Stefan Wieser - Die bunten Lebensaufzeichnungen Egons, der im Alter von dreieinhalb Jahren am Spiegelgrund seiner Wörter tauchend umkam

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Dieses Buch beinhaltet das Schicksal Egons, der an der Wiener Euthanasieanstalt «Am Spiegelgrund» wenige Tage vor der Befreiung Wiens gestorben ist. Da die Euthanasieärzte Egon das Sprechen absprachen, so wird die Sprache zum Instrument, eine Spur der Erinnerung im Getriebe der Welt und über das Mahlwerk des Vergessens hinweg zu setzen.
Die Kernhandlung meines Textes ist also an jenem Spiegelgrund verortet, das ist jener Bereich des Wiener Otto-Wagner-Spitals, der die «Kinderfachabteilung» beherbergte, an welcher im Rahmen der «Euthanasie» 789 namentlich bekannte Kinder und eine große Zahl nicht genau erfassbarer Kinderpatienten zu Tode gebracht wurden, sobald über sie eine Diagnose wie «unbrauchbar», «asozial» oder «minderwertig» gestellt oder vielmehr gefällt worden war.
Im Mittelpunkt des erzählten Geschehens steht der dreieinhalb Jahre alte Egon – keine fiktive Gestalt, sondern ein in freier dichterischer Gestaltung auftretender Charakter mit dem Namen und dem biographischen Hintergrund eines Kindes, das wirklich gelebt hat und an der Kinderfachabteilung am Wiener Spiegelgrund gestorben ist. Ein «Stolperstein» vor einem Haus im 6. Wiener Gemeindebezirk erinnert heute an Egon.
Was wäre, wenn? Was, wenn Egon überlebt hätte? Dieses Buch ist letzten Endes ein Plädoyer für die positive Macht der Sprache, auch wenn es das «wenn» nicht gibt. Diese Erzählung verleiht den zur Sprachlosigkeit Verurteilten die Sprache, die man ihnen abgesprochen hat. Beim Betrachten der Fotos der Kinder vom Spiegelgrund und der Stationen und Krankensäle der Euthanasie-Pavillons meint man auch heute noch nach über 70 Jahren den Mahnruf geradezu plastisch zu vernehmen, der lautet: Vergesst uns nicht.

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Unser Wanderer Egon konnte seinen Kampf nicht gewinnen. Einweisung, Beobachtung, Behandlung, so hießen die drei papiernen Schlösser, die Überschriften auf den entsprechenden amtlichen Formularen, auf Spitalspapier geschrieben, die jeden Rückweg sicherer verhinderten als jener berühmte Wärter.

Mag der Geist auch willig sein, so ist das Papier mit der Überschrift „Einweisung“ stärker als die Trotzschreie seines rebellierenden Körpers. Das Papier allein bricht ihn. Gegen Papier gewinnt man nicht mit einem drei Jahre alten Geist. Ein Primarius hat ihn schließlich zur „Freigabe“ empfohlen. Mittels des Zeichens „+“ neben der Unterschrift der endesunterfertigenden Ärzte wurde „freigegeben“, durch das gegenteilige Zeichen Rückführung in den Volkskörper empfohlen. Doch letzteres kam nicht oft vor.

Links, links, links, links, rechts, links, links.

Der Spiegelgrund der Wörter: Ein Spiegelgrund flimmert immer und überall. Auch Flüsse besitzen einen Spiegelgrund. Man kann sich spiegeln in der Strömung der Flüsse, während man die ersten Wörter seines Lebens spricht. Alles fließt, und schon haben die Wörter sich zerteilt am Grund des Flusses, kaum sie sich von den Lippen losgelöst haben. Egons Spiegelgrund der Wörter lag unter der fließenden Oberfläche des Wienflusses, an dessen Ufer sein Geburtshaus steht. Er sah darin, als ihm noch gegeben war, sich zu spiegeln an einem seiner frühesten Lebenstage, zu seinem Erstaunen vom Brückengeländer aus seine ersten Wörter sich in der raschen Strömung verlieren und mit den durch sie bezeichneten Dingen eins und für sich selbst keins werden.

Dies eine hieß Haus und das andere Gold.

Gesetzt den Fall, wir überließen einem Spurensucher die Initiative: Einem Zeitwanderer, der über 200 Jahre Lebenszeit verfügt, fielen, sobald er in gegenwärtiger Zeit aus der in unmittelbarer Nähe gelegenen Station der Untergrundbahn ans Freie tritt, zunächst die Fassaden der Sezessionshäuser auf, die den unter dem Namen Linke Wienzeile bekannten Verkehrsweg säumen. Bei eingehender Betrachtung fallen ihm alsbald Namensfelder unterhalb der Dachfirste in der Höhe der vierten oder fünften Etage ins Auge, von denen eines die Bezeichnung OESER-HOF trägt. Vor dem Eingang zu diesem Wohnhaus hielte nun der Zeitwanderer im Gehen inne, um sich durch den schon erwähnten Stolperstein zu vergegenwärtigen, daß hinter seinem Haustor der Weg zur Wohnung führt, in der Egon dreieinhalb Jahre seines Lebens geatmet und gelebt hat. Der Zeitwanderer würde auf dem Boden dieses Stadtbezirkes, wenn er sich also 200 Jahre Zeit nehmen wollte, gewiß viele Fassaden in Staub sinken und neue Fassaden hinter dem Glanz der alten hervortreten sehen.

