Morgens, nach dem Frühstück lungere ich mit Herbie in der Nähe der Gangway herum, da fährt ein Wagen vor und liefert Timmi ab. Am Steuer sitzt `ne Amerikanerin, Timmi hat wohl erfolgreich `ne Ami-Lady gekapert und wird nun nach einer bewegten Nacht von seinem dankbaren „Girl“ wieder an Bord gebracht. Also, genau genommen sind das zwei Ladys, gefangen im Körper von einer. Die ist gigantisch dick und füllt fast die ganze vordere Sitzbank aus, Timmi hat kaum noch Platz. Als sie ihn zum Abschied umarmt, verschwindet er eigentlich völlig in ihren Körperwölbungen. Dass wir Zeugen dieses Auftritts werden, ist ihm etwas peinlich, verlegen grinsend drückt er sich an uns vorbei und verschwindet in den Aufbauten. „Ja, ja“, meint Herbie, „wo die Liebe hinfällt…!“
Ich verbringe den Tag in meinem Funkraum, diverse Verwaltungsarbeiten stehen an. Und Bock auf einen weiteren Landgang habe ich kaum, so reizvoll sind die amerikanischen Hafenstädte hier an der Ostküste auch nicht. Unklar ist noch das Ziel der nächsten Reise. Bei Einlaufen war noch von einer Getreidereise ex Baltimore die Rede, aber das hat sich nicht bestätigt. Also heißt es wieder einmal `Abwarten und Tee trinken`. Und weil der normalgestrickte deutsche Seemann mit Tee nix am Hut hat, trinken wir mal ein Bierchen…
Am Abend kreuzt der Agent beim Alten auf, die beiden verschwinden im Office des „Reiseleiters“ und schnacken einen aus. Kaum ist der Agent verschwunden, lässt unser Kommandant die Katze aus dem Sack: Wir haben Order für Tubarao. Also wieder eine Erzreise. Der Hafen Tubarao liegt in Brasilien, unweit der Großstadt Vitoria im Bundesstaat Espirito Santo, und ist einer der größten Erz-Verladehäfen weltweit. Der Chiefmate war schon mal da und hat einige interessante Details auf Lager. Der Port wurde erst in den Sechziger Jahren eröffnet und verfügt über unglaubliche Kapazitäten, die sind dort allen Ernstes in der Lage, in der Kombination mehrerer „Loader“ 16.000 Tonnen pro Stunde ins Schiff zu schütten. Modernstes Lade-Equipment steht zur Verfügung. Dann wären wir ja in fünf Stunden beladen. Die 16.000 Tonnen sind allerdings `ne schöne Theorie, wie ich sogleich erfahre. Zeitgleich mit dem Laden müssen unsere Pumpen jede Menge Wasser aus den Ballasttanks drücken, sonst wird unser Zossen instabil. Und solche Pumpkapazitäten haben wir nicht, um mit dieser Schüttleistung Schritt halten zu können. Chiefmate meint, wir sollten uns mal auf 24 Stunden einstellen, darunter ginge gar nichts.
Der Großteil der Crew interessiert sich einen Scheiß für diese technischen Details. Kaum ist das Zauberwort „Brasilien“ im Umlauf, gerät der halbe Dampfer in Partylaune. Einige Maaten waren schon mal in einem brasilianischen Hafen, oder sie kennen einen, der einen kennt, der schon mal da war. Also, nach den übereinstimmenden Statements der Janmaaten gibt es in Brasi-Land die schärfsten Weiber, die härtesten Drinks, außerdem die schärfsten Weiber und die härtesten Drinks, ach ja, habe ich schon die scharfen Weiber und die harten Drinks erwähnt? Die beiden Begriffe werden in einer Endlosschleife immer wieder runtergebetet, dieses Land scheint nach Ansicht der Piepels hauptsächlich aus Freudenhäusern und ihnen angeschlossenen Schnaps-Destillen zu bestehen. Mit einer gewissen Erwartungshaltung sortiere ich mir schon mal meine Funkunterlagen für die bevorstehende Ballastreise in dieses angebliche Seemannsparadies…
Sechs Tage, 48 Stunden Funkwache und ein Skatturnier später. Philadelphia ist bereits jetzt im Nebel des Vergessens verschwunden, der Hafen war zu belanglos, um Stoff für Storys und Legenden zu produzieren. Und nun liegen wir vor Point a Pierre. Nie gehört? Macht nichts, kein Mensch muss sich diesen Port merken. Zumal es gar kein richtiger Hafen ist, sondern lediglich ein Bunker-Stützpunkt auf Trinidad. Wir übernehmen Schweröl und Diesel, unsere Maschine hat Durst wie ein Rudel Vollmatrosen und hier ist wieder mal eine Treibstoffübernahme fällig.
