Sie wohnte in der Nähe des Bahnhofs, in einer kleinen Pension, und jobbte gelegentlich als Kellnerin. Gerd bemerkte schnell, dass sie sehr kontaktfreudig und Männerbekanntschaften nicht abgeneigt war. Außerdem war sie außerordentlich hübsch und hatte eine erstklassige Figur.
»Vielleicht weiß ich was für dich«, sagte er und sah sie lauernd von der Seite an, »einem Freund von mir gehört das ›Rouge Bijou‹, das ist ein Lokal in der Innenstadt. Der ist immer auf der Suche nach aufreizenden Schönheiten, die tanzen können und die Gäste zum Trinken animieren. Geh doch morgen gleich mal hin und stell dich vor.«
Ihr Blick war schon leicht benebelt und sie gackste:
»Was glaubst denn du von mir? Ich geh nicht mit jedem ins Bett, hast mich!«, und fast unverständlich murmelte sie noch: »Ich bin doch nicht so eine.«
»Nein, nein, das ist doch kein Puff, nur ein Animierlokal. Da kannst du richtig Kohle verdienen. Ich könnte dich auch hinbegleiten.«
»Okay, vielleicht schau ich´s mir mal an«, lallte sie »und jetzt will ich heim.«
Gerd brachte sie nach Hause. Am nächsten Tag holte er Rosi ab und fuhr mir ihr ins ›Rouge Bijou‹. Heini Rösler, der Inhaber der Bar war sofort von ihr begeistert, er bot ihr den Job an und sie sagte freudig zu. Kurz darauf bezogen Gerd und Rosi eine gemeinsame Wohnung. Das war jetzt schon drei Jahre her.
Gerd wollte Rosi an sich ziehen.
»Vorsicht«, sagt sie und drehte sich zur Seite, »ich hab mich gerade eingeölt.«
»Das merke ich«, erwiderte er und wischte seine sonnenölverschmierte Hand an seinem Handtuch ab.
»Übertreibst du da nicht ein bisschen?«
»Ich muss aufpassen, dass ich keinen Sonnenbrand kriege.« Sie hatte eine sehr helle, empfindliche Haut, anders als Gerd, der immer braun gebrannt war. Wenn es an Sonnenstrahlen mangelte, ging er ins Solarium. Mit seinen schwarzen Haaren, den dunklen, glutvollen Augen und seinem athletischen Körper sah er aus wie der Prototyp des ›Latin Lover‹.
»Sowas kann ich im Geschäft wirklich nicht brauchen. In ein paar Tagen muss ich wieder zurück in die Kaschemme«, jammerte sie, »ich will aber nicht, ich hab den Schuppen satt. Wann ist es denn endlich soweit?« Fragend schaute sie ihn mit einem Schmollmund an.
»Noch ein bisschen Geduld Schätzchen, es dauert nicht mehr lang. Die Sache läuft. Das klappt so sicher wie das Amen in der Kirche.«
Zufrieden seufzend legte er sich auf den Rücken und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
»Jetzt genießen wir erst mal unseren Urlaub. Am Sonntag fahren wir zurück und nächste Woche ist es soweit. Ich erwarte ein ordentliches Startkapital und sobald das Geld da ist, geht´s los. Totsicher.«
Dabei lachte er so verächtlich, dass Rosi eine Gänsehaut bekam.
»Manchmal machst du mir direkt Angst«, murmelte sie und ging in die Kajüte, um ihre Zigaretten zu holen. Als sie zurück kam, zündete sie zwei Zigaretten an, reichte ihm eine und bohrte nochmal nach: »Das geht doch wirklich alles in Ordnung, mit dem Geschäft, meine ich«, fragte sie vorsichtig.
»Ja doch, jetzt beruhig dich mal wieder«, beschwichtigte er sie, »ich hab´s dir versprochen und ich halte mein Versprechen, kennst mich doch. Das Einverständnis kriegen wir, das ist alles schon abgemacht. Mach dir also keine Sorgen und hol mir lieber noch einen Drink.«
Sie verdrehte die Augen, ging in die Kabine und mixte zwei neue Cuba-Libre, wie gewünscht mit wenig Eis und viel Rum.
Nach dem Mittagessen in der ›Seerose‹ fuhr Korbinian Kronfeld zurück in die Stadt. Er hatte Frau Haingruber nach dem Leichenfund zuhause anrufen wollen. Die Haushälterin nahm das Gespräch entgegen. Sie war heute ausnahmsweise länger geblieben, da die Spurensicherung ihre Arbeit noch nicht beendet hatte. Frau Neumann erzählte dem Kommissar, die gnädige Frau hätte es im Haus nicht mehr länger ausgehalten und wäre jetzt in der Firma anzutreffen. Jemand müsse sich schließlich um das Geschäft kümmern, ›während ihr Mann sich sonst wo herumtrieb‹, wie sie sich ausgedrückt hatte.
