1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 Neben Seňor Römers hielt ein alter Freund desselben, Bastiani, ein ältlicher Herr mit eisgrauem Schnurrbart und ebensolchen Augenbrauen. Er war auch früher Soldat und natürlich General gewesen, hatte sich aber nach dem amerikanischen Krieg zurückgezogen und lebte jetzt großentheils auf seiner Hacienda, unfern von Cuernavaca.
Seňor Romero besaß ein sehr schönes und prachtvoll eingerichtetes Haus in der Hauptstadt selber, und Don Silvestre, der junge Herr, der nach Romero's Töchterlein schmachtete, war ein Nachbar desselben, der Sohn eines früheren Ministers, Almeja mit Namen, dessen Familie ebenfalls zu den angesehensten der Stadt zählte. Die Equipagen beider Familien fuhren auch zusammen aus Mexiko ab, wurden aber in dem ungeheuern Gedränge von Wagen und Reitern getrennt, und mußten deshalb an verschiedenen und von einander entfernten Stellen Position nehmen.
Und das Kaiserpaar kam noch immer nicht. Wie unruhig die Damen schon wurden, und wie besorgt sie ihre reichen Blumenvorräthe musterten, denn wenn sie erst in der heißen Sonne welkten, konnte man sie den „Herrschaften" doch nicht zuwerfen. Außerdem war es aber auch kein besonderes Vergnügen, dort in Hitze und Staub zu halten, wenn auch das Gedränge selber Abwechselung und Unterhaltung genug bot.
Die ganze Cavalcade hatte sich wieder langsam in Bewegung gesetzt, und zwar schon der Thiere wegen, die nicht /33/ gern so lange ruhig stehen wollten; aber nach kurzer Fahrt stockte der Zug wieder, und nur einige Reiter waren ab- und vorausgeschickt worden, um zu erkunden, ob man noch nichts von den Erwarteten entdecken könne.
Der alte Bastiani hielt wieder dicht neben Romero's Wagen, und den Gedanken, die ihm indessen wohl die ganze Zeit im Kopf herumgegangen, endlich Worte gebend, sagte er zu dem Schwager gewandt:
„Wundern soll's mich doch, welchen Umschwung die Dinge hier nehmen werden, wenn der neue Kaiser alles das hält, was er in seiner Proclamation verspricht - und er verspricht eben Alles."
„Und eben deshalb kann er's nicht halten," sagte Romero trocken. „Haben Sie den Theil gelesen, der von dem „religiösen Gefühl" handelt, Bastiani?"
„Gewiß - die übliche Redensart, die er schon einer gewissen Menschcnklasse wegen nicht weglassen durfte, wenn er sie nicht gleich von vornherein vor den Kopf stoßen wollte."
„Das ist mehr als das," sagte Romero, den Kopf schüttelnd, „und cs sollte mich sehr wundern, wenn er sich nicht den Klerikalen inniger als irgend einer der übrigen Parteien zuneigte - ist auch von einem österreichischen Prinzen gar nicht anders zu erwarten. Die „Schwarzen" verlangen aber eine Unmöglichkeit: „Herausgabe der confiscirten Kirchengüter", und folgte er ihnen darin, so stieße er nicht allein den ganzen Besitz des Landes um, sondern brächte sich in die schwierigste Lage mit fremden Ansässigen und fremden Regierungen. Die meisten der „liegenden Gründe", die früher der Geistlichkeit gehörten, sind ja doch nun einmal in fremden Händen und wieder und wiederverkauft, so daß es eine Heidenconfusion gäbe, wenn man die Sache auf einmal wollte ungeschehen machen."
„Sie haben ja selber das Kloster San Sebastian gekauft," lächelte Bastiani.
„Allerdings," nickte Romero, aber mit etwas unterdrückter Stimme, indem er einen, wie scheuen Blick nach dem Wagen und seiner Frau hinüberwarf, „es bot mir die größten Vortheile. Aerger mußte ich aber genug dafür hinunterschlucken." /34/
„Ihre Frau war nicht damit einverstanden?"
„Außer sich darüber, amigo. Die verwünschten Pfaffen haben ihr die Hölle heiß gemacht und bohren und drängen selbst jetzt noch in einem fort. Macht der Kaiser dann noch einen unüberlegten Streich und läßt sich von der Geistlichkeit beschwatzen, so ist der Teufel vollständig los, denn er hat dann alle Pfaffen und Weiber auf seiner Seite."
„In der letzten Zeit habe ich übrigens gar nichts davon gehört, daß eins der noch leer stehenden Klöster verkauft wäre, und doch traten die Franzosen dem nirgends in den Weg," sagte Bastiani.
