Sam doch dafür geben, daß er sich das abringen ließ, was wir besser aus Milde oder Gnade hätten
bewilligen sollen. Als er sich daher mit der Frage an mich wandte, was ich dazu sage, antwortete ich:
»Weißt du noch, Sam, was der Vorzug deiner Tony ist?«
»Welcher?«
»Daß sie Grütze im Kopfe hat.«
» Egad, ich besinne mich, und auch du scheinst ein gutes Gedächtnis für dergleichen Dinge zu haben.
Aber was kann ich dafür, daß ich ein Jäger und kein Rechtsgelehrter bin? Du hättest aus diesen Leuten
vielleicht etwas herausgekniffen; warum hast du den Sheriff nicht gemacht? Nun sind sie frei, denn was
einmal gesagt ist, das muß auch gelten.«
»Natürlich, denn meine Meinung könnte nun doch nichts mehr entscheiden. Frei sind sie, nämlich von der
Anklage auf Mordversuch, doch frei in anderer Beziehung noch nicht. Master Williams, ich werde jetzt
eine Frage an Euch richten, und auf Eure Antwort soll es ankommen, was mit Euch weiter geschehen
wird. in welcher Richtung erreicht man am schnellsten den Rio Pecos?«
» Grad nach West.« An welcher Zeit?«
»In zwei Tagen.«
»Ich halte euch für Stakemen, obgleich ihr uns gestern vor denselben warnen wolltet und obgleich ihr mit
eurer Truppe, allerdings nachdem sie gehörig abgeschwächt war, die richtige Richtung eingehalten zu
haben scheint. Ihr werdet als unsere Gefangenen zwei Tage lang bei uns bleiben. Sind wir dann noch
nicht am Flusse, so ist es um euch geschehen, denn ich selbst werde euch die Kugel oder den Riemen zu
kosten geben, oder eine Jury über euch abhalten. Jetzt wißt ihr, woran ihr seid! Bindet sie auf ihre Pferde,
und dann vorwärts!«
»Oh, ah, das sein gut!« meinte Bob. »Wenn nicht kommen an Fluß, Bob werden hängen sie an Baum!«
Bereits nach einer Viertelstunde befanden wir uns unterwegs; die auf ihre Pferde gebundenen Gefangenen
waren natürlich in der Mitte. Bob schien sein Amt als Constabel nicht niederlegen zu wollen; er wich
nicht von ihnen und hielt sie unter der strengsten Beaufsichtigung. Sam befehligte den Nachtrab, und ich
ritt mit Bernard Marshall voran.
Natürlich war das gestrige Ereignis der Gegenstand unseres Gespräches, doch hatte ich keine Lust, mich
sonderlich darüber zu verbreiten. Endlich meinte er, von den Voyageurs abbrechend:
»Ist es wahr, was Sans-ear behauptete, daß Ihr den Regen gemacht habt?«
»Ja.«
»Mir unbegreiflich, obgleich ich weiß, daß Ihr nicht die Unwahrheit sagt.«
»Ich ließ es regnen, um uns und Euch zu retten.«
Und nun erklärte ich ihm den höchst einfachen Vorgang, mit Hilfe dessen sich die Wettermacher und
Medizinmänner mancher wilder Völkerschaften bei ihren Gläubigen in ungeheuren Kredit zu setzen
verstehen.
»Dann haben wir alle Euch also das Leben zu verdanken. Wir wären verschmachtet an der Stelle, an
welcher Ihr uns traft.«
52
»Verschmachtet nicht, sondern ermordet worden. Seht Euch nur die Satteldecken dieser sogenannten
Voyageurs an; es befinden sich noch volle Wasserschläuche unter denselben. Sie haben nicht den
mindesten Durst gelitten. Ich würde sie unbedingt niederschießen, wenn ich mich nicht scheute,
Menschenblut zu vergießen. Wie heißt der jüngste von ihnen, der gestern mit Williams zugleich die
Wache hatte?«
»Mercroft.«
»Jedenfalls auch ein angenommener Name. Der Bursche kommt mir trotz seiner Jugend am
allerverdächtigsten vor, und es ist mir, als hätte ich ein ähnliches Gesicht bereits einmal unter nicht
empfehlenden Umständen gesehen. Wehe ihnen, wenn wir zur angegebenen Zeit das Wasser nicht
erreichen! Jetzt erzählt mir doch einmal die näheren Umstände bei der Ermordung und Beraubung Eures
Vaters!«
»Nähere Umstände gibt es nicht. Allan war nach Francisco gegangen, um Einkäufe in Gold zu machen;
wir waren also mit Bob und der Wirtschafterin nur zu Vieren, da die Arbeiter und Gehilfen außerhalb des
Hauses wohnten. Der Vater ging abends stets aus, wie Ihr ja wohl wißt, und eines schönen Morgens
fanden wir seine Leiche im verschlossenen Hausflur, die Werkstatt und den Laden aber geöffnet und alles
Wertvolle geraubt. Er trug stets einen Schlüssel bei sich, welcher alle Türen öffnete. Man hat ihm nach
der Ermordung denselben abgenommen und konnte dann mit Hilfe dieses Hauptschlüssels den Raub ohne
alle Mühe vollführen.«
»Hattet Ihr keinen Verdacht?«
»Nur einer der Gehilfen konnte den Umstand mit dem Schlüssel wissen, doch alle polizeilichen
Nachforschungen sind fruchtlos geblieben; die Gehilfen mußten entlassen werden und sind verschollen.
