Ich hätte nur eine Bitte an dich und deinen Kollegen Kendo. Setzt uns nicht zu sehr unter Druck. Die Modernisierung und das Besatzungstraining braucht seine Zeit, das weißt du besser als ich. Und da geht Qualität immer vor Hektik, wenn wir das alles richtig machen wollen.“
Als die anwesenden Besucher in den nächsten Tagen insbesondere die Inneneinrichtung der rund 500 Meter durchmessenden TAIFUN und die der meisten abgestellten kleineren Kugelraumer eingehend besichtigt und fotografisch dokumentiert hatten, meldete sich der Chefandroide Astor 1 beim letzten Rückweg ins Erdgeschoß der Anlage zu Wort:
„Großadmiral Dagmund – ich erfahre gerade aus meiner Zentrale, dass wir von der im Anflug befindlichen MARKON angerufen werden. Ich lasse dem Schiff jetzt die Freigabe zur Landung erteilen.“
„Sehr gut – und wir werfen uns sofort in unsere Raumanzüge und gehen raus, um diesen Flottenmarschall Baldur zu begrüßen. Ich bin schon sehr neugierig auf ihn und sein Schiff. Also meine Freunde, auf geht’s.“
Kapitel 8 Die Bergung der MINOKA
Vom Eingang des Stützpunkts aus beobachteten die jetzt wieder in ihre Raumanzüge gehüllten Menschen wenige Minuten später die in unmittelbarer Nähe des Wracks stattfindende Landung der gigantischen MARKON.
Als sich der von den Landetriebwerken aufgewirbelte Staub langsam wieder gelegt hatte, bestiegen alle Anwesenden ein inzwischen von der MHORA-X abgesetztes Shuttle.
„Das ist ein ganz außergewöhnliches Schiff. So etwas Riesiges habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Und eine gewisse Ähnlichkeit der Triebwerke mit denen des Wracks ist unverkennbar“, murmelte Großadmiral Dagmund-Thor bewundernd, während er den jetzt als Piloten der MHORA-X-1 fungierenden Lieutenant Clark Rodgers zur Eile drängte.
Kaum hatte Clark das vor dem Hintergrund der hoch aufragenden MARKON noch kleiner wirkende Shuttle sanft auf dem Mondboden aufgesetzt, eilte das Forschungskommando – allen voran die beiden mandoranischen Botschafter – in Richtung der angekommenen Delegation, die soeben über die ausgefahrene Rampe des mandoranischen Ringkreuzers ausgestiegen war.
„Es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen, verehrter Flottenmarschall Baldur. Ich bin Großadmiral Dagmund-Thor, der ehemalige Verteidigungsminister des Sol-Systems aus der Zeit der lemurischen Menschheit. Herzlich willkommen auf LUNA“, begrüßte Brigids Vater den Anführer der mandoranischen Abordnung.
„Die Ehre ist ganz meinerseits, Kollege Minister“, erwiderte der mandoranische Regierende Rat Baldur knapp, als er auch schon weitersprach:
„Ich kenne euch bereits allesamt – und ich bin auch über eure Geschichte und den Zweck eures Hierseins informiert. Botschafterin Rhea und Botschafter Ares haben mich während unseres Anflugs bereits umfassend unterrichtet. Deshalb können wir uns an dieser Stelle kurzfassen und uns dem Wrack zuwenden.
Dass dies ein ehemaliges Schiff meiner Vorfahren ist, muss ich wahrscheinlich nicht extra betonen. Deshalb bin ich euch sehr dankbar, dass ihr uns zur Hilfe gerufen habt, um dieses Wrack zu bergen.
Wir haben auf MANDORAN noch vor unserem Abflug die zum Großteil noch erhaltenen historischen Archive aus der Frühzeit unseres Volkes durchforstet. Danach besteht für mich kein Zweifel, dass wir hier eines der fünf verschollenen Saatschiffe vor uns haben, mit denen unsere Vorväter vor vielen Jahrmillionen menschliches Leben auf dafür geeigneten Planeten eures Sonnensystems aussäen oder beschützen wollten.
Ich habe deswegen und aufgrund von Rheas Bitte einige unserer besten Fachwissenschaftler mitgebracht, die das verifizieren und uns bei der Identifizierung des Schiffs helfen sollen“, erwiderte der Flottenmarschall, während er zugleich auf seine Begleiter und dann in Richtung des vor Urzeiten abgestürzten Schiffs deutete.
„Gut – ich finde es sehr sympathisch, dass du gleich auf den Punkt kommst, Baldur. Also los, worauf warten wir noch? Gehen wir zum Wrack und sehen zu, dass wir Näheres über den Grund seines Absturzes erfahren“, entgegnete der Großadmiral, während er zugleich das Zeichen zum Aufbruch gab.
