Gegeben hat N - seiner Meinung nach! - beispielsweise der Menschheit das tiefste Buch aller Bücher, seinen „Zarathustra“ in allen vier [dennoch unvollständig gebliebenen] Teilen von 1882 bis Anfang 1885 und dieser wiederum gab, sich anfänglich mit der Sonne vergleichend, viele Erklärungen unter diesem Schema ab:
Ich möchte verschenken und austeilen, bis die Weisen unter den Menschen wieder einmal ihrer Torheit und die Armen wieder einmal ihres Reichtums froh geworden sind 4.11und: Was sprach ich von Liebe! Ich bringe den Menschen ein Geschenk [nämlich den „Übermenschen“, dessentwegen der von N ungeliebte, verachtete, ihm Ekel erregende Mensch zu überwinden sei!] 4.13und: Ungemein ist die höchste Tugend und unnützlich [weil aller Nutzen für N ein Makel war!], leuchtend ist sie und mild im Glanze: eine schenkende Tugend ist die höchste Tugend. 4.97und: Sagt mir, meine Brüder: was gilt uns als Schlechtes und Schlechtestes? Ist es nicht Entartung ? [Ein Lieblingswort Ns und des „Dritten Reiches“!] - Und auf Entartung raten wir immer, wo die schenkende Seele fehlt. 4.98und: Zu meinen Freunden darf ich wieder hinab und auch zu meinen Feinden! Zarathustra darf wieder reden und schenken und Lieben das [ ihm !] Liebste tun. 4.106und: Seid spröde im Annehmen! Zeichnet aus damit, dass ihr annehmt !“ - also rate ich Denen, die nichts zu verschenken haben. Ich aber bin ein Schenkender: gern schenke ich, als Freund den Freunden. 4.114[Das war typisches Missionarsgehabe - aus dessen typischen Bedürfnis des „Mach-es-wie-ich - dann ist in Deinem mein Glück gesichert“!] und: Ich kenne das Glück des Nehmenden nicht; und oft träumte mir davon, dass Stehlen noch seliger sein müsse, denn Nehmen. Das ist meine Armut, dass meine Hand niemals ausruht vom Schenken; 4.136[womit er sich erhöhen wollte, - in Emersons Sinn! Trotzdem klagte er aber lieber, weil das heroischer aussah als das einfach nur strahlende Glück:]
Aber ich lebe in meinem eigenen Licht, ich trinke die Flammen in mich zurück, die aus mir brechen 4.136und: Wer immer schenkt, dessen Gefahr ist, das er die Scham verliere; wer immer austeilt, dessen Hand und Herz hat Schwielen vor lauter Austeilen. 4.137[So spricht einer, der nicht „Nehmen“, das heißt aber auch: nichts von „den Anderen“ akzeptieren kann !] Und: Nacht ist es, ach dass ich Licht sein muss! 4.138und: Du gehst deinen Weg der Größe 4.194Diese Behauptung erscheint vier Mal hintereinander! - denn es war der „Weg“, der für N daraus bestand, sich mit seiner „Lehre“ an die Menschheit zu verschenken ! - Von oben herab, - naturgemäß!]
Wer vom Pöbel ist, der will umsonst leben; wir Anderen aber, denen das Leben sich gab, - wir sinnen immer darüber, was wir am besten dagegen geben! 4.250
Da übernahm N fast wörtlich was von Emerson vorgegeben war; - womit es denn der Beispiele dafür, wie lange dieser Emerson-Grundsatz für N vorrangig gelten sollte - obgleich es deren noch viel mehr gäbe! - sein Bewenden haben mag.
Sogar Ns - allerdings vor allem über eine Alkoholreklame - berühmt gewordener Satz „ Aus der Kriegsschule des Lebens . - Was mich nicht umbringt, macht mich stärker. GD.8aus seinem letzten „Schaffensjahr“, 1888, war ihm von Emerson her vorgegeben. Dort heißt es:
Im Allgemeinen ist jedes Übel, dem wir nicht unterliegen, eine Wohltat für uns. EE.89
Die Textstelle hat N zusätzlich zur Unterstreichung seitlich rechts mit zwei Stichen versehen.
