Uwe Siegfried Drogoin - Ich bin ein Berliner

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Erzählt wird die Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft zweier Männer, die im Berlin der Vorkriegsjahre beginnt. Harald Eisenstein und Alfred Nagel fahren nach dem Abitur zu Bekannten nach Schweden und bleiben bis zum Kriegsende. Wie erleben sie das 3.Reich und den Weltkrieg aus der Perspektive des Auslandes? Nach dem Krieg kommen beide als erwachsene Männer, inzwischen mit Familie zurück. Harald in den Westen, Alfred in den Osten Wie werden sie mit den Schicksalsschlägen, bedingt durch die deutsche Teilung und schließlich mit der Mauer zurecht kommen? Wird ihre Freundschaft bis zum Mauerfall Bestand haben?

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26.06.1935

Liebe Familie Lindgreen,

auf unserer Anreise nach Falun haben wir heute Stockholm erreicht. Wir werden uns Eure Hauptstadt ansehen und am Morgen des dritten Tages weiter fahren. Wenn alles so planmäßig läuft, wie bisher, werden wir in vier Tagen gegen Abend bei Euch sein.Viele Grüße auch von meinem Freund Harald

Euer Alfred

In einer Jugendherberge am Stadtrand schlüpften sie in ordentliche Straßenkleidung und erkundeten ohne Gepäck die Großstadt. In der Nähe des Schlosses herrschte ein besonders geschäftiges Treiben. Sie erlebten die Ablösung der Wache am Königspalast. Eine militärische Einheit junger Männer mit traditionellen Pickelhauben kam anmarschiert, nahm Aufstellung und löste eine andere Einheit ab, die ihren Dienst beendet hatte. Laut krachend wurden die Gewehre präsentiert und die Ablösung erfolgte zackig im Stechschritt. Man hatte den Eindruck, dass diese Leute eine Menge von den Preußen gelernt hatten. Später unternahmen die beiden Deutschen eine Stadtrundfahrt per Pferdekutsche. Gegen Abend besuchten sie das Schloss Gripsholm, das der deutsche Schriftsteller Kurt Tucholsky in einer amüsanten Liebeskomödie von 1931 zum Hauptschauplatz gemacht hatte. Tucholsky hatte seit 1929 ständig in dieser Gegend gewohnt, weil er wegen seiner jüdischen Herkunft und seines Glaubens in Deutschland verfolgt wurde. Harald umschlich wieder dieses bange Gefühl, denn auch er wurde in seiner Heimat benachteiligt. „Wir kaufen uns einige englische und schwedische Zeitungen“, meinte Harald, als sie an einem Zeitungsstand vorbei kamen. Sie setzten sich auf eine nahe gelegene Bank und bekamen zu lesen, dass man die Weltpolitik hier, in dem neutralen Schweden völlig anders beurteilte, als in den deutschen Medien. Was sie hier erfuhren, war so erfrischend anders als gewohnt und nicht durch übertriebene, wie in Deutschland übliche, Hetze vergiftet. Hier konnte man es sich leisten die Wahrheit zu schreiben, in Deutschland war alles in den Dienst der Nazipropaganda gestellt worden. Anderslautende Meinungen wurden brutal unterdrück oder bekamen erst gar keine Plattform. Die Regierung um Hitler wurde durch einen schwedischen Abgeordneten als unfähig und gefährlich dargestellt, besonders heikel empfand er das Verbot demokratischer Parteien, die Verfolgung der Opposition und die massive Juden- und Christenverfolgung. So deutlich hat das in der Heimat niemand zu denken, geschweige auszusprechen gewagt. „Hättest du geahnt, dass die Leute hier die deutsche Politik so ganz anders sehen, als wir, in unserer Heimat“, lächelt Alfred seinen Freund an. Er war diesen Abstand aus seinen vorjährigen Aufenthalten mit seinen Eltern gewohnt. „Am Anfang siehst du dich noch verschämt um, wenn du die Zeitung liest, doch allmählich gewöhnst du dich an diesen Zustand, dass hier keiner von dir Notiz nimmt, was du auch tust oder liest“. Mit ihren Englischkenntnissen kamen sie ganz gut voran, doch es wäre schöner gewesen, wenn sie sich in der hiesigen Landessprache hätten verständigen