Eine Wolke zog über die Sonne; düster lag der wilde, dicht verwachsene Wald an beiden Seiten, und häßliche Geier, die neben der Bahn an einem gefallenen Stück Vieh ihr ekles Mahl gehalten, strichen mit lautem Flügelschlag erschreckt zur Seite.
In dem Augenblick gellte der grelle Pfiff der Locomotive durch den Wald; sie näherten sich einer zum Halteplatz bestimmten Station, und wie der Zug einbremste und die Sonne wieder voll und fröhlich aus den flüchtigen Schleiern heraustrat, da grüßten die Klänge fröhlicher Musik das Ohr des Kaisers. Eine Menge geputzter Menschen war dort versammelt, eine kleine, mit Blumen und Kränzen geschmückte Halle zeigte sich dem Blick, mit lauter Jubel drang daraus dem Herrscherpaar entgegen.
Unwillkürlich suchte Maximilian's Auge das der Gattin, das er bis jetzt in seinem düstern Brüten gemieden; eine Thräne glänzte darin. War sie erst jetzt durch diesen ersten Lichtblick ihres neuen Lebens hervorgepreßt, oder hing sie noch an den Wimpern der hohen Frau, als Zeuge ähnlicher Ahnungen, wie sie auch kurz vorher des Gatten Herz bewegt? /29/
Es blieb ihm keine Zeit, auch nur eine Frage an sie zu richten, denn das Volk drängte herbei; Indianer mit Blumen und Früchten, Weiße und Mischlinge in ihrer Sonntagstracht, und da war nichts Gemachtes, keine auf Befehl in Scene gesetzte Demonstration. So einfach die Begrüßung war, so sicher kam sie von Herzen, und besonders die Indianer dort schaarten sich um den Kaiser, während ein nur halblaut und fast wie scheu ausgesprochenes Wort flüsternd durch ihre Reihen lief.
Von da an schien der Bann gebrochen, der auf Maximilian's Eintritt in sein fremdes Reich gelegen. Der erste Bote, der seine Ankunft in Mexikos Hauptstadt gemeldet, hatte die Kunde auch durch das Land getragen. Friede sollte von jetzt an herrschen. Der neue Kaiser kam, den eine alte indianische Sage schon seit Jahrhunderten verkündet, und von allen Seiten strömte das Volk herbei, um ihn zu begrüßen.
Und Mexiko, die Hauptstadt, durfte darin nicht zurückbleiben.
Wie ein Lauffeuer hatte sich die Kunde von der Ankunft des Kaiserpaares in der großen Stadt verbreitet und gerade hier auch ungetheilten Jubel hervorgerufen. Man war der französischen Herrschaft schon recht von Herzen müde geworden und sehnte sich nach einem andern Regiment, das - wenn es nur die Hälfte von dem hielt, was es versprach - Segen und Ruhe über das arme, fast zu Tod gehetzte Land ausschütten mußte. - Sagte denn nicht dieser neue Kaiser in seiner von Vera-Cruz aus datirten Proclamation, die ein zweiter Courier heraufgebracht:
„So schwer es mir auch wurde, meinem Geburtsland zu entsagen, so habe ich es doch in der Ueberzeugung gethan, daß mich der Allmächtige, durch Eure Vermittlung, zu der edlen Mission ausersehen hat, meine ganze Energie und mein ganzes Herz einem Volke zu weihen, das, von unheilvollen Kämpfen ermüdet, aufrichtig den Frieden wünscht. Die Segnungen des Himmels und mit ihnen der Fortschritt werden uns sicherlich nicht fehlen, wenn sich alle Parteien von einer starken und redlichen Regierung leiten lassen und sich einigen, um das vorgesteckte Ziel zu erreichen, und wenn wir stets /30/ fortfahren, von religiösen Gefühlen beseelt zu sein, diesem Kennzeichen unseres schönen Vaterlandes selbst in den schwierigsten Epochen. Was mich betrifft, so biete ich Euch einen aufrichtigen Willen, Redlichkeit und die feste Absicht an, Eure Gesetze zu achten und sie mit unerschütterlicher Autorität zur Achtung zu bringen. Einigen wir uns, um das gemeinsame Ziel zu erreichen; vergessen wir eine düstere Vergangenheit; begraben wir den Parteihaß, und die Morgenröthe des Friedens wird sich leuchtend über dem neuen Kaiserreich erheben."
So etwa lautete der kurze Inhalt des Schriftstückes, das rasch in Tausenden von Exemplaren in der Staatsdruckerei hergestellt und unter das Volk verbreitet wurde, und natürlich, seinem Inhalte nach, Jubel in allen Kreisen erregte. - Sah doch jede Partei darin eine Erfüllung dessen, was sie selbst erstrebte.
