Er stand auf, entnahm seinem Schreibtisch ein kleines, flaches Päckchen und übergab es dem Freund mit den Worten: „Ich lass dich von Katharina anmelden. Lena wird bestimmt zu Hause sein. Ich komme erst morgen zurück."
Dann stand David mit dem Päckchen auf der Straße und fragte sich, wie es wohl weitergehen würde. Wie sollte er sich an diesem Abend Lena gegenüber verhalten? Er wusste es nicht, er konnte nicht einmal sagen, ob er sie noch begehrte. Verdammt, sie hatte sich mit diesem Schurken eingelassen, sie hatte ihren schimmernden, geilen Schoß seiner Zunge und seinem Penis dargeboten, sie hatte sich frei von Scham und Skrupel dabei filmen lassen, obwohl ihr klar gewesen sein musste, wie viele Menschen sich daran ergötzen würden. War sie eine Exhibitionistin?
Wie dem auch sei er würde es herausfinden, noch an diesem Abend, das stand fest.
Der Gedanke, mit Lena allein zu sein und sie fragen zu können, was sie bewogen hatte, die Rolle einer billigen Hure zu übernehmen, erschreckte und faszinierte ihn. Er sah in Gedanken wieder die erregende Großaufnahme ihrer Scham vor sich. Seine Erektion wiederholte sich. Verdammt, er musste es schaffen, mit Lena zu schlafen. Drei Jahre lang hatte er nur von ihr geträumt. Jetzt bot sich ihm die Chance, diese Wunschträume zu realisieren. Aber wollte er das überhaupt noch?
Sein Begehren hatte einer damenhaften, schönen Lena gegolten, einer anbetungswürdigen Frau. Huren interessierten ihn nicht.
All diese Überlegungen waren jedoch für einen Augenblick vergessen, als er schließlich Lena gegenüberstand. Ihre silberblonde, strahlende Schönheit verwirrte und überwältigte ihn. Ihre großen, graugrünen Augen lächelten ihn an, und ihr weicher, berückend geschwungener Mund lud wie eh und je dazu ein, an Küsse und Zärtlichkeiten zu denken.
„Ich freue mich, dass du gekommen bist", sagte sie und gab ihm eine schmale, weiche Hand - die gleiche Hand, die den ungeheuer großen, harten Penis im Film gestreichelt und zur Ejakulation gebracht hatte!
„Hallo, Lena", murmelte er. „Da, das ist das Päckchen, das ich dir mitbringen soll..."
„Danke, David."
Sie gingen ins Wohnzimmer.
Lena schritt in einem blassgrünen Chiffonkleid mit wehenden Schalspitzen voran. Sie machte den Eindruck als führte sie ein Modellkleid spazieren und beeindruckt ihn durch die selbstsichere Haltung des geschulten Mannequins. Ihre langen, schlanken Beine waren Klasse, und die aufregende Kurve ihres Gesäßes verfehlte auch jetzt nicht auf ihn ihre Wirkung.
„Da ist ein Film drin", meinte Lena, als sie das Päckchen auf einem Lampentisch ablegte und sich lächelnd dem Besucher zuwandte. „Du siehst irgendwie verändert aus. Ich weiß nicht, woran das liegt. Ernster, Entschlossener. Hast du Ärger gehabt? "
„Ein Film?", murmelte er.
„Bitte? Ach so, das Päckchen. Ja, ein kleiner Spielfilm. Das ist ein Hobby von mir, weißt du. Ich habe eine ganze Sammlung davon."
„Kann man die mal ansehen?"
„Gern, warum nicht? Es ist alles darunter, was Spaß macht. Besonders mag ich die amerikanischen Krimiserien, wie Criminal Minds, CSI New York und..."
„Auch Sex?", fragte er und setzte sich, nachdem Lena auf der Couch Platz genommen hatte, ihr gegenüber in einen bequemen Sessel.
Lena lachte. Sie legte ein Bein über das andere, sodass David Gelegenheit fand, die untadelige Linie ihrer schönen Waden zu bewundern. An Lena stimmte einfach alles. Die Fesseln, die Knie, der Schwung der Hüften, die Brüste...
Die Brüste? Nein, nicht ganz. Sie sprengten die Proportionen, da sie entschieden zu groß ausgefallen waren. Andererseits präsentierten sie sich dem Betrachter fest jung und hoch, sodass kein Grund bestand sie zu kritisieren.
Ja, Lena war eine Schönheit. Ganze vierundzwanzig Jahre alt und seit fünf Jahren mit Jonas verheiratet. Die Ehe war kinderlos geblieben, aber weder Lena noch Jonas schienen darunter zu leiden.
