All diese größenwahnsinnigen Sprüche haben Ns jugendliche Vorstellung vom starken, selbständig denkende „Mann-„ und „Menschsein“ - der sich um die nirgends vorkommenden „Anderen“ nicht zu scheren brauchte - beeindruckt! Sie stammten aus einer ganz anderen Welt, als dem ihn bislang umgebenden und ihm wohl auch ein Stück weit zum Halse heraushängenden häuslichen Pfaffentum und dessen alles in Gottgefälligkeit kehrende „höhere“ Anpassung und Gehorsamkeit, die einem widerspruchsgeneigtem Wesen, wie dem seinen, für die gesamte Christlichkeit typisch erscheinen musste, weil er kaum Anderes kannte, so dass er - und auch das hat er bis an das Ende seiner „Schaffenstage“ beibehalten - in seinem für ihn selber geschriebenen Aufsatz erklären konnte, dass „nur [seine!] christliche Anschauungsweise“ einen und seinen „Weltschmerz hervorzubringen“ vermag! Was er nicht kannte , von dem glaubte er, als „fatalistische Anschauungsweise“, dass dort sein Weltschmerz nicht vorkommen würde, was als „Logik“ recht einfältig, aber bei einem Siebzehnjährigen verzeihlich wäre, - - - wäre er nicht lebenslang immer wieder solchen kurzschlüssigen Annahmen und Folgerungen erlegen. Für die Zeit seines Jugendaufsatzes schien es ihm jedenfalls:
Vollends eine Vermessenheit, philosophische Probleme lösen zu wollen, über die ein Meinungskampf seit mehreren Jahrtausenden geführt ist: Ansichten umzustürzen, die den Menschen nach dem Glauben der geistreichsten Männer erst zum wahren Menschen erheben [deren einer Er - um alles in der Welt! - selbst sein wollte! Auf diesen Anspruch lief das von ihm Besitz ergriffen habende „Herrscheramt“ hinaus und so meinte er des Weiteren, es gehöre zu seinem gewaltigen Vorhaben auch:]
Naturwissenschaft mit Philosophie zu einigen, ohne auch nur die Hauptergebnisse beider zu kennen [diese Tatsache war ihm als Ursache seines „Weltschmerzes“ also durchaus bewusst!]: endlich aus Naturwissenschaft und Geschichte [das wäre dann der ihm zunächst bevorstehende Schritt gewesen] ein System des Reellen aufzustellen [worunter er verstand, zu einer „Weltanschauung“ zu machen, was ihm richtig schien, d. h. passte und gemäß sein würde ! - Genau dem galt in seinen Jahren „als Philosoph“ von 1876 bis in die ersten Tage des Jahres 1889 seine gesamte Aufmerksamkeit und Mühe!], während die Einheit der Weltgeschichte und die prinzipiellsten Grundlagen sich dem Geiste noch nicht offenbart haben. BAW2.54
Diesem Ansatz ist N gefolgt, auf dass sich seinem Geist nach und nach in immer wieder angelaufenen Versuchen neue - von ihm stammende ! - „mögliche“ Grundlagen, vor allem zur Zukunfts-„Moral“! - offenbarten! Das Endergebnis davon war seine von endlosen Widersprüchen umgebene „Ewige Wiederkehr“!
Sich in das Meer des Zweifels hinauszuwagen, ohne Kompass und Führer [die ihm nicht zur Verfügung standen!] ist Torheit und Verderben für unentwickelte Köpfe [nicht aber für ihn, denn genau das hatte er - kraft seines „Herrscheramtes“! - auf kolumbianische Weise vor. Hier schon! - Das gewählte „Bild“, um das, was er meinte, darzustellen, lässt hier schon unmissverständlich auf „Kolumbusartiges“ - wie er das später deutlich betonen sollte! - schließen: Alles in Zweifel zu ziehen, was ihm, seinem Wesen, seinem Wissen, seinen Gefühlen - die allesamt für jeden Menschen anders sind - nicht entsprach!]; die Meisten werden von Stürmen verschlagen, nur sehr wenige entdecken neue Länder. Aus der Mitte des unermesslichen Ideenozeans sehnt man sich dann oft [damit bot N einen Berichtsfetzen aus höchst eigner Befindlichkeit!] nach dem festen Lande zurück [die Tatsache, dass Er hier nur von sich selber sprach, offenbaren besonders seine unmittelbar folgenden Worte]: wie oft überschlich mich nicht bei fruchtlosen Spekulationen die Sehnsucht zur Geschichte und Naturwissenschaft BAW2.55[die beschlichen ihn zwar, konnten ihm aber nichts anhaben, weil er - am wenigsten noch für die Wissenschaft ! - auf keinste Weise ernsthaft geeignet war]!