Gerhard Egon hingegen verfügte über keine 200 Jahre. Seine Uhr war mit der Verbringung nach dem Spiegelgrund abgelaufen. Denn in den wenigen vier Wochen, die er nach dem Einlieferungstag am Spiegelgrund noch am Leben blieb, ließ die Zeit, die unserem Zeitwanderer sich selbst so großzügig zumißt, ihren unaufhörlichen Sandfluß nicht länger hinter den siebenfach verriegelten Kerker in Weiß einsickern. Still ist es im Krankensaal, in dem statt der Zeit ein NICHT verrinnt. Hinter den Riegeln und Fenstern des mit der Nummer XV bezeichneten Pavillons löste Egon einen seiner Vorgänger in dessen Bett ab, als einer der Letzten in einer Reihe von über achthundert Kindern, die unter der Herrschaft von Gross und Jekelius, Illing und Kerserderserkerski ihren Tod des Tages und ihren Tod der Nacht starben, bei offenem Fenster in der Februarnacht, und später selbst noch zu einem Zeitpunkt, als bereits der Zangengriff der Roten Armee von Süden ausgehend zu seiner Umklammerung der Stadt ansetzte.

Gerhard Egon starb am 4. April des Jahres 1945, vier Monate, fünfzehn Tage vor seinem vierten Geburtstag. Ein Totenbuch verzeichnet seinen Namen unter 788 weiteren Namen – ein Name, ein Kind.

So öffnet dieser Text aus der Sicht unseres Zeitwanderers das Fenster zu Egons Leben, das 3½ Jahre offenstand und sich am 4. April 1945 wieder schloß. 789 Fenster stehen für ebenso viele Namen, die erfaßt werden konnten. Wo unter medizinischen Experimenten und unter Messern und bei nächtens geöffneten Fenstern bei eisigem Luftzug, durch Nahrungsentzug und durch Schlafmittel getötet wurde, wo ein Illing und ein Gross und ein Kerserderserkerski im Dienste der Volksgesundheit das konzentrierte Forscherauge in Gehirnschnitte eindringen ließen, die sie den „unbrauchbaren Kindern“ entnahmen, dort trifft unser Zeitwanderer heute, sobald er der Spur Egons bis herauf auf den Spiegelgrund gefolgt ist, auf einen Irrgarten von 789 illuminierten Stelen. Sie flackern jetzt in unserer Zeit bei Tage und leuchten bei Nacht, Symbole der hermetischen Verzweiflung für die an diesem „point of no return“ Eingeschlossenen.

Der hier vorliegende Text beruht nicht auf historischen Beweisen. Doch wäre es möglich gewesen, Egon diese Geschichte zu erzählen, würde er an das andere Ich geglaubt haben, in das er sich auf den Seiten dieses Buches hier verwandelt gefunden hätte. Dieser Band läßt unseren Zeitwanderer einen Blick dafür gewinnen, was möglich gewesen wäre, hätte Egons Fenster länger offen gestanden.

Der Spiegelgrund der Zeit: 200 Jahre spiegeln sich im Fluß und in den Fassaden an seiner Uferzeile. Darin eingebettet der flüchtige Gast Egon. Der Autoverkehr strömt vorüber an Haus und Gedenkstein, am Rande von irgend etwas entlang. Viele Fenster am Boden des Stadtteils um den Oeser-Hof unweit des berühmten Wiener Naschmarktes, an den der Zeitwanderer nun zurückgekehrt ist, erzählen die Geschichten von Menschen, die hinter ihnen gewohnt haben, halbfertige Geschichten, vollendete Geschichten oder solche, deren Faden sich nach ein paar wenigen Worten wieder verliert.

Solches trifft auf Egons Geschichte zu.

Der Faden entgleitet sehr bald den Händen, die ihn eine Weile hielten.

Und zuletzt: ein jeder Spiegelgrund hat einen Grund, einen trüben Grund, an dem der Taucher im Schlamm tastet, einen Goldgrund, beliebig. Ein Spiegelgrund ist auch ein Grund des Daseins. Spiegeln wir uns mit unseren Tauchermasken auf dem Seegrund des Sinnes: ein Spiegelbild wird uns allenthalben entgegenblicken. Gesichter aus den Spiegeln treiben uns am tiefsten Spiegelgrund entgegen. Versuchen wir, wenn wir Egons Gesicht begegnen, hinter sein Spiegelbild zu blicken. Dahinter verbergen sich seine ungelebten Jahre. So werden wir also am Spiegelgrund nach einem Grund und Sinn suchen, den seine Jahre hätten haben können, die ihm entzogen wurden.

Unser Zeitwanderer macht sich nun wieder auf den Weg. Überall stehen Denkmäler. Als HANNA-HOF weist eine Fassadenaufschrift der eingangs beschrieben Art das gegenüber auf der anderen Seite der Wienfluß-Überdachung stehende Wohnhaus aus, den Oeser-Hof schließen der Boulevard-Hof und der Renaissance-Hof ein. Im Blickfang und schon ein paar hundert Schritt abseits steht in seiner Jugendstilpracht der Rüdigerhof in Blau, Weiß, Gold. Und folgt unser Zeitwanderer nun dem Verlauf der hier einmündenden Kettenbrückengasse zurück in das Jahr 1828, so wird er alsbald einem anderen Wanderer begegnen, der soeben das Fenster seines Lebens schließt, über das er das Fazit zieht:

Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus.

Auch hier ein Denkmal. Auch hier ein Spiegelgrund der Zeit. Auch hier ein Grabstein und eine Erinnerung. Es liegen nur wenige Gehminuten zwischen dieser letzten Wohnung des Komponisten Franz Schubert und Egons. Ersterer hat der Menschheit die Spuren von dreißig Jahren unsteten Wanderns hinterlassen. Unser Zeitwanderer mag ihnen noch ein wenig folgen bis an Pforten, die keinen Durchlaß erlauben.

Hier verliert sich die Spur unseres Wanderers.

Er taucht ab wie eine Projektion unserer Phantasie, die dorthin verschwindet, woher sie gekommen ist.

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