können. Am nächsten Tage, sie unternahmen einen Besuch im Hafen, lief ein deutsches Segelschiff ein. Das wäre in normalen Zeiten nichts Besonderes, doch heute kamen viele Leute zum Empfang, es musste eine bekannte Persönlichkeit sein. Bei näherer Befragung erfuhren sie von der besonderen Bewandtnis. Ein reicher Kaufmann jüdischen Glaubens aus Lübeck hatte mit seiner gesamten Familie das Land verlassen, um die schwedische Regierung um Asyl zu ersuchen. Harald und Alfred sprachen mit dem Familienoberhaupt und erfuhren Dinge, die ihnen fast die Luft nahmen, so schlimm erschienen sie ihnen. Die Polizei hatte vor, das gesamte Vermögen zu beschlagnahmen und die komplette Familie in ein Lager zu schicken. Harald lief es kalt den Rücken herunter, denn auch er hatte wegen seiner Herkunft so viel Ungerechtigkeit erfahren müssen. Alfred hatte seine liebe Not die Bedenken Haralds zu zerstreuen: “Hier bist du sicher, hier passieren solche schrecklichen Dinge nicht“. Dabei wusste er, wie in Deutschland mit Andersdenkenden und Menschen jüdischen Glaubens umgesprungen wird. Doch jeder hatte die vage Hoffnung: im eigenen Falle würde es vielleicht nicht so schlimm ausfallen. Die Nazis konnten ja nicht alle Juden, Christen, Kommunisten und Andersdenkende vernichten, dazu waren es doch zu viele. Stockholm, eine Stadt bestehend aus Tausenden von Inseln, entschädigte die beiden Besucher dann doch noch für diese trüben Gedanken mit einer wunderschönen Natur, mit einem sehenswerten Hafen und liebenswerten, gastfreundlichen Menschen. Die Nähe zum Polarkreis spürte man hier noch deutlicher, indem die Sonne auch während tiefer Nacht nicht vollständig hinter dem Horizont verschwinden wollte. Milde Temperaturen und die aufgeschlossenen Atmosphäreverführten die Touristen zu langen Abenden im Hafenviertel. Mit diesen Eindrücken aus Stockholm beladen, gingen die Beiden die letzte Etappe bis Falun an. Die Natur wurde allmählich anders, als im geordneten Mitteleuropa, wo jeder Zentimeter landwirtschaftlich genutzt wurde. „Hier ist die Natur noch ursprünglich, bizarr und voller Überraschungen“, kommentierte Alfred seinem Nebenmann. Auf den letzten Kilometern kamen sie an einem herrlichen See vorbei: „Kommst du mit ins Wasser? Ich kenne hier eine schöne Badestelle“, rief Alfred und bog schon von der Straße ab. Nach einer kurzen Abkühlung, bei der sie nackt ins Wasser sprangen, waren sie schon wieder in den Sätteln. Sie hatten sich mit ihren Gastgebern zeitlich fest verabredet, man konnte ja später noch einmal Ausflüge hier her unternehmen. Etwa dreißig Minuten, nachdem sie die Stadt Borlänge hinter sich gelassen hatten, tauchten vor ihnen die alten Bergbauanlagen von Falun auf. „In Falun wurde ab dem elften Jahrhundert Kupfer abgebaut und als Abfallprodukt der Kupfergewinnung gewann man den schönen roten Farbstoff zur Färbung und Konservierung der Holzhäuser für ganz Skandinavien“, wusste Alfred zu berichten. „Der Winter ist hier lang und die Natur schläft dann unter einer dichten Schneedecke. Dann verlangt das menschliche Auge nach Farben in dem weißen Einerlei und so hat man sich damit geholfen, dass man den Häusern eine leuchtende Farbe gibt, meistens ein knalliges Rot oder ein sattes Grün“. Für Harald erhob sich die bange Frage: „Wie werden uns die fremden Leute aufnehmen und ob sie Anstoß an seiner Abstammung nehmen“? Alfred beruhigte seinen Freund: „Die Lindgreens sind die besten Gastgeber, die ich kenne und ich glaube nicht, dass sie sich für deine Herkunft interessieren“. Sie radelten durch die mittelgroße Stadt mit etwa fünfzigtausend Einwohnern hindurch, vorbei an dem riesigen Loch des eingestürzten Bergwerkes und hielten sich nach Nordosten. Hier berührte die Stadtgrenze von Falun das beliebteste Ausflugs- und Erholungsziel der Schweden, die Dalarna.