„Sex?" Lena lachte. „Seit wann interessierst du dich denn dafür?"
„Na, hör mal", sagte er. „Jeder Mann interessiert sich für Sex."
„Das wird behauptet, aber bei dir glaubte ich bislang, dass du ihn ablehnst. Es geschieht zum ersten Mal, dass du ihn in meiner Gegenwart erwähnst."
Lenas Stimme klang spöttisch-liebenswürdig, als könnte sie ihn nicht ganz ernst nehmen. David dachte an den Film, den er gesehen hatte und fühlte, wie ein kalter Zorn in ihm aufstieg. Das war es. Lena hatte ihn niemals ernst genommen. Was, zum Teufel, stellte er eigentlich in ihren Augen dar? Einen liebenswürdigen Schlappschwanz?
Zugegeben, mit dem Riesenpenis dieses verdammten Filmmimen konnte er sich nicht messen, aber er hatte bis jetzt noch immer seinen Mann gestanden, wenn es darauf ankam, eine Frau voll zu befriedigen.
Lena konnte das nicht wissen. Ihr gegenüber hatte er sich stets zurückgehaltend-freundlich gegeben; sie hatte ihn nur als Gentleman kennengelernt, der sich streng an den Sittenkodex hielt, der der Frau eines Freundes zustand.
Das war jetzt vorbei. Endgültig. Er war entschlossen, Lena noch an diesem Abend klarzumachen, wozu er fähig war.
„Ich wüsste gern, wie du über den Sex denkst", sagte er scheinheilig.
Lena lachte. Wenn sie den Kopf in den Nacken warf und den Mund öffnete, um ihre makellos weißen Zähne zu entblößen, wirkte sie jung, charmant und mädchenhaft.
„Sex!", rief sie. „Das ist doch albern. Das viele Gerede um ihn, meine ich. Ich fürchte, man hat ihn klischiert. Es ist, als sei er auf dem besten Wege, ein Markenartikel zu werden, aber er wird auf diese Weise ein Opfer seiner selbst, er hört auf, uns zu reizen, weil er kein Tabudenken mehr kennt."
Ich werde sie nehmen, ohne ihr etwas von dem Film zu erzählen, schoss es David durch den Kopf. Es wäre billig, wenn ich versuchte, sie damit zu erpressen. Nein, ich muss herausfinden, wie sie auf mich als Verführer reagiert, ob sie mich ernst nimmt oder nicht…
„Was trinken wir?", fragte sie ihn lächelnd.
„Hast du einen Rotwein“, erwiderte er.
„Du weißt ja, dass ich mir aus Alkohol nichts mache", meinte Lena und trat an den Getränkeschrank, „aber zur Gesellschaft trinke ich ein Glas mit."
„Prächtig", sagte er und sah zu, wie sie die Gläser füllte. Er zog sie dabei mit den Blicken aus. Seitdem er den Film gesehen hatte, war alles viel leichter geworden. Er wusste jetzt, welche Farbe, Länge und Frisur ihre Schamhaare hatten. Es war im Film ein schmaler Streifen gewesen, die Lippen ihrer Vagina waren komplett blank rasiert.
Sie brachte ihm das Glas und setzte sich ihm gegenüber wieder auf die Couch. Sie prosteten sich zu, lächelnd. David war entspannt. Er hatte Zeit, viel Zeit. Und er hatte ein paar Trümpfe im Ärmel stecken, von denen Lena nichts ahnte. Das gab ihm ein Gefühl der Überlegenheit, das er auskostete.
Natürlich würde er irgendwann in dieser Nacht mit Lena über den Film sprechen müssen. Er musste herausbekommen, was sie veranlasst hatte, sich vor einer Kamera zu produzieren.
„Sag was", bat sie ihn. „Oder hat es dir die Sprache verschlagen?"
Er grinste. „Das kann dir nichts Neues sein. Immer, wenn ich dich sehe, fange ich an zu staunen. Du gehörst zu den Menschen, die zum staunenden Betrachten einladen."
„Danke", sagte sie. „Es war doch ein Kompliment, nehme ich an?", fügte sie lächelnd hinzu. „Bestaunen kann man schließlich auch ein Kamel oder ein Rhinozeros."
„Das Staunen, von dem ich spreche, liegt vorwiegend im ästhetischen Bereich", meinte er. „Und natürlich - nicht zu vergessen - auch im erotischen."
Lena lachte und musterte ihn über den Rand ihres Weinglases hinweg. David entdeckte in ihren schönen, langbewimperten Augen ein erregendes Glitzern.
„Was macht deine Freundin?", fragte sie ihn plötzlich. „Du weißt schon, du hattest sie auf unserer letzten Party dabei.
Читать дальше