„Fruchtlose Spekulationen“! Bisher! Die Richtung war vorgegeben! Hier ist nicht so sehr zu bewundern, dass N so früh so viel über sein kommendes Leben und Werden zu ahnen oder gar zu wissen schien, sondern den Fakten nach war es umgekehrt : Es scheint nur so! Weil zu dem, was N hier unter der geistigen Schirmherrschaft Emersons ausbreitete, nichts hinzugekommen ist ! Er blieb einfach nur bei der unmöglich gelingen könnenden Vision von einer 5XL-mal überlebensgroß vorgenommenen oder ersehnten, an die unglaublichsten Superlative geknüpften „Lebensaufgabe“ stur und starrköpfig diese erfüllend hängen : Aufgrund von mangelnder Selbstkritik und Einsicht in die Realität des Lebens war er unfähig zu einer bescheideneren, dafür aber zu einem brauchbaren Abschluss zu bringenden Aufgabe als Inhalt seines Lebens, das zum Davon-ablassen geführt hätte, in superlativisch unersättlicher Lust immer nur ohnmächtig gegenüber der Realität „nach den höchsten Kronen“ 4.5.84zu greifen.
Geschichte und Naturwissenschaft, die wundervollen Vermächtnisse unsrer ganzen Vergangenheit, die Verkünderinnen unsrer Zukunft, sie allein sind die sichern Grundlagen, auf denen wir den Turm unserer Spekulation bauen können. BAW2.55
Hier ist der 17-jährige N - sein „Ich“ neutralisierend! - in den Pluralis majestatis, in das reine Erhabenheit über alles vermittelnde, „herrscheramtliche“ „Wir“ der Fürsten und Autoren ausgewichen - denn er war - wie sich erweisen wird! - aus einer Reihe verschiedenartiger Gründe gar nicht bereit , „Geschichte und Naturwissenschaft“ in Emerson‘scher Konsequenz, so wie eben beschrieben, gelten zu lasen. In seinen Erfüllungs-Visionen des absolut Äußersten, das Emerson in seinen „Essays“, im Kapitel „Kreise“, geboten hatte - nämlich dass streng nach dessen in vollem Ernst die auf die eigene Existenz bezogene Aussage „Seht euch vor, wenn der große Gott einen Denker auf unsern Planeten kommen lässt“ alles „in Gefahr wäre“ EE.226gelten sollte, beabsichtigte N die „Geschichte und Naturwissenschaft“ nur als „Grundlagen“ benutzen zu wollen, auf denen er „den Turm seiner Spekulationen bauen könne“, - was vollkommen unwissenschaftlich war, aber Ns Verhältnis zur Wissenschaft schlaglichtartig beleuchtet! Auf diese gedanklich chaotische Weise fuhr N, seine Meinung wieder direkt als „ich“ vertretend in seinem frühen Aufsatz fort; und wieder schloss er dabei von sich auf andre und wieder unterliefen ihm große Gedankensprünge:
Wie oft erschien mir nicht unsre ganze bisherige Philosophie als ein babylonischer Turmbau [da meinte der gerade gut Siebzehnjährige - aber was kannte er damals schon, außer einer Reihe von griechischen Schulungs-Texten? - an bisher gedachten Welterklärungsversuchen, die jedenfalls alle nicht seinen Vorstellungen und seelischen Bedürfnissen nach eigenem „Großsein“ entsprachen! Was nur durch ein Semikolon getrennt, darauf folgt ist ein vom Vorangegangenen eigentlich völlig unabhängiger Gedanke, d.h. eine in sich geschlossene Behauptung , denn er schrieb]; in den Himmel hinein zu ragen ist das Ziel aller großen Bestrebungen [da beschrieb er sein eigenes und wie er meinte geheimes Wollen, - das in Gestalt eines entschieden zu maßlos aufgefassten „Herrscheramtes“! - die Totalität seiner Vorstellung von dem hier bereits angerissenen „Ziel“ in Worte fasste: Einmal selbst größte, wahrste, alles Bisherige überstrahlende Philosophie und Welterklärung, Weltvermessung und Weltbewertung zu betreiben! Darauf folgte der etwas hilflos angehängte Satzteil]; das Himmelreich auf Erde heißt [für ihn?] fast dasselbe.
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