Ferien auf dem Land

Die Lindgreens hatten sich komplett vor dem Haus versammelt und erwarteten die Gäste mit großem Hallo und den Worten, „Herzlich willkommen, fühlt euch bei uns wie zu Hause“ und das war ehrlich gemeint. Das Empfangskomitee Lars und Annegret Lindgreen, Großvater Björn und die Söhne Thoralf und Söhren warteten vor der Haustür auf die beiden Deutschen. Lars und Annegret waren schon viele Jahre mit Alfreds Eltern befreundet und schon mehrmals mit großem Interesse in Berlin zu Gast gewesen. Dagegen liebte Alfreds Vater Schwedens unendliche Weiten. Als leidenschaftlicher Jäger faszinierte ihn die unberührte Natur und nahezu ein Dutzend Trophäen in Nagels guter Stube zeugten von seinem Jagdglück. Falun, am Rande der für die Schweden beliebten Region Dalarna gelegen, Ausgangspunkt vieler interessanter Ausflüge in Natur und Kultur des Landes, hatte für Touristen eine äußert günstige geografische Lage. Durch die Kupfergewinnung und Verhüttung musste das Schienen- und Straßennetz zur Stadt ordentlich ausgebaut sein, um die anfallenden Massen transportieren zu können. Allgegenwärtig war hier das riesige Loch der Grube. Das Anwesen der Lindgreens lag in der Nähe des Sees Runn, der in seiner längsten Ausdehnung etwa fünfzehn Kilometer maß, viele kleine Buchten und Inseln hatte und nahezu bis zur nächsten Kreisstadt Borlänge reichte. Die beiden Deutschen hatten schon bei ihrer Anreise einen kleinen Eindruck von der Schönheit dieses Fleckens Erde erhalten. Großvater Björn war neugierig: „Ich will mal sehen, wie die beiden Deutschen aussehen, was sie zu berichten haben und wie sie die neusten technischen und politischen Entwicklungen in Europa beurteilten“. Der Großvater wusste aus Erzählungen der Lindgreens, dass die beiden jungen Männer recht intelligente Kerle seien und kürzlich ihr Abi mit Bravur geschafft hätten. Der Familienbesitz der Lindgreens bestand aus einem großen Bauernhof mit einer ansehnlichen Anzahl von Tieren und einem respektablen Stück Land. Die beiden Gäste hatten sich vorgenommen in der Landwirtschaft mitzuhelfen und dadurch die Gastfreundschaft mit eigener Muskelkraft zu vergelten.Zur Begrüßung mussten die Beiden einen kräftigen Aquavit auf Ex austrinken. Man erhob hier das Glas, alle sagten das magische Wort „Skol“ wie bei uns das „Prost“ und der eisgekühlte Inhalt wurde in einem Zug ausgetrunken. Harald und Alfred schüttelten sich wegen des hohen Alkoholgehaltes des Getränkes und alle müssten über die verdutzten Gesichter der Neulinge lachen. „Nun geht es wieder an die Arbeit“, mahnte Lars Lindgreen, „die Bauern hier im Norden müssen jede Minute des Sommers nutzen. Da muß die Feldarbeit und die Einbringung der Ernte konzentriert erledigt werden“. Wenig später zeigte eine Magd den beiden Deutschen ihre Unterkunft. Ihr Zimmer war gemütlich im Bauernstil eingerichtet. Die Betten hatten ein Gagenetz als Himmel, der die Mücken im Sommer abhalten sollte. Die Bettstellen waren lustig mit kleinen Röschen und bunten Blättern bemalt. Sicher war das in den langen Wintermonaten die einzige vorzeigbare Natur. Sie sortierten ihre mitgebrachten Sachen in die Schränke ein, erfrischten sich am nahe gelegenen Brunnen und erwarteten die gemeinsame Abendmahlzeit.Vater Lars Lindgreen kam später hinzu, er hatte als Familienoberhaupt das tägliche Tischgebet zu sprechen. Erst wenn das Gebet gesprochen war, hatte die Tischgesellschaft das Recht mit dem Essen zu beginnen, so war es hier Brauch: „Komm Herr Jesus, segne unsere Mahlzeit und schenke uns und unseren Gästen Zufriedenheit“. Alfred und Harald kannten das aus ihren Familien nicht, aber die hiesige Zeremonie gefiel ihnen. Nun mussten sie