohl zu fühlen, aber seit zwei Tagen musste Anisha ständig erbrechen. Weder das Nass- noch das Trockenfutter vertrug sie. Und ich wusste nicht, warum.
Da ich aber wusste, dass mich heute auf der Arbeit das Gleiche wie gestern erwartet hätte, dass ich wieder erst so spät nach Hause gekommen wäre, ich aber unbedingt mit meiner kleinen Maus zum Tierdoktor musste, da sie schon ziemlich abgenommen hatte, habe ich mich heute morgen auch auf den Weg zum Arzt gemacht. Mir war übel und ich hatte furchtbare Kopfschmerzen, die ganze Nacht über hatte ich gebrochen – das war zumindest das, was der Arzt von mir zu hören bekam. Und ich bekam vom Arzt schließlich die benötigte Krankmeldung, die ich direkt ins Büro faxte.
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