»Sachte, sachte! Ihr schreit ja, als ob sie es drüben in Australien hören sollten, was wir hier mit einander
zu verhandeln haben!«
Der gute Bernard befand sich in einem allerdings leicht erklärlichen Freudenrausche; ich gönnte ihm sein
Glück von ganzem Herzen und bedauerte nur, daß es nicht möglich war, mit den Steinen ihm auch den
Vater zurückzugeben.
»Erzählt, Charley! Ich bin begierig, zu hören, wie meine Steine in Eure Hände gekommen sind,« bat er
mich.
»Ich hatte auch den Täter beinahe fest. Er war mir so nahe, daß ich ihn mit diesem meinem Fuße von der
Lokomotive stieß, auf welcher ich stand, und Sam ist hinter ihm hergewesen, freilich vergeblich. Aber ich
hoffe, ihn wieder zwischen die Hände zu bekommen, und zwar bald, wo möglich da drüben über dem Rio
Pecos; er hat sich dorthin gewandt, jedenfalls einer neuen Gaunerei wegen, der wir wohl auch noch auf
die Spur kommen werden.«
»Erzählt, Charley, erzählt!«
Ich berichtete ihm den Bahnüberfall durch die Ogellallahs mit allen dabei vorgekommenen Einzelheiten
und las ihm dann auch den Brief vor, welchen Patrik an Fred Morgan geschrieben hatte. Er hörte mit der
größten Aufmerksamkeit zu und meinte dann am Schlusse:
»Wir fangen ihn, Charley, wir fangen ihn, und werden dann auch erfahren, wohin das Übrige gekommen
ist!«
»Fangt nicht wieder an zu schreien Bernard! Wir sind zwar um einige Pferdelängen voraus, aber hier im
Westen muß man selbst beim einfachsten Dinge verschlossen sein, da Unklugheit niemals zu irgend
einem Nutzen führt.«
»Und Ihr wollt mir die Steine wirklich überlassen, ohne alle Bedingung, ohne jedweden Anspruch?«
»Natürlich, sie sind ja Euer!«
»Charley, Ihr seid - - - doch hört« - er griff in den Beutel und zog einen der größeren Steine hervor - »tut
mir den Gefallen und nehmt diesen da als Andenken von mir an!«
» Pshaw! Werde mich hüten, Bernard! Ihr habt nichts zu verschenken, gar nichts, denn diese Steine
gehören nicht Euch allein, sondern auch Eurem Bruder.«
»Allan wird gutheißen, was ich tue!«
»Das ist möglich, ja, ich bin sogar überzeugt davon; aber bedenkt, daß diese Steine noch lange nicht alles
sind, was Ihr verloren habt. Behaltet ihn also, und wenn wir einmal scheiden so gebt mir etwas Anderes,
was Euch nichts kostet und mir als Andenken dennoch lieb und teuer ist! Jetzt aber reitet einmal in dieser
Richtung fort, ich werde Sam erwarten!«
Ich ließ ihn mit seinem Glück allein und blieb halten, um die Truppe an mir vorüber zu lassen, bis Sansear
mir zur Seite war.
»Was hattest du denn da vorn so Außerordentliches zu verhandeln, Charley?« fragte er mich. »Ihr habt ja
die Luft mit den Armen geprügelt, daß es zum Beispiel ganz so aussah, als ob ihr Ballett reiten wolltet.«
»Weißt du, wer der Mörder von Bernards Vater ist?«
»Nun? Du hast es doch nicht etwa herausbekommen?«
»Doch!«
» Well done! Du bist ein Mensch, dem alles glückt. Wenn ein Anderer jahrelang vergeblich nach etwas
ringt und jagt, so greifst du im Traume in die Luft und hast es. Nun, wer ist es? Ich hoffe, daß du dich
nicht verrechnest!«
»Fred Morgan.«
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»Fred Morgan - dieser?! Charley, ich will dir Alles glauben, dies aber nicht. Morgan ist ein Schuft unter
den Westmännern, doch nach dem Osten kommt er nicht.«
»Ganz, wie du willst. Die Steine aber gehören Marshall; ich habe sie ihm bereits wiedergegeben.«
»Ha, wenn du das getan hast, so mußt du freilich ganz außerordentliche Überzeugung haben. Wird sich
freuen, der arme Junge! Und nun gibt es einen Grund mehr, mit diesem Morgan einige Worte im
Vertrauen zu reden; ich hoffe, seine Kerbe bald einschneiden zu können.«
»Und wenn wir ihn finden und mit ihm fertig sind, was dann?«
»Was dann? Hin, ich bin nur seinetwegen nach dem Süden, und wäre ihm nachgegangen bis nach
Mexiko, Brasilien und dem Feuerlande. Finde ich ihn aber hier, so ist es mir ganz gleich, wohin ich gehe.
