»Oh mein Gott, das ist ja grauenvoll«, jammerte sie.
»Herzliches Beileid Frau Haingruber«, sagte Kronfeld mitfühlend, »ja es ist schrecklich, was da passiert ist. Leider muss ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen. Hatte Ihr Mann Feinde, kennen Sie jemanden, dem Sie so eine Tat zutrauen würden?«
»Nein, nein«, kam es schnell zurück, »ich wüsste nicht, wer ihm so etwas antun könnte.«
»Warum hielt er sich mitten in der Nacht auf seinem Schiff auf und was wollte er in dieser einsamen Bucht? War er vielleicht doch nicht allein dort? Und warum wurde letzte Nacht bei Ihnen eingebrochen? Konnten Sie feststellen, was gestohlen wurde?«
»Natürlich war er allein dort. Das habe ich Ihnen doch schon erklärt«, sagte Frau Haingruber einen Ton zu schnippisch, »Sie wissen ja nicht, wie anstrengend und stressig es ist, so ein Unternehmen zu führen. Ich weiß nicht, wer ihm das angetan hat und ich weiß auch nicht, was gestohlen wurde. Den Safe hielt mein Mann immer verschlossen, ich kannte ja nicht einmal die Kombination. Ich weiß nur, dass er gewöhnlich einige Geschäftspapiere und etwas Bargeld darin aufbewahrte.«
Der angesehene Unternehmer und seine Ehefrau zählten, laut Yellow-Press, zu den erfolgreichsten Geschäftsleuten im Land. Ihr Vermögen wurde im zweistelligen Millionenbereich geschätzt. Sie waren gesellschaftlich voll etabliert und verkehrten, wie man hörte, in den besten Kreisen. Wie man ebenfalls in der Regenbogenpresse nachlesen konnte, war der 60-jährige Geschäftsmann leidenschaftlicher Segler. Ein Hobby, das er mit seinen Freunden aus dem Jachtclub teilte, wo er angeblich viel Zeit verbrachte.
Ob er allerdings nur allein segelte oder die Jacht vielleicht für amouröse Abenteuer nutzte, hatte noch kein Klatschreporter herausgefunden.
Die sollten vielleicht mal die Franzi von der ›Seerose‹ fragen.
»Diese Frage muss ich Ihnen jetzt stellen«, setzte Kronfeld seine Befragung fort, »wo waren Sie in der Nacht, als sich die Explosion ereignete?«
Frau Haingruber stand auf, ging zum Schreibtisch, nahm eine Zigarette aus dem ledernen Etui und zündete sie genussvoll an, ehe sie mit fester Stimme antwortete: »Ich ging am Samstagabend mit einer Freundin ins Theater, mein Mann machte sich nichts aus Theaterbesuchen, er war wie die meisten Männer ein Kunstbanause.« Sie sah Kronfeld geringschätzig von der Seite an, »ich traf mich mit meiner Freundin so gegen sieben Uhr vor dem Festspielhaus. Das Stück dauerte bis elf Uhr, anschließend besuchten wir ein stadtbekanntes Weinlokal, was der Inhaber sicher bezeugen kann. Wir sind dort Stammgäste. Von dort bin ich so gegen drei Uhr mit einem Taxi nach Hause gefahren.«
›Mein Gott, die rasselt das ja herunter, wie einstudiert‹, dachte Kronfeld skeptisch. Dass sie an diesem Abend ziemlich beschwipst und bester Laune war, erzählte sie dem Kommissar nicht. Aber der Wirt des Lokals konnte sich später noch sehr gut daran erinnern. Er erinnerte sich auch daran, dass er ihr schließlich zur Sperrstunde telefonisch das Taxi bestellt hatte.
»Noch eine Frage, die Sie mir bitte wahrheitsgemäß beantworten möchten: Führten Sie eine gute Ehe oder gab es private Probleme? Ging Ihr Mann fremd?« Ihre herablassende Art provozierte Kronfeld dazu, so indiskret zu werden.
»Was erlauben Sie sich«, rief sie empört, »Sie wissen wohl nicht, mit wem Sie es zu tun haben. Unsere Ehe war glücklich, das ist ja wohl stadtbekannt. Das steht doch in jedem Boulevardblatt.«
Korbinian Kronfeld verkniff sich ein Grinsen. Er kannte solche Berichte der Boulevardblätter. Was dort geschrieben stand, war meistens von den Prominenten selbst diktiert und total geschönt. Oder von windigen Journalisten frei erfunden, falls die Promis von sich aus nichts Aufregendes erzählten. Solang die darin beschriebenen Personen gut weg kamen, dementierten sie die Storys natürlich nicht. Aber wehe, die Schlagzeilen waren negativ, dann drohten Verleumdungsklagen. Die Berichte über die Haingrubers fielen aber mit Sicherheit immer positiv aus, schließlich zahlte die Firma viel Geld für Werbeanzeigen in diesen Blättern. Kronfeld verzichtete auf einen Kommentar zu diesem Thema und verabschiedete sich schleunigst.