„Nein, das in der That nicht," meinte Romero; „wer aber soll unter den jetzigen Umständen, wo man gar nicht weiß, ob ein solcher Handel noch rechtskräftig gemacht wird, sein gutes Geld in die Schanze schlagen? Erst müssen wir abwarten, wie sich Maximilian der Geistlichkeit gegenüber stellt. Ich bin übrigens froh, daß ich nicht den Wirrwarr durchzumachen habe, der den neuen Kaiser erwartet. Viel Ruhe wird er nicht bekommen."
Bastiani nickte leise vor sich hin mit dem Kopf. „Wenn er das Decret," sagte er, „das die Güter der „todten Hand" ihren jetzigen Besitzern läßt, nicht annullirt, so ist die schönste Revolution gleich wieder fertig, denn die Geistlichen geben in dem Fall keine Ruhe."
„Und wenn er es annullirt, so treibt er die Hälfte seiner Anhänger in's Lager der Liberalen," erwiderte Romero; „ich möchte wahrhaftig nicht an seiner Stelle sein."
„Und doch giebt es Manche, die es möchten," sagte Bastian:, „und - vielleicht auch noch nicht alle Hoffnung aufgegeben haben."
„Möglich schon," nickte Romero, „aber wen meinen Sie?"
„Es ist besser, keine Namen zu nennen," sagte der vorsichtige Mexikaner, „wir wollen's abwarten. Uebrigens möchte ich den einzelnen Menschen sehen, dem es unter den gegenwärtigen Umständen gelingen sollte, Ruhe in diesem Land zu halten und den Frieden herzustellen."
„Und was würde ihn daran verhindern?"
„Nur vier Unmöglichkeiten," sagte Bastiani. „Erstlich /35/ und vor allen anderen die Kirchenfrage, die allein schon genügt; dann unsere äußere Schuld; dann der Haß der Parteien mit offener Revolution im ganzen Land, und zuletzt, aber nicht als Geringstes, das französische Heer, das ihm hier auf dem Halse sitzt und das wieder los zu werden, ihm Mühe genug kosten wird. Und dabei warten die Parteien nur darauf, zu sehen, welche er begünstigt, um dann ebenfalls über ihn herzufallen."
„Sie entwerfen ein freundliches Bild von unseren Zuständen," lachte Romero, „und ich fürchte fast, Sie haben in vielen Dingen Recht, aber que importa? - wir können nichts in der Sache thun, als sie eben abwarten, und das hat Maximilian doch wenigstens für sich, daß ihn das Volk in seiner ungeheuern Mehrzahl zum Kaiser selbst verlangte -"
„Aber bester Romero," sagte der alte Herr, „Sie reden von einer Abstimmung in Mexiko. Wissen Sie nicht, was eine solche zu bedeuten hat?"
„Nun, den Willen des Volkes," rief Romero eifrig aus, „und wenn Sie heute noch einmal den Versuch machten, bin ich fest überzeugt, daß er Tausende von Stimmen mehr bekommen würde."
„Gewiß würde er das," lachte Bastiani, „und weshalb nicht? Wollte er in diesem Augenblick über das Kaiserreich abstimmen lassen, so glaube ich nicht, daß es zehn Menschen in der ganzen Stadt und wenig mehr im benachbarten Land gäbe, die ihm ihre Stimme vorenthielten, aber was will das sagen? Lassen Sie Juarez aus seinen Bergen vorbrechen, die Franzosen einmal schlagen und nachher über ihn abstimmen, so haben Sie das nämliche Resultat für den Indianer. Daß Maximilian eine Abstimmung in Mexiko nur verlangte, beweist, daß er das Land nicht kennt, wenn nicht überhaupt die Annahme der Krone schon den vollgültigsten Beleg dafür böte."
„Sie kommen! sie kommen!" tonte der laute Ruf durch die Reihen, und natürlich war dadurch jedes weitere Gespräch abgebrochen, ja jeder andere Gedanke gebannt. Die Equipagen fuhren rechts und links zur Seite, die Reiter, von denen nur ein Theil als Escorte voraussprengte, trennten sich /36/ ebenfalls, und jetzt kam der Zug, von dem mehr und mehr anschwellenden Willkommensrufe begrüßt, heran. Zu einem wahren Enthusiasmus aber steigerte sich derselbe, als man das junge, schöne Paar im Wagen erst erkannte.
Das war in der That ein Fürst, wie sie ihn sich gedacht; das war eine Kaiserin, die an seiner Seite saß, edel und schön, stolz und königlich. Der Jubel schwoll auch zu einem wahren Freudenrausch an, als das hohe Paar langsam zwischen den Wagen und Reitern, die sich dem Zug dann anschlössen, hindurchfuhr. Die Damen warfen ihre Blumen in den Wagen und schwenkten die Tücher, die Herren hoben ihre Hüte, und die donnernden Vivats pflanzten sich fort auf der Straße bis in die künftige Residenz hinein.
Читать дальше