Ansteuerung Point a Pierre, Blick von der Brücke
Der Aufenthalt dauert nur Stunden, aber am Nachmittag wetze ich mal auf die Schnelle an Land, in dieser Bulkfahrt sollte man jede Gelegenheit nutzen. Timmi und der dritte Offizier sind auch dabei, gemeinsam schlendern wir durch das kleine Städtchen und schauen uns ein wenig um. Nichts Berauschendes, aber etwas karibisches Flair wird uns doch zuteil. Überwiegend negroide Bevölkerung, dazu die in der Karibik üblichen Mischungen aller Ethnien und Hautfarben. In den Bars dröhnen Calypsoklänge aus den Musikboxen. Oder der klirrende Sound der Steelbands. Aber zu wenig Zeit, um richtig ins pralle Leben einzutauchen. Früh sind wir wieder an Bord, am späten Nachmittag ist die PROPONTIS wieder auf See.
Bis zum Ladehafen Tubarao benötigen wir bei der Geschwindigkeitsvorgabe des Charterers neuneinhalb Tage. Inzwischen habe ich ein Telegramm aufgenommen, das uns den Löschhafen mitteilt, die Erzladung ist für Mobile bestimmt. Also wieder zurück in die USA, die Stadt liegt in Alabama, der Hafen hat sich weitgehend auf den Ex- und Import von Schüttgut spezialisiert.
Chiefmate und F. O. Schlörit
Die Mannschaft werkelt sich bei anhaltend guter Laune der brasilianischen Küste entgegen, nach all den jüngst gehörten Storys sind die Erwartungen recht hoch gesteckt. Angenehm ist überhaupt das Betriebsklima an Bord, fachlich und menschlich gute Piepels hat Laeisz hierher geschickt. Die Gilbertesen sind ebenfalls von der verträglichen Sorte, bisher ist keiner wegen postalkoholischer Verwirrungen auffällig geworden. Auf meinen Kühlschiffen machte ich da andere Erfahrungen, diese Südsee-Sailors sind eigentlich nette Kerle, aber mit Sprit in der Birne entwickeln die manchmal ausgesprochene Rambo-Allüren. Dann geht man denen besser aus dem Weg.
Aber wie auf jedem Dampfer gibt es auch hier ein armes Schwein, das mit der ganzen Situation nicht klarkommt, fachlich nicht sattelfest ist und dann noch zu allem Überfluss sein Heil im Alkohol sucht. Hier ist es der 2. Ing., der den unfreiwilligen Part des Schiffsclowns an sich gezogen hat. Nach anfänglicher Zurückhaltung äußert der Chief immer häufiger Zweifel an der Qualifikation seines nachgeordneten Kollegen. Und immer öfter fällt dieser durch leicht lallige Sprache und spirituosengeschwängerte Ausdünstung auf, wenn er einem mal über den Weg läuft. Bin gespannt, wie sich das entwickelt, lange schauen sich das der Chief und der Alte nicht mehr an.
An einem schon frühmorgens hitzegeschwängerten Tag machen wir an der Erzpier von Tubarao fest.
PROPONTIS an der Erzpier von Tubarao
Erzverladehäfen sehen weltweit gleich aus, zumindest gewinne ich nun diesen Eindruck. Wie schon in Lower Buchanan Halden auf der Pier, soweit das Auge reicht. Und gigantische Schüttanlagen. Riesige Förderbänder, die sich irgendwo im Hintergrund verlieren. Und vor allen schön weit weg von Allem, was das Seemannsherz begehrt. Zunächst mal bringt der Agent unfeine News rüber, die wollen tatsächlich schon abends mit Laden fertig sein, das Landgangsende wird auf 22:00 Uhr festgesetzt. Da wird Hein Seemann aber Gas geben müssen, wenn er die berühmten brasilianischen Damen beglücken und den vielgepriesenen Cachaca („Kaschasch“ ausgesprochen) in sich hineinschütten will. Landgänge unter Zeitdruck, so was schätzen wir besonders.
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