So sparte er sich den Weg zur Villa und suchte direkt den Firmensitz des Haingruber-Tabak-Unternehmens auf. Es war ein riesiges Gelände vor den Toren der Stadt. Kronfeld lenkte seinen Wagen durch eine breite Einfahrt. Auf der linken Seite sah er die gewaltige Lagerhalle, die den größten Teil des Grundstücks in Anspruch nahm. Rechterhand befand sich der Firmenparkplatz, von dem eine schmale Straße zum Verwaltungsgebäude führte. Als er das Gebäude erblickte, war er verblüfft. Es glich eher einem feudalen Herrenhaus, als einer Firmenzentrale.
Über eine dreistufige Außentreppe gelangte er durch eine wuchtige Eingangstür in eine prächtige Vorhalle. ›Diese Leute müssen auch alles übertreiben‹, dachte er spöttisch. Der Fußboden war mit dezent grau-weiß gemusterten Marmorplatten ausgelegt. An der Stirnseite des Foyers führte eine breite Marmortreppe in die obere Etage, zu den Büroräumen. Die linke Wand wurde von zwei übergroßen Gemälden beherrscht. Das eine zeigte den Firmengründer, das andere dessen Ehefrau. Davor stand ein schwerer Eichentisch, umrundet von sechs ledergepolsterten Stühlen mit hoher Rückenlehne. Auf der rechten Seite befand sich, ebenfalls aus Marmor, eine eindrucksvolle Rezeption. Die Treppe und alle Ecken der Halle wurden von großen Blumentöpfen mit üppigen Grünpflanzen flankiert.
»Einen wunderschönen guten Tag«, grüßte Eva Konrad, die vollschlanke, brünette Empfangsdame an der Rezeption und schaute ihn lächelnd an. »Was kann ich für Sie tun?«
»Kronfeld, Kripo Lindenburg«, stellte sich der Kommissar vor und zeigte ihr gleichzeitig seine Dienstmarke, »ich möchte mit Frau Haingruber sprechen.«
»Oh«, ihr Lächeln verschwand, »einen Moment bitte, ich melde Sie an.«
Nachdem sie den Hörer wieder aufgelegt hatte, tat sie mit einem verführerischen Augenaufschlag kund: »Frau Direktor wird Sie gleich empfangen.«
»Herr Kommissar Kronfeld«, ertönte zwei Minuten später die Stimme von Frau Haingruber. »Ich stehe voll und ganz zu Ihrer Verfügung.«
Sie klang kühl und machte einen sehr ernsten und fast überheblichen Eindruck. Majestätisch schritt sie langsam die breite Marmortreppe herab und kam auf Kronfeld zu. Als sie ihm die Hand reichte, umnebelte ihn der herbe Duft eines teuren Parfüms und er bemerkte dass ihre Finger mehr Gold zierten, als man für einen Mittelklassewagen ausgeben musste.
»Kommen Sie, gehen wir in mein Büro«, sagt sie mit einem eisigen Seitenblick auf die Empfangsdame. Kronfeld folgte ihr und warf noch einen verwunderten Blick zurück auf Eva Konrad, die nur gelangweilt mit den Schultern zuckte.
Das große Arbeitszimmer erstrahlte, wie nicht anders zu erwarten, in einem luxuriösen Ambiente mit edlen Stilmöbeln.
»Bitte, nehmen Sie Platz«, sie deutete auf die eleganten, lederbezogenen Sessel, die um einen runden Konferenztisch mit Marmorplatte gruppiert waren, setzte sich ihm gegenüber und sah ihn fragend an.
»Frau Haingruber, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir Ihren Mann heute Vormittag tot aufgefunden haben.«
»Oh, nein«, stöhnte sie auf. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie krampfte die Hände ineinander und senkte den Kopf. Nach einer kurzen Pause blickte sie auf. »Wo haben Sie ihn gefunden?«, ihre Stimme klang brüchig.
»Er trieb im dichten Schilf, nicht weit von der Stelle, wo das Schiff explodiert ist.«
»Und…«, sie zögerte einen Moment, »wissen Sie jetzt auch, wie es zu der Explosion kam? Es war doch ein Unfall?«
»Ich fürchte, es war ein Attentat. Wir müssen noch die Ergebnisse der KTU abwarten, aber es sieht ganz so aus, als hätten der oder die Täter eine Bombe an Bord deponiert. Für Ihren Mann kam leider jede Hilfe zu spät.«
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