berichten, wie die Reise verlaufen war und was es im fernen Deutschland Neues gab. Großvater Björn kannte sich in Geschichte aus und frotzelte, dass ja dieses Deutschland beinahe eine schwedische Kolonie geworden wäre. Er spielte auf die Expansionspläne des Königs Gustav Adolf von Schweden im Mittelalter an. Alfred brachte Haralds Benachteiligung anlässlich der Abschlussfeier ins Gespräch und Lars Lindgreen entgegnete, dass dieser Antisemitismus ja eine richtige Modekrankheit in ganz Europa sei. Er beruhigte Harald, dass die Lindgreens gute Christenmenschen seien und somit Nächstenliebe und Toleranz Andersdenkenden gegenüber oberste Gebote seien. „Mach´ dir keine Gedanken, hier bist du vor solchen Dingen sicher“. Mit diesen Worten verabschiedete er sich, um zu Bett zu gehen. Und zu den beiden Ankömmlingen, die ihre Hilfe angeboten hatten: „Geht auch zeitig schlafen, damit wir am nächsten Tag sehr früh mit der Arbeit beginnen können“. Er wusch sich am Brunnen mit glasklarem und kaltem Wasser und verschwand in seinem Schlafgemach. So wie er, taten es auch die beiden halb erwachsenen Söhne Thoralf und Söhren, die wie der Vater, richtige Naturburschen waren. Auch Großvater Björn verließ das Haus für heute und lud die beiden Neulinge schmunzelnd ein: „Besucht mich in den nächsten Tagen, aber vergesst es nicht“. Als letztes ging Annegret zu Bett, nachdem sie zusammen mit der Magd den Haushalt in Ordnung gebracht hatte. Die Sonne ging ja nicht vollständig unter, sie wanderte des Nachts etwas zaghaft am Horizont entlang, um in den Morgenstunden wieder in voller Pracht und Schönheit den Tag zu beleuchten. Am nächsten Tag in aller Frühe krähte ein Hahn so kräftig, als wollte er als lebender Wecker seinen Dienst mit aller Würde versehen, die ihm zu Gebote stand. Es war unmöglich bei solch einem Lärm weiter zu schlafen. Kurze Zeit später stellten sich die Lindgreens am Brunnen an, um sich am kalten Wasser den Schlaf aus den Augen zu waschen. Alfred und Harald beeilten sich, um nicht als Außenseiter da zustehen. Alfred nahm einen Eimer und schüttelte den Inhalt lachend über Haralds Rücken: „Jetzt sind wir auch solche Naturburschen, wie die anderen, also nicht zimperlich sein“. Annegret hatte inzwischen die Brote und einen warmen Malzkaffee auf den Tisch gebracht. Nach einem kräftigen Frühstück gingen alle an das Tagewerk. Der Gastgeber nahm die beiden neuen Helfer mit und ging zu den Kühen. Sie mussten als erstes mit Nahrung und Wasser versorgt und ausgemistet werden. Vater Lars begrüßte jede Kuh persönlich mit Namen und hatte an jeder Box ein gutes Wort parat. Anfangs rümpften die beiden Stadtkinder die Nase über die angeblich gesunden ländlichen Gerüche, aber sie gewöhnten sich schnell an die Duftnoten der Tiere. Die Kühe mussten anders behandelt werden, als die Schweine. Die Schafe wurden auf karge Weiden getrieben, die keinen anderen Tieren Nahrung geben würden, doch den Schafen genügte es immer noch.Da die Helfer nun in ihre Aufgaben eingewiesen waren, konnte sich der Hausherr anderen Arbeiten zuwenden und überließ den jungen Männern die Erledigung. Gegen Mittag traf man sich wieder im Hause und den Neulingen schmerzten schon Schultern und Rücken von der ungewohnten Arbeit. Alfred fragte Harald ganz verstohlen, „Was sagen deine Knochen zu der Schinderei?