Als er auf dem Rückweg die Eingangshalle durchquerte, lächelte ihn Eva Konrad vom Empfang an. Kronfeld ging zu ihr, setzte seinerseits ein charmantes Lächeln auf und sagte: »Eine aufmerksame Mitarbeiterin wie Sie weiß doch über alles in der Firma Bescheid. Sie wissen sicherlich auch, wie es um die Ehe der Haingrubers bestellt war. Gab es da vielleicht manchmal Reibereien?«
Die 29-Jährige blickte sich verstohlen um und flüsterte, zum Kommissar gebeugt: »Ich könnte Ihnen schon was erzählen, aber nicht hier. Die Wände haben Ohren, verstehen Sie. Wir könnten uns nach Feierabend in dem kleinen italienischen Eis-Cafe am Stadtplatz treffen.«
»Wann?«
»Um halb sieben bin ich da.«
»Okay, ich auch«, lächelte der Kommissar, winkte und ging. Auf dem Weg zum Auto schaute er auf seine Armbanduhr. ›Da hab ich gerade noch Zeit, meinen ersten Bericht zu schreiben‹, dachte er und machte sich auf den Weg in sein Büro.
»Was ist denn eigentlich passiert«, fragte Eva Konrad neugierig, nachdem die beiden sich begrüßt und Kronfeld Platz genommen hatte, »es wird ja einiges getuschelt in der Firma, aber Genaues weiß keiner.«
Das Eis-Cafe war dank des schönen Wetters gut besucht. Es befand sich mitten in der neuen Fußgängerzone, auf dem alten Stadtplatz. Korbinian Kronfeld hatte Eva schon von weitem an einem der runden Tische sitzen sehen, als er um zehn nach halb sieben eintraf. Sie trug eine enge, türkisfarbene Caprihose, darüber eine weiße, fast durchsichtige, weite Bluse und einen großen Strohhut mit bunten Schleifen. Eva hatte einen riesigen Eisbecher vor sich stehen.
Kronfeld erzählte ihr was vorgefallen war, auch dass der Firmenchef tot ist.
»Oh, mein Gott«, entfuhr es ihr und sie riss die Augen auf, »das ist ja entsetzlich!«
»Das ist es, in der Tat.«
Die Bedienung kam und der Kommissar bestellte einen Eiskaffee. »Erzählen Sie mir doch bitte, was in der Firma so getuschelt wird.«
»Ich glaube, der Chef hat oft mit seiner Frau gestritten. Um was es genau ging, weiß ich nicht. Frau Haingruber war ja selten da, aber wenn sie ins Büro kam, war das Klima eisig. Außerdem erzählt man, dass der Chef wohl gern den jungen Frauen nachgeschaut hat, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Ich dachte eigentlich, Herr Haingruber führte den Laden allein und seine Frau kümmert sich vorzugsweise um Haus und Garten«, entgegnete Kronfeld, »aber sie machte heute den Eindruck, als würde sie sich im Büro sehr gut auskennen…, als würde sie regelmäßig dort arbeiten.«
»Nein, nein, früher mal, da hat sie regelmäßig mitgearbeitet. Das war, als der Chef die Firma von seinem Vater übernommen hatte. Aber das ist lange her. Und ich weiß das auch nur vom Hörensagen, ich hab zu dieser Zeit noch nicht dort gearbeitet.«
»Aha, Sie haben sie also nicht oft gesehen.«
»Naja, zuerst nicht oft, aber in letzter Zeit kam sie wieder häufiger ins Büro, weil nämlich der Prokurist fristlos gefeuert wurde. Man munkelt, er hätte Geld unterschlagen.«
›Na so was‹, dachte Kronfeld, ›das hat die Madame nicht erwähnt. Wollte sie den Job höchstpersönlich übernehmen?‹
»Die Unterschlagung, ist das nur ein Gerücht oder wissen Sie näheres?«
»Tja, es wurde natürlich nicht offen darüber gesprochen«, raunte Eva, »aber ich weiß zufällig genau, dass Herr Merkheimer, der Prokurist, in die eigene Tasche gewirtschaftet hat. Er ist schon 62 und steht kurz vor der Rente. Vielleicht wollte er seine Altersversorgung auf diese Art aufstocken.« Sie sah ihn spitzbübisch von der Seite an und leckte an ihrem Eislöffel.
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