Es waren aber auch einfache-ehrliche Worte, die der neue Herrscher zu ihnen sprach, und man glaubte ihnen so gern, da sie doch für die nächste Zeit wenigstens bessere und geregelte Zustände verkündeten.
Am 12. Juni endlich wurde die Ankunft des Kaiserpaares, das sich unterwegs und zwar in Orizaba und Puebla länger aufgehalten, in der Hauptstadt Mexiko angekündigt, und alle Straßen fast prangten im Festschmuck, schwärmten von jubelnden Massen, und schienen ihr schönstes Festkleid angelegt zu haben.
Nur im kaiserlichen Palais selber gab cs noch unglückliche Menschen, die bis an die Schultern in Seifenwasser und Schaum staken, gab es noch Tischler und Tapezierer, noch Schlosser, Zimmerleute und Maurer, denn man war ja, nach ächt mexikanischer Art und Weise, gar nicht an die selbst nöthigsten Arbeiten gegangen, bis den Leuten das Feuer auf den Nägeln brannte - dann aber auch natürlich nicht fertig geworden. Wie ein Blitzstrahl schlug daher die Nachricht: „der Kaiser kommt!" bei allen den mit irgend einer Arbeit Betrauten ein, und richtete eine fabelhafte Verwirrung an.
Aber das kümmerte die geputzte Schaar im sonnigen Licht da draußen wahrlich nicht, und größeren Glanz hatte Mexiko noch nicht wieder seit der spanischen Zeit gesehen. Die ganze /31/ haute volée war nämlich heute ausgezogen, um das Herrscherpaar noch vor der Stadt zu begrüßen, jede Equipage außerdem in Anspruch genommen und mit dem Schönsten gefüllt, was die daran so reiche Stadt an schönen Frauen bietet. In aller Pracht mexikanischer Reitercostüme, Sattel und Zaum wie die Reiter selber mit schweren Silber- und Goldstickereien bedeckt, drängte sich dabei Roß an Roß auf der breiten Straße, und wie das von edlen Metallen und Juwelen funkelte und blitzte, so funkelten und blitzten die Augen der schönen Frauen in Lust und gespannter Erwartung. Standen sie doch an der Schwelle einer neuen Aera, die sich ihre lebendige Phantasie schon mit bunten Bildern bevölkerte, und Glanz hineinflocht, Licht und Sonnenschein.
Die Equipagen von Mexiko lassen allerdings sehr viel zu wünschen übrig; wer aber sah heute auf die Geschirre, wo sie in ihrem Innern solche Pracht entfalteten - und nur die herrlichen Pferde wurden zur Schau geritten, denn gerade im Sattel zeigt sich der Mexikaner in seiner kleidsamen und etwas phantastischen Tracht zum größten Vortheil.
Nicht weit von Pennon, wo die Herrschaften erwartet wurden, neben einem verhältnißmäßig sehr eleganten Wagen, in welchem eine ältere, eine junge Dame und zwei allerliebste kleine Mädchen saßen, die zwischen sich wohl ein paar Dutzend Bouquets der herrlichsten Blumen liegen hatten, hielten mehrere Reiter in ihrer Galatracht. Sie trugen die großen breitrandigen, schwer gestickten Filzhütc, - die schon manchen deutschen Hutmacher in Mexiko zum reichen Mann gemacht - die mit zahlreichen silbernen Knöpfen und anderer Stickerei versehenen Cherivallas oder Reitgamaschen, große, schwere silberne Sporen und Zaumzeug und Sattel von Silber strotzend, während besonders an letzterem der Sattelknopf, wie ein kleiner, etwas schräg stehender Teller, von dem edlen Metall vollkommen überzogen wurde.
Unter ihnen hielten sich ein älterer und ein jüngerer Herr dicht zu beiden Seiten des Wagens. Der ältere Herr war der Gatte und Vater der weiblichen Insassen des Wagens, Seňor Don Bautista Romero, während der Jüngere, der kaum mehr als zweiundzwanzig Jahre zählen mochte, durch /32/ die zärtliche Ehrfurcht, mit welcher er Dona Ines, die Tochter des alten Herrn, behandelte und fast nur an ihren Augen hing, ziemlich deutlich verrieth, daß er ebenfalls gern ein Verwandter des Hauses gewesen wäre. Dona Ines behandelte ihn aber - so weit man es hier wenigstens beobachten konnte - ziemlich kalt; ihr Blick begegnete dem seinen nur äußerst selten, und dann selbst flüchtig und nur für einen Moment. Desto aufmerksamer musterte sie aber dafür die Toiletten der Damen, und wechselte dann und wann mit ihrer Mutter, ohne dem Galan weitere Aufmerksamkeit zu schenken, ein paar lächelnde Worte - und doch in dem Lächeln, welche scharfe Kritik über irgend einen auffallenden Schmuck oder sonstigen Gegenstand der Toilette!
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