“ Doch Harald fand das ganz normal, zumal sie diese Muskeln in der Vergangenheit nicht belastet hatten. „Alfred, das legt sich wieder, spätestens in drei bis vier Tagen macht dir das alles nichts mehr aus und du wirst über deine anfänglichen Schmerzen nur noch lachen“. „Ich hoffe du hast mit deiner Prognose Recht“, witzelte Alfred mit einem ungläubigen Lächeln. Nachdem sie die erste Woche hinter sich hatten, machte ihnen die Arbeit tatsächlich nichts mehr aus und ihr Hunger hatte sich der Allgemeinheit der männlichen Mithelfer angepasst. Mutter Annegret freute sich, wenn es ihren Männern so richtig schmeckte und das gute Brot, der reichhaltige Fisch und das Fleisch gaben die nötigen Kalorien ab, die solch ein Bauer brauchte, um die schwere Arbeit hier auf dem Lande zu schaffen. Auch Vater Lars lobte die Beiden, die wider Erwarten von Anfang an vollwertige Arbeit leisteten und der Familie eine große Unterstützung waren. Außerdem lernten die beiden Deutschen abends intensiv schwedisch und konnten sich nach einigen Tagen ganz gut in der fremden Sprache verständigen. Die gesamte Familie war ihnen nach Kräften behilflich, weil sie sahen, dass die jungen Leute intelligent und willig waren. „Ihr wolltet doch Großvater Björn besuchen“, ermahnte Mutter Annegret, "nehmt euch die Fahrräder, die im Gerätehaus stehen“. Am Wochenende nahmen sie die Räder aus dem Stall und radelten zu Großvater Björn. Der Alte bemerkte sie schon von weitem und lief ihnen freudig entgegen: „Ihr seid ja tatsächlich gekommen“, rief er noch ganz außer Atem, als er sie erreicht hatte. Der alte Herr hatte ein schönes rotes Holzhaus, nahe am See, und ein kleines Segelboot mit einer eigenen Anlegestelle. In den Sommermonaten liebte er es, auf den See hinaus zu fahren, zu fischen oder sich einfach von der Sonne braun brennen zu lassen. Er lebte allein, denn seine Frau war bei der Geburt von Annegret, seiner jüngsten Tochter an einem tückischen Fiber gestorben. Der diplomierte Lehrer lebte nun von seiner erworbenen Staatspension, die ihm einen bescheidenen Wohlstand sicherte. Wenn außergewöhnliche Anschaffungen anstanden, halfen schon mal Lars und Annegret Lindgreen, und seine anderen Kinder, aus. Seine große Leidenschaft, die Sagen und Märchenwelt Skandinaviens hatte etwas Mystisches an sich. Er konnte stundenlang mit großer Hingabe erzählen und mit gekonnter Mimik und Gestik seine Zuhörer begeistern. Thoralf und Söhren kannten und liebten seine Geschichten, besonders, wenn es draußen stürmte oder schneite, lieferten seine Erzählungen den richtigen Hintergrund. Die beiden Deutschen, des Schwedischen noch nicht mächtig, mussten immer wieder in englischer Sprache unbekannte Wörter und Redewendungen erfragen. Es war am Anfang ein mühsames Herantasten, doch sie kamen gut voran. Großvater Björn hatte versprochen, mit dem Boot auf den See hinaus zu fahren. Bei diesen ausgezeichneten Wetteraussichten, gab der alte Seebär volle Segel und das elegante Boot glitt schon bei einem lauen Lüftchen mit einer beachtlichen Geschwindigkeit über das Wasser. Hier, in der Mitte des Sees, hatte der braun gebrannte alte Herr eine kleine Insel, die er immer aufsuchte, um sich zu sonnen oder mit seinem leistungsstarken Teleskopfernrohr die Natur zu beobachten. Hier war er ungestört und hier konnte er, wenn er wollte, seine Kleidung vollständig ablegen, ohne dass ihn jemand in seiner Blöße störte. Björn hatte einen kleinen Picknickkorb mitgebracht und Mutter Annegret hatte den beiden Gästen für das Mittagsmahl Speisen und Getränke mitgegeben. Aus einer Tasche holte der Alte ein Buch hervor, seine bevorzugte Lieblingslektüre, die Edda, eine für die beiden Deutschen bis dato unbekannte Sammlung nordischer Sagen und Märchen, die auch die Nibelungen beinhaltete. „Das ist mir aber neu, ich habe bisher angenommen, die Nibelungen seien eine rein Deutsche Angelegenheit, mit dem Held Siegfried, mit dem Schwert Balmung, dem Drachentöter und Hagen, der Siegfried nach einem Wettlauf erstochen hatte, mit dem König Gunter und dem