Vielleicht hätte ich zum Beispiel Lust, einmal hinüber in das alte Kalifornien zu laufen, wo es so
prächtige Abenteuer geben soll.«
»Für diesen Fall gehe ich mit. Ich habe noch einige Monate Zeit und möchte den guten Bernard nicht
allein diesen weiten und gefährlichen Weg machen lassen.«
» Well, so sind wir einig. Sorge nur dafür, daß wir erst glücklich aus diesem Sande und von dieser
Gesellschaft kommen. Sie gefällt mir jetzt viel weniger als heut am Morgen, und besonders will mir das
Gesicht des jungen dort verwünscht schlecht behagen; es ist ein Ohrfeigengesicht, und ich meine, daß ich
es bereits einmal bei einer Gelegenheit gesehen habe, bei welcher eine Schlechtigkeit im Werke gewesen
ist.«
»Geht mir ganz ebenso. Vielleicht besinne ich mich noch, wo ich ihm begegnet bin!«
Der Ritt wurde ohne eine besondere Unterbrechung bis abends fortgesetzt; dann machten wir Halt,
versorgten unsere Pferde, aßen einige Bissen hartes Dürrfleisch und begaben uns dann zur Ruhe. Die
Gefangenen waren für die Nacht gefesselt worden, und die Wache sorgte dafür, daß sie sich nicht zu
befreien vermochten. Als der Morgen anbrach, ging es wieder vorwärts, und bereits am Mittag bemerkten
wir, daß der Boden weniger steril wurde. Der Kaktus, welchem wir begegneten, wurde saftiger, und
bereits zeigte sich hier oder da im Sande ein Halm oder ein Büschel grüngelben Grases, welches unsere
Pferde mit Begierde abweideten. Nach und nach drängten sich die Halme und Büschel zusammen; die
Wüste wurde zum wiesenartigen Plane, und wir mußten absteigen, um unsere Tiere zufrieden zu stellen,
welche sich mit wahrem Heißhunger an dem Grün erlabten. Zuviel durften wir ihnen freilich nicht
gewähren; darum pflockten wir sie an, damit sie nur soweit weiden konnten, als die Lassos reichten. Jetzt
konnten wir sicher sein, bald Wasser zu finden, und so gingen wir mit dem Reste des unsrigen nicht eben
gar zu sehr sparsam um.
Indem wir uns so freuten, die furchtbare Wüste endlich hinter uns zu haben, trat Williams zu mir.
»Sir, glaubt Ihr nun, daß ich die Wahrheit gesagt habe?«
»Ich glaube es.«
»So gebt uns unsere Pferde und Waffen zurück, und laßt uns frei. Wir haben Euch nichts getan, und
können diese Forderung mit allem Rechte stellen.«
»Möglich; da ich aber nicht allein über euch zu entscheiden vermag, so werde ich die Anderen fragen.«
Wir setzten uns zur Beratung zusammen, welcher ich eine vorbedächtige Einleitung gab:
»Mesch'schurs, wir haben die Wüste im Rücken und gutes Land vor uns; nun gilt die Frage, ob wir noch
beisammen bleiben können. Wohin gedenkt ihr zu gehen?« wandte ich mich speziell an die Kaufleute.
»Nach dem Paso del Norte,« lautete die Antwort.
»Wir vier reiten hinauf nach Santa Fé; unsere Wege laufen also auseinander. Jetzt ist noch die Frage, was
wir mit diesen fünf Männern tun.«
Diese wichtige Frage ward nach kurzer Besprechung in der Weise gelöst, die Voyageurs freizulassen, und
zwar nicht erst morgen, sondern noch heute. Dies war meinem Plane nicht zuwider; sie erhielten also ihr
Eigentum zurück und machten sich sofort auf den Weg. Auf die Frage, wohin sie sich zu wenden
beabsichtigten, gab Williams zur Antwort, daß sie dem Pecos bis zum Rio Grande folgen würden, um
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dort Büffel zu jagen. Sie waren kaum eine halbe Stunde fort, so brachen auch die Kaufleute auf, und bald
waren beide Gruppen am Horizonte verschwunden.
Wir hatten seit ihrer Entfernung schweigend dagesessen; jetzt brach Sam die Stille:
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