Die bislang vor sich hin schweigende Mora Kranz nahm den Marsch zum ungefähr 500 Meter entfernten Wrack zum Anlass, um noch einmal über ihren Helmkommunikator Verbindung zu Oskar 1, ihrem in der MHORA-X-1 zurückgebliebenen larojanischen Androidenfreund aufzunehmen.
„Oskar 1, du hältst ab sofort bitte all deine Sensoren auf uns und unsere unmittelbare Umgebung gerichtet. Ich denke zwar nicht, dass es notwendig sein wird, aber achte bitte dennoch auf unsere Absicherung. Wir haben zwar alle unsere persönlichen Schutzschirme eingeschaltet – ich möchte jedoch keine unliebsamen Überraschungen erleben, auch wenn dieses Geisterschiff energetisch komplett tot zu sein scheint.“
„Geht klar, Fürstin. Ich passe auf euch auf – und ich denke, die Mandoraner an Bord der MARKON und unsere Crew auf der MHORA-X tun das Gleiche“, erwiderte Oskar 1, während sein freundliches Grinsen deutlich in Moras Helmdisplay aufschien.
„Danke, mein Freund. Ich bleibe auf Sendung, damit du all das, was wir sehen, optisch und akustisch mitbeobachten kannst.“
„Mache ich Fürstin. Ich halte diesen Kanal offen und übertrage deine Bilder auch an unseren Explorer sowie an die ODIN und die SOL. MHORA-X-1, Ende.“
Als der Forschungstrupp an der von Meteoriteneinschlägen zerschrammten Flanke des Wracks ankam, bemerkte die telepathisch jetzt wieder auf die Mandoraner konzentrierte Mora deren wachsende Nervosität.
„Da oben sehe ich Schriftzeichen, Alex. Riesengroße mandoranische Buchstaben. Das heißt in unserer Sprache MI-NO-KA – den kleiner geschriebenen Rest kann ich leider nicht lesen, dafür ist diese Seitenwand viel zu ramponiert“, sagte Mora, während sie auch den übrigen Text zu entziffern versuchte.
„Du liegst völlig richtig, Fürstin Mora“, sagte Flottenmarschall Baldur umgehend per Helmfunk. Das hier ist tatsächlich die MINOKA. Sie verschwand vor rund 65 Millionen Jahren, als sie auf dem Weg in den von uns bereits bevölkerten Seitenarm eurer Galaxis war. Zuletzt meldete sie sich vom Rand eurer MILCHSTRASSE, ehe sie ein Wurmloch in Richtung eures Sol-Systems aufbaute.
Die Kommandantin der MINOKA hieß Amal. General Amal war übrigens eine der ersten weiblichen Befehlshaberinnen in unserer damaligen Flotte. Ihr Hauptauftrag vor ihrem Verschwinden war es, den Welten beizustehen, die nach der Vertreibung der STYXX aus ANDROMEDA in eurer Galaxis Überfälle dieser grausamen Invasoren zu befürchten hatten.“
„Bei den Göttern von TARES, das ist unglaublich. Und fast hätte euer weiblicher General es tatsächlich noch geschafft, unsere Heimat zu retten. Sie kam mit ihrem schwerbewaffneten Saatschiff anscheinend nur wenige Stunden zu spät“, warf an dieser Stelle die leise vor sich hin schluchzende Runa-Lhun mit kaum wahrnehmbarer Stimme ein.
„Senior Commander, so ist halt manchmal das Schicksal, das uns unsere Götter als Prüfung auferlegen. Sei also bitte nicht mehr traurig – denn es ist heute müßig, darüber nachzudenken, was geschehen wäre, wenn General Amal rechtzeitig hier gewesen wäre“, sagte Botschafterin Rhea, während sie die trauernde Lemurerin in den Arm ihres unförmigen Raumanzugs nahm.
„Manchmal ist eine derartige Katastrophe aber auch der Beginn eines wundervollen Neuanfangs, Runa. Und nur daran solltest du jetzt denken“, ergriff jetzt Admiral Anuk-Thor das Wort.
„Mich interessiert viel mehr, was aus General Amal und ihrer tapferen Besatzung nach dem Verlassen des Schiffs geworden ist. Ich schätze nämlich, dass die Vernichtung des damals angreifenden STYXX-Schwarms zu einem guten Teil auch auf ihre Rechnung geht“, warf Kommodore Brigid-Thor in diesem Moment in die über Helmfunk geführte Debatte ein.
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