Hunnenkönig Ätzel“, scherzte Harald. Großvater Björn belehrte sie eines Besseren, die Nibelungen seien aus dem Norden gekommen und hatten sich bei Xanten am Rhein niedergelassen. Ein Norweger hatte im letzten Jahrhundert in mehreren Ländern nachgeforscht und die Heldensagen in der Edda aufgeschrieben. „Die Grundelemente der Drachentötung und die Wanderung der Nibelungen nach Süden kommen in den mündlichen Überlieferungen des irischen, schottischen und skandinavischen Sagenschatzes in geringen Abwandlungen vor“. Alfred erinnerte sich, dass sich der Begriff Nibelungen im Sprachgebrauch mehrmals geändert haben musste, im Urtext übersetzt hieß es da wohl „ Nieflungen, die aus dem Nebel kamen, oder die Söhne des Nieflung“, so genau war das inzwischen nicht mehr zu deuten. Am Nachmittag frischte der Wind auf und Wolken zogen heran. Harald bemerkte als erster, dass ihr Segelboot nicht mehr zu sehen war. Sie rannten zum Ufer, und richtig, das Boot schwamm schon mehr als einhundert Meter vom Ufer entfernt führerlos auf dem See. Der Großvater schaute die beiden jungen Männer erschrocken an, als wollte er sagen: „Was haben wir da wieder falsch gemacht“? Alfred und Harald stürzten sich, so wie sie augenblicklich waren, ins Wasser und schwammen dem Schifflein hinterher. Alfred erreichte als erster den Ausreißer und hielt die Leine fest. „Steig auf“, rief er Harald zu. Harald schwang sich an Deck und half Alfred, hinauf zu kommen. „Kannst du segeln“ fragte ihn besorgt Harald. „Warte, das kriegen wir schon hin“, meinte Alfred, wir werden erst einmal die Segel einholen, das hätte Großvater Björn schon bei der Landung machen müssen. Wir werden sonst vom Wind abgetrieben. In der Hitze der Unterhaltung hatte der Großvater, allen Sicherheitsvorschriften zum Trotz, die Segel gespannt gelassen und das Schiffstau nur notdürftig an einem Baum festgebunden. Mit den Paddeln, die sie im Schiffsrumpf fanden, arbeiteten sich die beiden mit viel Mühe gegen den Wind zum Anlegeplatz zurück. „Da bin ich aber froh, dass ich euch beiden mit dabei habe, sonst hätte ich heute größere Probleme bekommen“, rief der Großvater erleichtert aus. „Ich werde euch beiden noch das Segeln beibringen“, damit steuerte er das Boot gekonnt zurück zu seinem Bootshaus. Da der Tag ohnehin zur Neige ging, zündete er zu Hause im Kamin ein Feuer an und sie unterhielten sich bis spät in die Nacht hinein. Man merkte dem alten Lehrer an, dass er in seinem Leben viel gelesen haben musste und in seinem Berufe getreu, hatte er immer das Bedürfnis, Anderen sein Wissen weiter zu geben. Wie dieses Wochenende, sollten noch mehrere folgen und Großvater freute sich immer, wenn er aufmerksame Zuhörer hatte.Am Wochenende vor dem 24. Juni feierte ganz Schweden den Mittsommer. Es war seit alters her ein Fest des Lichtes und der Lebensfreude und auch die Lindgreens hatten sich auf diesen Höhepunkt des Jahres gefreut. Das Fest, eigentlich heidnischen Ursprungs, hatte sich auch die katholische Kirche zu Eigen gemacht und feierte mit einem festlichen Gottesdienst und einer heiligen Prozession. Am Anfang des Zuges ging der Geistliche der Faluner Kirche mit einem hölzernen Kreuz vor dem Festzug her, der an der Festwiese am Maibaum endete. Blumengeschmückte Mädchen schwenkten Papierfähnchen mit den schwedischen Farben, die jungen Männer zogen geschmückte Wagen hinter sich her. Auf der Festwiese spielten Musikanten alte schwedische Waisen und neben dem Maibaum hatte man aus Brettern eine große Tanzfläche aufgebaut, auf welcher junge Männer und Frauen in traditionellen Trachten zu tanzen begannen. Auch Alfred und Harald durften bei diesem Ereignis nicht fehlen. Vater Lars hatte ihnen