Wie wohl etliche Deutsche im Mai 1945, - als auf sehr andere Weise, als viele sie im Taumel von Weltregierungsgelüsten begonnen hatten, ihre Träume von einer „neuen Moral“ zugunsten ihrer Welt beherrschung , endlich unter nichts als Bergen von Schutt und Asche zu einem lange hinausgezögerten, aber von vornherein unausweichlichen Ende gekommen waren! - Die Formulierungen, die N hier wählte, lassen in jedem Buchstaben erkennen, wie sehr seine Überzeugung davon getragen war, dass er der erste war, dem diese Zukunfts-Visionen gekommen wären! - Oder war es ein „Bild“ für die unvermittelt glückliche Fügung, die N empfunden hatte, als auf diese Weise - durch Emersons Evangelium! - eine totale Befreiung von den ihn bedrückenden Gläubigkeiten seiner Herkunft wie ein morgendliches Erwachen über ihn kam?
Warum sollte sich das Kind schließlich „furchtbare Träume von der Stirn“ streichen müssen? Was N mit dieser Formulierung unfreiwilligerweise ausdrückte, war sein eigener Widerwille gegen das, was aus der Vergangenheit her - auch für ihn und von ihm ! - Gültigkeit beansprucht hatte - und als Geschichte auch noch zu beanspruchen hat! - aber nun, seit Ns Emerson-Infektion seine Zustimmung nicht mehr finden sollte. Er wollte - um sich selbst als „der große Denker“ zu erweisen! - einer ganz anderen - von ihm und zu seinem Ruhme entdeckten und entworfenen! - Wahrheit den Weg bereiten, wobei ihm instinktiv die altüberkommene Christlichkeit hinderlich und deren Gültigkeit niederzureißen war, auch wenn das so noch keine konkrete Formulierung finden konnte. Diese Tatsache ergibt sich aus den von ihm gewählten Worten: So früh schon wirkte in ihm der drängende psychologischer Antrieb, so viele Jahre bevor N tatsächlich dazu kommen sollte, etwas nach echter Philosophie aussehendes zu Papier zu bringen!
Der freie Wille [so schrieb N über „Fatum und Geschichte“ weiter] erscheint als das Fessellose, Willkürliche; er ist das unendlich Freie, Schweifende, der Geist [den N allerdings erst in extrem Byron-Manfredischem Aufbegehren, in maßlosem Widerspruch und in der Betonung des „Willkürlichen“ - am wenigsten jedoch in naturwissenschaftlich realistischer Logik! - zu seiner vollen Entfaltung kommen sah!]. Das Fatum aber ist eine Notwendigkeit, wenn wir nicht glauben sollen, dass die Weltgeschichte ein Traumesirren, die unsäglichen Wehen der Menschheit Einbildungen, wir selbst Spielbälle unsrer Phantasien sind.
Hier folgte Ns Wortwahl seinem längst eingenommenen Standpunkt, „es und alles besser zu wissen“, die aus der Weltgeschichte bekannte Gesamtheit des Lebens, das Existieren und das Sein „durchschaut zu haben“! Er nennt es „ein Traumesirren“, - als wäre er der erste „Erwachte“; „die unsäglichen Wehen der Menschheit“ sind für ihn „Einbildungen“; und die Menschen - sich selbst nur scheinbar eingeschlossen! - sind ihm „Spielbälle ihrer Phantasie“; - mit dem Unterton, als müsste das - seinem Wissen nach! - alles nicht nötig und gültig sein! Dabei klebte N ohne nachzudenken an Emersons unsinnigen Begriffen „Fatum“ und „Willensfreiheit“, mit denen etwas bezeichnet wurde, was nichts miteinander zu tun haben kann, - N jedoch zum Spekulieren ermunterte:
Fatum ist die unendliche Kraft des Widerstandes gegen den [allerdings entschieden zu absolut gedachten] freien Willen; freier Wille ohne Fatum ist ebenso wenig denkbar, wie Geist ohne Reelles, Gutes ohne Böses. Denn erst der Gegensatz macht die Eigenschaft [in Ns auch Gott unterstellter Art aus dem Widerspruch heraus zu „denken“?]. Das Fatum predigt immer wieder den Grundsatz: „Die Ereignisse sind es, die die Ereignisse bestimmen.“ Wäre dies der einzig wahre Grundsatz, so ist der Mensch ein Spielball dunkel wirkender Kräfte, unverantwortlich für seine Fehler [was so - ohne zu differenzieren! - lauter Pauschalurteile waren!], überhaupt frei von moralischen Unterschieden, ein notwendiges Glied in einer Kette. Glücklich, wenn er seine Lage nicht durchschaut, wenn er nicht [wie N sein ganzes Leben lang] konvulsivisch [krampfartig] in den Fesseln zuckt, die ihn [von Emerson her] umstricken, wenn er nicht mit wahnsinniger Lust [wie N eben und lebenslang!] die Welt und ihren Mechanismus zu verwirren trachtet BAW2.59[zu ver wirren? Es dürfte nahe liegen, dass N hier eigentlich „entwirren“ gemeint haben dürfte]!