Es befanden sich bedeutende Depositen unter den geraubten Juwelen; ich mußte alles ersetzen und behielt
kaum Mittel genug zu der Reise nach Kalifornien übrig, welche ich unternehmen muß, um den Bruder
aufzusuchen, dessen Nachrichten so plötzlich unterblieben sind.«
»So habt Ihr keine Hoffnung, des Mörders jemals habhaft zu werden und wenigstens teilweise wieder zu
Eurem Eigentum zu kommen?«
»Nicht die mindeste. Die Täter sind mit ihrem Raube jedenfalls längst außer Landes, und obschon ich die
Tat in allen größeren Zeitungen Europas und Amerikas veröffentlichen ließ und eine genaue
Beschreibung der wertvollsten geraubten Gegenstände beifügte, so wird mir dies doch nichts helfen, denn
es gibt für den geriebenen Verbrecher Mittel und Wege genug, sich sicher zu stellen.«
»Ich möchte wohl einmal eine solche Veröffentlichung lesen!«
»Das könnt Ihr. Ich habe die betreffende Nummer des Morning-Herald stets bei mir, um für etwaige Fälle
bei der Hand zu sein.«
Er griff in die Tasche und zog das Blatt hervor, um es mir herüberzureichen. Ich las das Verzeichnis
während des Reitens und mußte dabei wieder einmal eine jener höheren Fügungen bewundern, welche
der Zweifler Zufall zu nennen pflegt. Als ich zu Ende war, faltete ich das Papier zusammen und gab es
ihm zurück.
»Wie nun, wenn ich im Stande wäre, Euch den Täter oder wenigstens einen der Täter genau zu
bezeichnen?«
»Ihr, Charley?« fragte er schnell.
»Und Euch wenigstens zu einem großen Teile Eures Verlustes wieder zu verhelfen?«
»Treibt keinen üblen Scherz, Charley! Ihr waret in der Prairie, als die Tat geschah; wie sollte Euch das
möglich sein, was die, welche am nächsten beteiligt waren, nicht zustande brachten?«
»Bernard, ich bin ein rauher Gesell aber wohl dem Menschen, der sich aus der glücklichen Jugendzeit
seinen Kinderglauben hinüber in die Zeit des ernsten Mannesalters gerettet hat. Es gibt ein Auge, welches
über alles wacht, und eine Hand, welche selbst die bösesten Anschläge für uns zum Guten lenkt, und für
dieses Auge, für diese Hand liegen Louisville und die Savanne eng zusammen. Da seht einmal her!«
Ich zog die Beutel hervor und reichte sie ihm hin. Er nahm sie mit fieberhafter Aufregung in Empfang,
und als er sie öffnete, sah ich seine Hände zittern. Kaum hatte er einen Blick hineingeworfen, so stieß er
einen Ruf der freudigsten Überraschung aus:
53
»Herr, mein Gott, unsere Diamanten! ja, sie sind's, sie sind's wahrhaftig! Wie kommt - - -«
»Stopp!« unterbrach ich ihn. »Beherrscht Euch, mein Junge! Die da hinter uns brauchen nicht ganz genau
zu wissen, welche Art von Unterhaltung wir führen! Wenn es Eure Steine sind, wovon ich allerdings
selbst vollkommen überzeugt bin, so behaltet sie, und damit Ihr nicht etwa gar mich selbst für den
Spitzbuben haltet, will ich Euch erzählen, wie ich zu ihnen gekommen bin.«
»Charley, was denkt Ihr denn! Wie könnt Ihr meinen -«
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