bei der Auswahl der Kleidung aus seinen Beständen geholfen und so konnte man die beiden Deutschen von den schwedischen jungen Männern kaum unterscheiden. Mutter Annegret hatte sich einen Kranz aus frischen Blumen und Kräutern geflochten und mit Klemmen auf dem Kopf befestigt. Zum allgemeinen Verzehr hatte sie einem eigens für dieses Fest Fleisch, Gemüse, frische Kartoffeln, Obst, Erdbeeren und Schlagsahne mitgebracht und für die Allgemeinheit auf dem Tisch verteilt. Andere Familien hatten wieder andere Leckereien beigesteuert, so dass eine bunte Mischung zur allgemeinen Verköstigung bereit stand. Mutter Annegret ermunterte die beiden Deutschen: „Feiert mit und geht tanzen, es gibt genügend hübsche junge Mädchen, die nur darauf warten, dass ein junger Mann sie auffordert“. Unweit vom Maibaum wurde ein Wettlauf veranstaltet. Alfred und Harald erkundigten sich, welche Bedingungen anstanden und entschlossen sich mit zu machen. Die Strecke ging über Stock und Stein, zum Teil durch den Wald und zum Teil auf Feldwegen über sieben Kilometer. Es meldete sich ein bunter Haufen an Teilnehmern. Jeder wollte natürlich den Hauptpreis gewinnen: einen lebenden Fasan. Den Preis hatte die Stadtverwaltung von Falun gestiftet. Der Bürgermeister gab auch das Startzeichen mit einer Holzklatsche. Energisch knallten zwei Holzbretter aufeinander, so dass ein scharfer Knall entstand, was so viel hieß wie: „Jetzt könnt ihr los laufen“. Die Gruppe Läufer setzte sich in Bewegung und drängelte sich auf den schmalen Weg voran. Es gab ein Gerangel und Geknuffe, denn jeder wollte den Anderen ausstechen oder außer Gefecht setzen. Bei etwa drei Kilometern hatte sich schon eine achtköpfige Spitzengruppe abgesetzt zu der auch Alfred und Harald gehörten. Von den Zuschauern angefeuert, liefen die Athleten so gut sie konnten. Wer nicht mehr laufen konnte, versuchte die Anderen daran zu hindern, indem er seine Konkurrenten festhielt oder zu Fall brachte. Alfred hatte mit solch einen unliebsamen Mitkämpfer zu ringen. Der hielt Alfred an der Hose fest und wollte nicht mehr los lassen. Harald bemerkte den Störenfried und schlug dem Gegner seines Freundes mit einem Stock auf die Finger, so dass dieser vor Schmerz aufschrie und von Alfred abließ. Die Gelegenheit nutzte ein junger Schwede, überholte freudig die kämpfenden Drei und gewann schließlich das Rennen. Alle lachten bei dem Gedanken, Alfred hätte ohne Hose weiter laufen sollen. So hatten alle ihren Spaß. Am Abend gab es einen schönen Fackelzug der Kinder. Die Erwachsenen tanzten nach den modernsten Schlagern oder ließen sich das Bier schmecken. Mutter Annegret wandte sich an Alfred und Harald mit der Bitte ihr zu helfen. Vater Lars, zu viel Alkohol getrunken, hatte Schwierigkeiten den Heimweg zu finden. Die Beiden nahmen den betrunkenen Mann in die Mitte und gemeinsam ging es nach Hause. So verlebten alle in diesem Jahr eine schöne Zeit und als der Sommer zur Neige gehen wollte, fragte sie Vater Lars über ihre Pläne aus: „Ich bin euch für die erwiesene Hilfe sehr dankbar und freue mich über eure Anwesenheit, doch langsam wird es Zeit an die kalte Jahreszeit zu denken. Wie soll es weiter gehen“? „Ich will in diesem Jahr noch pausieren“, meinte Alfred nachdenklich, „und im nächsten ein Studium beginnen. Ich habe es nicht eilig, weil meine Eltern mir auch so ein angenehmes Leben sichern können“. Nur Harald dachte mit Bangen an die Rückkehr, denn sie hörten aus der Ferne in der Frage der zunehmenden Judenverfolgung nichts Gutes. Am 29. August kam dann ein langer Brief von Haralds Mutter. Mutter Annegret übergab ihn nach dem Abendessen.

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