Ein Pöbelhaufe ist eine Gesellschaft von Körpern, die sich freiwillig der Vernunft berauben und deren Handlungen derselben vollständig zuwiderlaufen. Der Pöbel ist der freiwillig zum Tier herniedersteigende Mensch. EE.90
Diese „Feststellung“ Emersons war Grundlage für viele Werturteile Ns im Laufe seines „Philosophierens“ und Wertens. Es gilt für „die Anderen“! Ganz pauschal! Nicht aber für seine eigenen logischen Defekte und seine „pöbelhaften“, nämlich als Argumente benutzten Pöbeleien, die sich mit den Jahren häufen. Je älter N wurde und je mehr er merkte, dass seine Ideen keine sonderliche Nachfrage hervorriefen. Den „Durchbruch“ von Ns „Philosophie“ bewirkte schließlich nicht er, sondern seine geschäftstüchtige und in nichts zimperlich vorgehende Schwester, um ihren Nutzen an Geld und Ansehen aus dem Erbe des Bruders zu ziehen.
In Emersons Kapitel über „Geistige Gesetzte“ fühlte N sich auf besondere Weise angesprochen, liebte er doch alles, was in irgendeiner Form als „Schulgesetz“ anzusehen war. Da heißt es beispielsweise:
Jeder Mensch sieht, dass er jener Mittelpunkt ist, von wo aus Alles mit gleichen Vernunftgründen bejaht oder verleugnet werden kann. EE.102
Wieso hat N - wenn auch nicht schon als knapp Siebzehnjähriger, da wäre er überfordert gewesen, aber immerhin später doch! - hier nicht seine unergründliche und unversiegbare Freude sowie Begabung zur Kritik walten lassen? Wieso hat er nicht erkannt, dass das Erleben dieser von Emerson aufgetischten „Tatsache“ etwas anderes ist und auch sein muss, als die - schon für philosophische Eingangsübungen notwendige! - logische Durchdringung dieses jedem gegebenen Eindrucks ? Und dass eben dieser Eindruck nicht als Grundlage für eine moderne Philosophie taugen kann, weil darin die für eine allgemeine Betrachtung so notwendige „Gleichheit in der Un gleichheit“ all dieser unendlich vielen Mittelpunkte innerhalb der „Unendlichkeit der Möglichkeiten“ unberücksichtigt geblieben ist - und - wenn sie denn berücksichtigt würde ! - zu einer ganz anderen Philosophie hätte führen müssen, als N sie als wild gewordenen Subjektivismus geboten hat, - denn nur einen solchen wollte er seiner eigenen Größe zuliebe, unbedingt bieten und durchsetzen! Auch davon später mehr. Hier nur so viel, dass Ns Neigung in diese Richtung von Emerson her ausgiebige Unterstützung fand.
Die im Zarathustra viel benutzte „Formel“ zur direkten Ansprache an seine Leser beziehungsweise an Zarathustras Zuhörer „O, meine Brüder“ hat Emerson ihm im Kapitel „Geistige Gesetze“ vorgemacht: EE.103
15 Zeilen weiter las N:
Für dich gibt es eine Wirklichkeit, eine Stelle wo du hingehörst und entsprechende Pflichten. Stelle dich in die Mitte des Stromes von Macht und Weisheit [wie sie N doch immer wieder zufloss in seinen „gewissen“ Momenten des Lichtüberflusses und des allzusammenklingenden Glücks], welcher als Leben in dich hinein sich ergießt; stelle dich in den vollen Mittelpunkt jener Strömung [das hieß so viel wie: „bejahe diese Zustände als dein Eigen“!], dann bist du ohne Anstrengung zum Rechten, zur Wahrheit und zu einer vollkommenen Zufriedenheit getrieben. Dann schlägst du alle deine Widersacher. Dann bist du die Welt, das Maß für Recht, für Wahrheit und Schönheit. EE.103
Hier sang Emerson - wie so oft! - sein vermessen hohes Lied auf die Subjektivität und die Beliebigkeit ohne von N kritisiert zu werden. Im Gegenteil: N wird davon zu seinem persönlichen Vorteil höchst angetan gewesen sein, denn dass er in seinem „Herrscheramt“ als Philosoph ein Weltenrichter sein wollte, hat er oft seinen Papieren und in seinen Briefen auch engsten Freunden anvertraut, ohne dass diese sich viel dabei dachten, zumindest ihm gegenüber keine Reaktionen zeigten, denen ein ernstes Bedenken zu entnehmen gewesen wäre.
Bis er es nicht bis dahin bringt, dass er sich Andern in seiner vollen Größe und Proportion als weiser und guter Mensch mitteilen kann, eher ist ihm seine Bestimmung noch nicht klar geworden. Er muss in derselben einen Ausfluss für seinen Charakter erblicken, dass er sich in ihren Augen wegen seiner Handlungen rechtfertigen kann. EE.105
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