Abgesehen davon, dass diese Satzfolgen vom 17-jährigen N her nur Versuche waren - mit wenigen Worten etwas beschreiben zu wollen, was auf derart grundsätzliche Weise gar nicht zu beschreiben ist ! - verrät Ns Wortwahl doch, was als Antrieb hinter seinen Ausführungen steckte: Schon hier war die für N typische Grundlage der Beurteilung nicht das Sein , sondern die Gefühlslage eines Betrachters dieses Seins - und unvermeidbar verbunden mit dessen Wünschen, Vorlieben und seinem nicht wertneutralen Dafürhalten bezüglich dem, was diesem Betrachter „Gut“ oder „Böse“ schien; - wobei hier unbestreitbar N dieser Betrachter war! - Die Unterschiede dieser „Ebenen“ hat N nicht bedacht und folglich auch nicht auseinandergehalten. Hinter den „Ereignissen“ stehen - veranlassend oder diese ertragend! - Menschen und in der weit überwiegenden Zahl der Fälle andere als N selbst! Es sind nicht Ereignisse, welche Ereignisse bestimmen, sondern deren Bezug auf die Menschen ist von menschlichem Interesse bestimmt. Und „der Mensch“ ist insofern kein summarischer „Spielball dunkel wirkender Kräfte“ als er - immer schon! - im Rahmen seiner physischen, seelischen und geistigen Mittel in seine eigenen Geschicke eingegriffen hat, auch wenn dies nicht nach Ns Vorstellungen superlativisch allmächtig zum Tragen kam, sondern im Rahmen sehr unterschiedlich wirkender Begrenztheiten, denen ja auch N unterlag.
Inwieweit hier Emersons Hinweise auf das „Fatum“, vor allem aus den Studien und Gedanken seines „Fatum“ genannten ersten Kapitels der „Führung des Lebens“ kamen, wurde bereits dargelegt. Darüber hinaus besteht eine gleichsam „zweite“ Parallele - nämlich auch zu Ns später so wichtig werdendem „empor“ und „Excelsior“, zu dem, was ihm als „erhebend“ immer so metaphysisch bedeutungsvoll war - u.a. in dieser besonders gleichlautenden Stelle aus Emersons Fatum-Kapitel:
Des Menschen Macht ist von einer Notwendigkeit umschlossen [das ist vor allem die unvermeidliche Gegenwart „der Anderen“!], deren Umfang er erst kennen lernt, wenn er nach vielen Versuchen an allen Seiten gegen dieselbe [zwangsläufig ewig vergeblich!] angerannt ist. Das Element, welches die gesamte Natur durchdringt und welches wir gemeinhin Fatum nennen, ist uns als Begrenzung bekannt. Sind wir roh und barbarisch, so nimmt auch das Fatum eine rohe und furchtbare Gestalt an. Veredeln wir uns, so werden auch unsre Schranken freier [zu einem guten Teil allerdings nur als weniger beengend wahrgenommen!]. Wenn wir uns zu geistiger Bildung emporheben [diese Möglichkeit hat N allerdings weit überschätzt!], so nimmt auch unser Gegensatz eine geistige Form an ….. Die Beschränkungen verfeinern sich in dem Maße, als die Seele sich veredelt, aber der Ring der Notwendigkeit glänzt immer über der höchsten Spitze. EL.13f
Die Worte zum „Ring der Notwendigkeit“ weisen bereits auf Ns - allerdings erst zwanzig Jahre später „fällig werdende“! - Gestaltung und Einschätzung seiner Lehre von der „Ewigen Wiederkehr“ als „das größte Schwergewicht“ FW.341 u. 4.287hin. Es war so gut wie alles, was noch kommen sollte, bei N früh aus Emersons Geist heraus „gedacht“, empfunden und vollzogen! „Die Anderen“ kamen in diesen pseudogedanklichen Wortfolgen nicht vor, waren aber verdrängt und versteckt in in Begriffen Macht, Notwendigkeit, Fatum und Begrenzung enthalten.
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